Im Juli zeigte die Klimakrise, was noch auf uns zukommt
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In Deutschland erleben wir gerade das heiΓeste Wochenende des Jahres, weltweit wurden Hitzerekorde gebrochen. In welchen Regionen sich schon jetzt Klimakatastrophen abspielen.
Auch wenn Deutschland aktuell unter einer Hitzewelle Γ€chzt, ist der Sommer in Europa bisher nicht auΓergewΓΆhnlich heiΓ. Weltweit haben die letzten beiden Monate jedoch wieder gezeigt, dass die Klimakrise inzwischen nicht mehr ein Ereignis fern in der Zukunft ist, sondern bereits in vollem Gange ist.
DesastrΓΆse Hitze am Persischen Golf
Am Persischen Golf endete der Juli mit Temperaturen von teilweise ΓΌber 53 Grad Celsius. StΓ€dte wie Basra im Irak lagen damit bei zehn Grad ΓΌber dem sonstigen Durchschnitt fΓΌr diese Jahreszeit. In Bagdad (51,7 Grad) und der syrischen Hauptstadt Damaskus (46 Grad) wurden bisherige Temperaturrekorde gebrochen. Der bisherige Rekord in der Region liegt bei 54 Grad. Zum Vergleich: Weltweit wurde 1913 die bisher hΓΆchste Temperatur von 56,7 Grad Celsius im Death Valley (US-Bundesstaat Kalifornien) gemessen.
Doch wΓ€hrend das Death Valley praktisch keine Bewohner hat, liegen am Persischen Golf zahlreiche groΓe StΓ€dte mit mehreren Millionen Einwohnern. Die Extremhitze betrifft dabei auch Regionen, in denen die Versorgung mit ElektrizitΓ€t nicht sichergestellt ist. In Bagdad beispielsweise greifen viele Menschen auf Generatoren zurΓΌck, um Klimaanlagen und KΓΌhlschrΓ€nke zu betreiben β ein lΓ€ngerer Aufenthalt im Freien ist bei Temperaturen um 50 Grad selbst fΓΌr gesunde Menschen gefΓ€hrlich.
Die Klimakrise wird einer Prognose zufolge immer mehr Regionen aufgrund zu hoher Temperaturen unbewohnbar machen. Demnach kΓΆnnte in 50 Jahren ein Drittel der Menschheit in solchen nahezu unbewohnbaren Gebieten leben β sofern sie nicht auswandern.
Hitzewelle in Sibirien fΓΌhrt zu zahllosen WaldbrΓ€nden
Laut Greenpeace Russland ist seit Anfang 2020 in Russland durch WaldbrΓ€nde eine FlΓ€che von mehr als 19 Millionen Hektar β das entspricht mehr als der HΓ€lfte der FlΓ€che Deutschlands β verbrannt. Die Organisation beruft sich auf Satellitendaten. Vor allem im Juni und Juli wurden die BrΓ€nde durch eine beispiellose Hitzewelle in Sibirien verschΓ€rft β Anfang Juli brannten demnach rund 1,9 Millionen Hektar Wald in Russland, die meisten davon in Sibirien.
Zwar sind auch nΓΆrdlich des Polarkreises vereinzelt Temperaturen ΓΌber 30 Grad normal. In diesem Jahr wurde jedoch zum ersten Mal die Marke von 100 Fahrenheit (38 Grad Celcius) geknackt. DarΓΌber hinaus halten die hohen Temperaturen mittlerweile seit Wochen an β laut Experten der Weltwetterorganisation WMO ist eine solche Hitzewelle ohne den Klimawandel praktisch unmΓΆglich.
Dabei tragen die WaldbrΓ€nde weiter zur Erderhitzung bei: Zum einen werden bei den BrΓ€nden enorme Menge an Kohlenstoffdioxid in die AtmosphΓ€re freigegeben. Zudem taut der Permafrostboden β wodurch ebenfalls CO2 und Methan freigesetzt werden. Die BrΓ€nde in Sibirien beschleunigen somit den Treibhauseffekt.
