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Corona – Virologe Streeck: "Perfide, wenn Worte absichtlich verdreht werden"


Virologe Hendrik Streeck
"Wenn meine Worte absichtlich verdreht werden, ist das perfide"

  • Melanie Rannow
InterviewVon Melanie Rannow

Aktualisiert am 13.12.2020Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Hendrik Streeck: Er ist der Direktor des Instituts für Virologie am Uniklinikum Bonn.Vergrößern des Bildes
Hendrik Streeck: Er ist der Direktor des Instituts für Virologie am Uniklinikum Bonn. (Quelle: Federico Gambarini/dpa-bilder)

"#SterbenmitStreeck" – der Virologe Hendrik Streeck wird im Netz angefeindet. Im Interview mit t-online zeigt er sich entsetzt über die Angriffe. Ein Gespräch über verdrehte Aussagen, Fehleinschätzungen von Experten und Talkshows.

Hendrik Streeck gehört zu den bekanntesten Corona-Experten Deutschlands. Seit Monaten erforscht er das Virus und erklärt der Öffentlichkeit seine Sicht auf die Pandemie. Streeck wirbt dafür, angstfreier und lockerer mit ihr umzugehen. Immer wieder gerät er dafür in die Kritik – vor allem in den sozialen Netzwerken.

Jüngste Aussagen des Wissenschaftlers bei einem TV-Auftritt haben eine Welle der Entrüstung auf Twitter ausgelöst. Der Hashtag "#SterbenmitStreeck", der bereits im Frühjahr aufkam, wurde wiederbelebt und landete zwischenzeitlich in den Twitter-Trends. Streeck vertrat die Meinung, dass Deutschland gerade "gut durch die Pandemie komme" – in den Augen vieler angesichts hoher Infektions- und Todeszahlen eine nicht vertretbare Aussage.

Er selbst fand deutliche Worte in einem Tweet und äußerte sich erschrocken über den "Hass im Netz".

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Im Interview mit t-online erklärt Streeck erstmals, wie er mit solchen Anfeindungen umgeht und wie seine Aussagen verdreht wurden.

t-online: Auf Twitter kursieren Nachrichten mit dem Hashtag #SterbenmitStreeck. Einige Nutzer werfen Ihnen damit vor, das Coronavirus zu verharmlosen. Wie gehen Sie damit um?

Hendrik Streeck: Den Hashtag gibt es leider schon länger, das ist nur neu hochgekommen. Ich finde es schockierend, wie schamlos er benutzt wird. Dies ist keine Debatte über die Corona-Pandemie, sondern ein handfestes gesellschaftliches Problem.

Einige werfen Ihnen mit diesem Hashtag Aussagen vor wie "Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben". Ist dieser Satz nicht wirklich heikel?

Die Aussage "Wir müssen anfangen zu lernen, mit dem Virus zu leben" ist keine Bagatellisierung von meiner Seite, sondern der Hinweis auf den Fakt, dass das Virus nicht verschwinden wird – es gibt Coronaviren, die die Menschen schon seit mehreren Tausend Jahren plagen. Ich plädiere daher dafür, dass man mehr Souveränität im Umgang damit lernt. Doch meine Aussagen werden in den sozialen Medien verdreht, aus dem Kontext gerissen und auf niederträchtige Weise missbraucht. Der Hashtag wird dabei benutzt, um Behauptungen Nachdruck zu verleihen, die ich nie getätigt habe. Das ist eine perfide Vorgehensweise, und hat mir vor Augen geführt, warum man inzwischen auch von asozialen Medien spricht.

Können Sie Beispiele nennen, wo Ihre Worte missverstanden wurden?

Ich habe zum Beispiel von einer Dauerwelle gesprochen, die mal höher und mal tiefer ist, aber gleichsam bedeutet, dass das Virus permanent anwesend ist, und nicht einfach verschwindet. Dabei habe ich prognostiziert, dass wir mit ansteigendem Infektionsgeschehen im Herbst 20.000 und mehr Infektionen täglich haben werden. Daraus spinnen Leute dann eine Mär, dass ich die sogenannte zweite Welle quasi ausgeschlossen hätte.

Hätten Sie jemals damit gerechnet, dass Ihre Aussagen so heftige Reaktionen bei manchen Menschen auslösen?

Nein und es ist sehr bedauerlich, dass es sich nicht mehr um eine sachliche Debatte handelt. Meine Aussagen werden immer mehr politisch gedeutet, ganz egal, ob sie das sind oder nicht.

Aber natürlich ist die ganze Debatte um Corona-Maßnahmen eine politische.

Für Politiker, aber nicht für Wissenschaftler. Ich bin nicht derjenige, der Maßnahmen beschlossen hat oder zum Beispiel für einen Lockdown light geworben hat. Ganz im Gegenteil – ich plädiere seit Langem dafür, dass man Risikogruppen endlich besser schützen muss. Diese Erkenntnis hat sich in Städten wie in Tübingen durchgesetzt, aber flächendeckend ist sie noch nicht, obwohl sie dort bisher funktioniert. Das ist nicht politisch gemeint, sondern eine Überzeugung, die auf wissenschaftlicher Erkenntnis und nicht politischem Kalkül beruht.

Offenbar haben manche den Eindruck, dass sich auch die wissenschaftlichen Experten nicht einig sind.

Ob Lauterbach, Drosten, Priesemann oder Meyer-Hermann – wir alle wollen das Gleiche. Wir wollen alle zu der Bewältigung der Pandemie beitragen und Schaden – so gut es geht – verhindern. Diese Unterstellungen, dass man schaden will oder politische Motive hätte bei seinen Empfehlungen, finde ich perfide.

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Ist es unmöglich geworden, sachlich auf Twitter zu diskutieren?

Ich habe Twitter früher kaum genutzt. Ich hatte anfangs 500 Follower auf meinem Account und dachte, ich könnte dort immer mal über die HIV-Forschung berichten. Im Laufe der Pandemie wurden es mehr. Doch die Aggressionen, die dort ausgelebt werden, machen es tatsächlich extrem schwer, diesen Kanal zu nutzen.

Sie erhalten regelmäßig Einladungen für Fernsehtalkshows. Überlegen Sie jetzt, sich mehr aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen?

Ich bin da hin und hergerissen, sage aber inzwischen fast alle Anfragen ab. Unabhängig davon sprengt das Volumen an täglichen Anfragen auch alles, was man tun könnte. Ich stelle aber fest, dass ein Medium fehlt, um die Wissenschaft richtig zu diskutieren. Das leistet eine "klassische" Talkshow nicht, wo man kurz eine Frage gestellt bekommt. Andererseits ist es so, dass man dem öffentlichen Informationsinteresse ein Stück weit nachkommen muss. Gleichzeitig muss man sich selbst schützen. Mir gehen solche Sachen nahe, vielleicht zu nahe – es fehlt da noch das dicke Fell.

Man muss als Experte ja auch damit umgehen können, dass man mal Fehleinschätzungen abgegeben hat …

Richtig, und es gab Situationen, in denen ich falsch lag und mich geirrt habe. Dazu stehe ich auch. Aber wenn meine Worte absichtlich verdreht werden, ist das perfide.

Wobei haben Sie sich denn geirrt?

Zu Beginn der Pandemie habe ich gedacht, Masken bringen nicht wirklich viel. Die Poren der Masken seien zu durchlässig und könnten kein Virus abhalten. Doch später haben Studien gezeigt, dass das doch so ist.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Streeck!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview per Telefon mit Hendrik Streeck
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