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G7-Klimaclub: Olaf Scholz' Herzensprojekt droht unterzugehen


G7-Klimaclub
Das deutsche Herzensprojekt droht unterzugehen


Aktualisiert am 27.06.2022Lesedauer: 5 Min.
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Angebot auch als China-Alternative: Die G7 bieten Entwicklungsländern 600 Milliarden Dollar. (Quelle: reuters)

Die G7-Staaten probieren einen Rundumschlag zur Krisenbewältigung. Das deutsche Herzensprojekt "Klimaclub" droht aber unterzugehen. Das hat nicht nur mit dem Ukraine-Krieg zu tun.

Angela Merkels Schatten ist lang. Als im bayerischen Elmau zuletzt die Staats- und Regierungschefs der G7 zusammenkamen, stand am Ende die Steilvorlage für das Pariser Klimaabkommen. Sieben Jahre später lädt Olaf Scholz in die Alpen. Wieder hat Deutschland die Präsidentschaft inne; doch ob sich die Industrienationen erneut große Versprechen zur Klimarettung abringen lassen, ist ungewiss.

Der Bundeskanzler will unbedingt einen "Klimaclub" gegen die Erderhitzung gründen. Ein neuer Zusammenschluss von besonders ambitionierten Staaten soll beim Klimaschutz vorlegen, bestenfalls wie Cheerleader, die andere mitreißen, notfalls auch durch Strafzölle, die die Nicht-Mitglieder treffen. Der üblichen Dümpelei bei den UN-Klimakonferenzen will er mit dem Club ein Forum entgegensetzen, das für Tempo sorgt – viel Ambition, wenig Streiterei.

Der Plan: Den Anfang soll die G7 machen, andere engagierte Länder sollen folgen. Für all diejenigen, die nicht in dieser ersten Reihe der Klimaschützer stehen wollen – oder können – dürfte es dann teuer werden.

Das große Projekt des Olaf Scholz

Scholz hatte die Idee für seinen Klimaclub, als er noch Finanzminister unter Angela Merkel war. Jetzt als Bundeskanzler hat er den Regierungsapparat auf seinen Plan angesetzt. Seit Monaten arbeiten seine Unterhändler daran. Aus der Bundesregierung heißt es: "Der Klimaclub ist der entscheidende Punkt", wenn es darum geht, das deutsche G7-Motto mit Leben zu füllen. Es lautet: Fortschritt für eine gerechte Welt.

Doch dem Fortschrittsprojekt droht auf dem Gipfel ein Realitätscheck. Zwar war man in Scholz' Umfeld bis zuletzt optimistisch, dass das "Interesse an dem Konzept zunimmt". Doch es gibt auch deutliche Kritik – und beim G7-Treffen andere Themen, die das Kanzlerprojekt verdrängen könnten.

Der dringendste Wunsch aus dem Kanzleramt ist zugleich der wohl schwierigste: ein gemeinsamer CO2-Preis. Jedes Clubmitglied müsste sich verpflichten, Treibhausgasemissionen im eigenen Land auf einem Mindestniveau zu besteuern. Klimaschädliche Aktivitäten wären damit in allen Mitgliedsländern gleich teuer. Im Gegenzug träfen erhöhte Einfuhrzölle nur Außenseiter-Staaten, in denen keine solche Klimaabgabe fällig ist.

Das Ziel: Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit gleichermaßen stärken. Trotz höherer Warenpreise durch den CO2-Aufschlag soll die Wirtschaft der Clubmitglieder konkurrenzfähig bleiben – günstigere Güter aus Drittstaaten werden an den Grenzen mit zusätzlichen Gebühren belegt, die das Spielfeld ebnen. Vorbild ist dabei die EU, die einen solchen Ausgleichsmechanismus aktuell auf den Weg bringt.

Außerdem soll der Club sich auf Standards für maximale Emissionen in wichtigen Wirtschaftssektoren wie der Stahlproduktion einigen und ärmeren Ländern mit Geld und Know-how bei der Energiewende die Hand reichen. So weit die Theorie. Angesichts des Ukraine-Kriegs, Energiekrise und wackelnder Ernährungssicherheit scheint aber fraglich, inwiefern die anderen G7-Regierungen sich tatsächlich auf Scholz' Herzensprojekt Klimaclub einlassen werden.

Krisenmanagement im Hier und Jetzt

"Schon die Vorverhandlungen wurden stark von der geopolitischen Lage überschattet und das wird sicherlich auch beim Gipfeltreffen das dominante Thema sein", sagt Leon Martini, Referent für Klimapolitik beim Berliner Thinktank Ecologic, im Gespräch mit t-online. "Wir sind in der Krise, da schaut man viel auf das Hier und Jetzt und weniger auf das, was in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren passieren sollte."

Besonders der russische Präsident dürfte die Pläne des Kanzlers durchkreuzen: Die explodierenden Energiekosten dürften eine Einigung auf einen Klimaclub nach Scholz' Vorstellung schwierig, womöglich sogar aussichtslos machen. Gerade sein Hauptanliegen droht unterzugehen: die CO2-Bepreisung. Denn der Bundeskanzler müsste innerhalb der G7 nicht nur die USA und auch Japan von einer solchen Treibhausgasgebühr erst einmal überzeugen, er hätte auch Schwierigkeiten, glaubhaft zu wirken. Schließlich untergräbt die Bundesregierung seit Anfang Juni ihren eigenen CO2-Preis mit einem Tankrabatt.

