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Grübelzwang: Exklusivinterview mit Psychotherapeut Hillebrand


Im Interview mit t-online.de
Grübelzwang – "Wie ein gedanklicher Tinnitus"

Henning Seelmeyer

Aktualisiert am 28.07.2022Lesedauer: 3 Min.
Qualitativ geprüfter Inhalt
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Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

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Grübelzwang ist quälend und kann nicht willentlich gestoppt werden.Vergrößern des Bildes
Grübelzwang ist quälend und kann nicht willentlich gestoppt werden (Quelle: kieferpix/Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Ständiges Gedankenkarussell ist quälend und macht einen normalen Alltag unmöglich. Ein Psychotherapeut erklärt, was hinter der Zwangsstörung steckt.

In Deutschland leiden etwa 1,6 Millionen Menschen unter Zwangserkrankungen. Über den Grübelzwang und Zwangsgedanken hat t-online.de mit dem Psychologischen Psychotherapeuten Thomas Hillebrand gesprochen. Er praktiziert in Münster und ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. (DGZ e.V.).

t-online.de: Herr Hillebrand, woran erkenne ich, ob ich an Grübelzwang leide?

Thomas Hillebrand: Betroffene berichten, dass sie immer wieder über Themen nachdenken müssen, die oftmals gar keinen Bezug zu konkreten Lebensthemen haben. Eine Betroffene musste immer wieder darüber nachdenken, wie genau die Milch von der Kuh bis in den Kühlschrank kommt und alle Stationen immer wieder gedanklich nachvollziehen.

Das eigentlich Quälende ist die penetrante Art dieser Gedanken und die Unfähigkeit, sie willentlich zu stoppen. Eine Betroffene hat das mal beschrieben: "Wie ein gedanklicher Tinnitus". Diese spezielle Form des Grübelzwangs ist vergleichsweise selten und geht häufig mit anderen Formen einer Zwangsstörung einher. Wesentlich häufiger ist das langanhaltende Grübeln, das oft mit Krankheitsbildern wie Angst oder Depression in Verbindung steht. Das muss man vom Grübelzwang abgrenzen.

Wie unterscheidet sich Zwangsgedanken vom Grübelzwang?

Es gibt unterschiedliche Formen von Zwangsgedanken: Plötzlich und ohne Vorwarnung einschießende Gedanken, mit aggressiven oder sexuellen Inhalten. Sie stehen dem Wertesystem des Betroffenen diametral entgegen. Ein Beispiel: "Ich könnte meinen Partner im Schlaf erstechen".

Bei Zwangspatienten lösen diese Gedanken unmittelbar ein intensives Angst- und Schuldempfinden aus und verstärken für den Betroffenen den Eindruck ein "ganz furchtbarer Mensch zu sein", weil man doch so etwas Schlimmes gedacht hat.

Und diese Gedanken hat der Betroffene dann immer wieder?

Richtig, der Grübelzwang ist also eher ein andauerndes und sich immer weiterspinnendes Nachdenken über ein Thema, ohne jemals zu einer Lösung zu gelangen. Zwangsgedanken sind plötzlich einschießende Gedanken mit als bedrohlich empfundenen Inhalten, die den Betroffenen unmittelbar in Angst versetzen.

Wie stark belastet der Grübelzwang die Betroffenen?

Der Grübelzwang bei einer Zwangserkrankung und auch das andauernde Grübeln sind für die Betroffenen sehr belastend. Die Gedanken begleiten sie durch den ganzen Tag, rauben Lebensfreude und die Fähigkeit, dem Leben mit Zuversicht zu begegnen. Auch wenn vielen die Alltagsbewältigung oft besser gelingt als sie selbst glauben, beeinflusst das Grübeln die Lebensqualität in erheblichem Maße.

Kommt der Grübelzwang häufig vor und wen betrifft er?

Der Grübelzwang bildet eine Untergruppe der Zwangserkrankungen, dessen Häufigkeit noch nicht genau bestimmt ist. Das andauernde Grübeln von Patienten mit Angststörungen oder Depressionen ist dagegen weit verbreitet. Es betrifft Menschen, die eher eine pessimistische Sichtweise der Welt verinnerlicht haben und so den unglücklichen Ausgang bevorstehender Aufgaben immer wieder durchdenken. Durch eine selbstkritische und selbstzweifelnde Grundhaltung wird es wahrscheinlicher, Aspekte der eigenen Lebenswirklichkeit immer wieder in Frage zu stellen.

Bei welchen Symptomen muss ich mir professionelle Hilfe suchen?

Ständiges und intensives Grübeln kann zu einer permanenten Belastung werden. Wenn der Betroffene das Grübeln mit eigenen Kräften nicht bewältigen kann, dann ist eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich.

Wie sieht eine Therapie aus?

Bei einer psychotherapeutischen Behandlung werden die Symptome genau erfragt und eingeordnet. Dabei wird geschaut, ob es sich um einen Grübelzwang im engeren Sinne oder ein andauerndes Grübeln handelt, wie es bei einer Angststörung oder einer depressiven Erkrankung auftritt. Dann werden konflikthafte und problematische Lebensereignisse aufgearbeitet. Außerdem haben sich sogenannte metakognitive Verfahren als sehr hilfreich erwiesen.

Bei diesen ist es nicht das Ziel, das Auftreten der Gedanken zu verhindern, sondern einen anderen Umgang damit zu etablieren. Der Patient lernt, sich zunehmend vom Inhalt seiner Grübelgedanken zu distanzieren und sich emotional nicht immer wieder von diesen Gedanken in den Bann ziehen zu lassen. Diese Fähigkeit wird mit Hilfe von Übungen aufgebaut.

Wie stehen die Heilungschancen?

Betroffene von Grübelzwang haben bei einer umfassenden Behandlung gute Aussichten auf eine andauernde Besserung.

Werden die Kosten für eine Therapie von den Krankenkassen übernommen?

Die Kosten für eine reguläre Psychotherapie werden von den Krankenkassen übernommen, wenn das Grübeln zusammen mit einer Zwangsstörung, einer Angststörung oder bei einer Depression auftritt.

Herr Hillebrand, vielen Dank für das Gespräch.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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