Auch im Amazonasgebiet deutet sich die nΓ€chste Waldbrandkatastrophe an β es kΓΆnnte sogar noch schlimmer kommen als im Jahr 2019. Allein im Juni zΓ€hlte Brasiliens Institut fΓΌr Weltraumforschung (INPE) bei der Auswertung von Satellitenaufnahmen 2.248 BrΓ€nde im Amazonas, 19,5 Prozent mehr als im Juni 2019. Das ist der schlimmste Juni seit 13 Jahren.
Steigende Temperaturen β RΓΌckgang des Meereises
WΓ€hrend in Sibirien der Permafostboden auftaut, geht gleichzeitig auch das arktische Meereis zurΓΌck. Die Ausdehnung ist auf den niedrigsten Juli-Wert seit Beginn der Satellitenmessungen Ende der 1970er Jahre gesunken. In der russischen Arktis sind rund eine Million Quadratkilometer weniger von Meereis bedeckt als im Vergleich zum Mittelwert der vorherigen sieben Jahre, wie das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (Awi) mitteilte. In der gesamten Arktis liegt die Meereisausdehnung zurzeit mit sechs Millionen Quadratkilometern 16 Prozent unter dem Mittelwert der Jahre 2013 bis 2019.
Schon im Winter waren im Rahmen der "Mosaic"-Expedition bei der Eisdicke besonders niedrige Werte festgestellt worden. Die Hitzewelle in Sibirien im Mai und Juni fΓΌhrte dann zu einem besonders frΓΌhen Einsetzen der Schmelze. Dabei kommt es laut Meereisphysiker Dr. Marcel Nicolaus vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum fΓΌr Polar- und Meeresforschung, zu einer RΓΌckkopplung: Eis reflektiert Licht und WΓ€rme, wΓ€hrend das dunkle Meerwasser die Sonnenenergie absorbiert β der sogenannte Albedo-Effekt. Dadurch erwΓ€rmt sich das Wasser weiter, noch mehr Eis schmilzt.
Corona-Krise verlangsamt Klimakrise nicht
Im Folge der Covid19-Pandemie sind weltweit die Treibhausgas-Emissionen gesunken β schlieΓlich wurden IndustrietΓ€tigkeit zurΓΌckgefahren, vielerorts blieben Flugzeuge auf dem Boden und auch der Autoverkehr ging zurΓΌck. Allerdings wird dadurch keineswegs ein Teil der Klimaentwicklung rΓΌckgΓ€ngig gemacht. Im Gegenteil: Die Konzentration an klimaschΓ€dlichen Gasen in der AtmosphΓ€re steigt weiter an. Das erklΓ€rt Klimaforscher Manfred Fischedick im Interview mit t-online.de.
Zudem deutet eine aktuelle Studie von Forschern des Woods Hole Research Center in Falmouth darauf hin, dass die Erhitzung des Planeten am ehesten dem Worst-Case-Szenario RCP 8,5 β also der dramatischsten angenommenen Entwicklung β folgt. Demnach kΓΆnnte die globale Mitteltemperatur um bis zu 4,8 Grad gegenΓΌber dem vorindustriellen Mittel ansteigen. Dies hΓ€tte verheerende Folgen fΓΌr das Leben auf der Erde.
Zwar wird die Studie in einigen Punkten kritisiert. Allerdings geht auch die Weltwetterorganisation davon aus, dass die ErwΓ€rmung bald 1,5 Grad erreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen 2020 und 2024 eines der Jahre die Temperaturmarke erzielt, liegt bei 20 Prozent.
Petteri Taalas, GeneralsekretΓ€r der Weltwetterorganisation, sagte Anfang Juli anlΓ€sslich der neuen Prognosen: "WΓ€hrend COVID-19 eine schwere internationale Gesundheits- und Wirtschaftskrise verursacht hat, kann das VersΓ€umnis, den Klimawandel zu bekΓ€mpfen, das menschliche Wohlergehen, Γkosysteme und Volkswirtschaften fΓΌr Jahrhunderte bedrohen." Daher sollten Regierungen "die Gelegenheit nutzen, KlimaschutzmaΓnahmen als Teil von Konjunkturprogrammen anzunehmen und sicherstellen, dass wir besser wachsen."
- Eigene Recherche
- Mit Material der dpa und AFP