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Coronavirus: Das Immunsystem kann Covid-19 verschlimmern


Überreaktion der Körperabwehr
Das Immunsystem kann Covid-19 verschlimmern

Von Nicole Sagener

Aktualisiert am 02.07.2020Lesedauer: 3 Min.
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Krankenstation für Covid-19-Patienten in Santiago de Chile.Vergrößern des Bildes
Krankenstation für Covid-19-Patienten in Santiago de Chile. (Quelle: Ivan Alvarado/Reuters-bilder)

Das Immunsystem soll eine Infektion eigentlich bekämpfen. Doch neue Studien zeigen: Bei manchen Covid-19-Patienten kann die körpereigene Abwehr offenbar größere Schäden anrichten als das Coronavirus selbst.

Während manche Menschen eine Corona-Infektion nicht einmal bemerken oder nur leichte Erkältungssymptome entwickeln, kann Covid-19 für andere Betroffene lebensgefährlich werden. Die Gründe sind noch immer nicht völlig klar. Zwar zeigen Studien, dass bestimmte Vorerkrankungen und das Alter beeinflussen können, wie schwer jemand durch das Coronavirus SARS-CoV-2 erkrankt. Nun aber rückt noch ein weiterer Aspekt ins Zentrum der Aufmerksamkeit: das Immunsystem, das offenbar eine gefährliche Doppelrolle bei einer Covid-19-Erkrankung spielen kann.

Kürzlich hatten bereits Untersuchungen der Universitätsklinik Tübingen Hinweise darauf entdeckt, dass eine Überreaktion des Immunsystems für besonders schwere Covid-19-Erkrankungen verantwortlich sein könnte. Der Tübinger Pathologe Hans Bösmüller hatte bei der Obduktion von elf an Covid-19 Verstorbenen vor allem an den Lungen und anderen Organen Hinweise auf Gefäßschäden, Thrombosen und Blutgerinnungsstörungen gefunden und die Vermutung geäußert, dass diese Schäden durch eine krankhafte Immunreaktion hervorgerufen werden.

Eine neue Studie untermauert diese Annahme nun: Wie ein Forscherteam aus Deutschland herausgefunden hat, reagiert die körpereigene Abwehr bei manchen Covid-19-Patienten tatsächlich über. Und diese übersteigerte Abwehrreaktion kann offenbar größeren Schaden verursachen als das Virus selbst.

Tiefer Blick in mit SARS-CoV-2 infizierte Zellen

In ihrer Analyse untersuchten die Wissenschaftler vom Berlin Institute of Health (BIH), der Charité Berlin sowie Kollegen aus Leipzig und Heidelberg die Immunantwort bei 19 Patienten mit Covid-19. "Wir haben vermutet, dass bei den unterschiedlichen Krankheitsverläufen das körpereigene Immunsystem eine Rolle spielt. Und das wollten wir gern genauer verstehen", erklärt Irina Lehmann, Mitautorin der im Fachjournal "Nature Biotechnology" erschienenen Studie, in einer Pressemitteilung.

Lehmann und ihre Kollegen entnahmen darum den Betroffenen – acht von ihnen waren moderat und elf schwer erkrankt – sowie fünf nicht-infizierten Kontrollprobanden Proben aus den Atemwegen, um auf molekularer und zellulärer Ebene möglichen Gründen für die Schwere der Erkrankung auf die Spur zu kommen.

Aus dem Probenmaterial isolierten die Forscher im Labor insgesamt mehr als 160.000 einzelne Zellen und untersuchten diese genauer. Dabei fanden sie neben Immunzellen vor allem Zellen aus der obersten Schicht der Atemwege, deren Untersuchung einen tieferen Einblick in den Ablauf der Infektion auf der Ebene einzelner Zellen liefert.

Wenn das Immunsystem überreagiert

Normalerweise sollten infizierte Zellen, nachdem das Coronavirus über den Rezeptor ACE2 in sie eingedrungen ist, das Immunsystem aktivieren und Immunzellen herbeirufen. Denn diese töten die infizierten Körperzellen ab und bekämpfen so die Infektion.

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Doch im Fall von Covid-19 scheint dieser Prozess gestört: Der Immunbotenstoff Interferon, der eigentlich zentral für die Immunabwehr gegen Virusinfektionen ist, scheint hier dazu beizutragen, dass die Körperzellen mehr ACE2-Rezeptoren bilden. Weil SARS-CoV-2 so noch leichter in die Körperzellen eindringen kann, werden diese verwundbarer für eine Virusinfektion. "Im Fall von Covid-19 hilft das Immunsystem so dem Virus, weitere Zellen zu infizieren und verstärkt somit die Erkrankung", erklärt Epidemiologin Lehmann.

Und noch eine weitere Beobachtung machten die Forscher: Vor allem bei schwer erkrankten Patienten reagierten die Immunzellen mit einer überschießenden Entzündung.

Körperabwehr wird zum Komplizen für das Coronavirus

Das Virus gehe eine unheilvolle Allianz mit dem Immunsystem des Patienten ein, kommentiert Studienautor Roland Eils die Erkenntnisse. "Speziell bei schwer erkrankten Patienten haben wir beobachtet, dass das überreagierende Immunsystem die Zerstörung des Lungengewebes vorantreibt." Das könnte erklären, warum diese Patienten stärker von der Infektion betroffen sind als Patienten, bei denen das Immunsystem angemessen reagiert.

Das Fazit der Forscher könnte wichtige Impulse für die Therapie schwer Erkrankter Covid-19-Patienten liefern: Deren Behandlung sollte sich nicht nur gegen das Virus selbst richten, so die Studienautoren. Ergänzend sollten auch Therapien erwogen werden, die das Immunsystem in seine Schranken weisen – möglicherweise sogar bereits zu Beginn der Erkrankung, um ein Überschießen des Immunsystems zu verhindern.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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