Kaum Chancen für einen CO2-Preis-Club

Unabhängig davon, wie stark diese Maßnahme die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich entlastet: Als Ansporn für andere Staaten, ebenfalls eine solche Abgabe einzuführen, eignet sich die faktische Subvention von Rohöl kaum. "Kein Land wird sich mitten in der Energiepreiskrise darauf einlassen, in die CO2-Bepreisung einzusteigen", betont Leon Martini. Der Referent für Klimapolitik hält die Idee eines solchen Kriteriums für die Mitgliedschaft im "Klimaclub" allerdings ohnehin für kontraproduktiv.

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"Gegenüber Nichtmitgliedern wäre ein Strafzoll sehr heikel", warnt Martini. Viele Länder, die man doch eigentlich zu mehr Klimaschutz motivieren wolle, könnten sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Andere finden noch deutlichere Worte. "Ich sähe es ungern, wenn uns die Klimapolitik am Ende in einen Handelskrieg führte" präzisiert Ottmar Edenhofer, Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, das Risiko in einem Interview in "Perspektiven der Wirtschaftspolitik".

Ein Klimaclub der G7, der auf andere draufhaue, ohne dass diese sich wehrten, sei unrealistisch. Da die Russland-Sanktionen die geopolitische Situation ohnehin schon stark polarisiert haben, rät das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ebenfalls davon ab, einen exklusiven Club zentriert um Strafanreize zu gründen. Denn: Gerade Schwellenländer wie Indien, Brasilien, China und Südafrika, die nicht hinter den westlichen Sanktionen stehen, für die Klimarettung aber so wichtig sind, müssen mitziehen.

Zuckerbrot und Peitsche

In Scholz' Vision sollen sogenannte Klimapartnerschaften die abschreckende Wirkung von Strafzöllen dämpfen. Staaten, die auf ihre Exporte in G7-Länder keinen Klimakiller-Aufschlag mehr zahlen wollen, würden finanzielle und technische Unterstützung bekommen, um die Energiewende im eigenen Land anzuschieben.

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Haben diese im Zuge dessen dann auch einen CO2-Preis eingeführt, dürfen sie Clubmitglieder werden und entkommen den Strafzöllen. In der Bundesregierung verweist man darauf, dass eine solche "Just Energy Transition Partnership" mit Südafrika schon Fahrt aufgenommen habe.

"Diese Klimapartnerschaften sind der Schlüssel dazu, um für ärmere Länder die Kosten und Hürden auf dem Weg zu ambitioniertem Klimaschutz zu minimieren", sagt Anne Gläser, Referentin für CO2-Preise bei der NGO Germanwatch. Den Anreiz über Strafzölle findet sie an sich nicht verkehrt.

Eine zwingende CO2-Bepreisung und vor allem ein Mindestpreis erscheinen aber auch Gläser als Voraussetzung für den Clubbeitritt hinderlich. Germanwatch empfiehlt stattdessen, all jene Staaten aufzunehmen, deren Klimaziele glaubwürdig dazu beitragen, die Erderhitzung auf "deutlich unter zwei Grad Celsius" zu begrenzen. So wie es der Pariser Klimavertrag vorschreibt.

Beim Thinktank Ecologic ist man weniger begeistert darüber, dass Klimapartnerschaften, die es ohnehin geben müsse, an den Club gekoppelt werden sollen. Besonders Schwellen- und Entwicklungsländern könne das übel aufstoßen. "Das ist ein völlig falsches Signal", so Klimapolitik-Experte Leon Martini.

Die Partnerschaften seien essenziell, sollten aber separat organisiert werden – beispielsweise so wie die Kooperation, die unabhängig von G7-Arrangements bereits zwischen Südafrika und der EU, Großbritannien sowie den USA läuft. Nur das dritte Klimaclub-Element auf der Agenda des Bundeskanzlers hält Martini für sinnvoll.

Harmonie in Stahlwerk und Zementfabrik

"Wenn es sehr spezifisch um einzelne Sektoren geht, kann die Kooperation in so einem Club schon gut funktionieren. Vor allem im Industriesektor", sagt der Klimareferent. Das Ziel müsse dabei sein, die Emissionsstandards beispielsweise bei der Stahl- und Zementherstellung klimafreundlich zu harmonisieren. Da müsse es dann aber sehr konkret werden.

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"Es reicht nicht, dass jeder einen Clubausweis vorzeigen kann. Wenn damit nicht auch klare Zusagen und politische Instrumente verbunden sind, bringt das dem Klima gar nichts", so Martini. Doch das greift voraus: Beim aktuellen Gipfeltreffen kommt es erst mal darauf an, den Grundstein für die neue Klima-Allianz zu legen.

Ergebnisse möchten Thinktanks und NGOs dennoch sehen. Sie pochen bereits darauf, dass das Abschlusskommuniqué der G7 nicht nur ein Bekenntnis zum Club, sondern auch nächste Schritte enthalten müsse. Denn letztlich misst sich Klimaschutz nicht an großen Versprechen, sondern an sinkenden Emissionen.

Verwendete Quellen
  • Hintergrundgespräche mit Vertretern der Bundesregierung
  • Gespräch mit Leon Martini, Referent für Klimapolitik beim Thinktank Ecologic
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