Enormer Reformbedarf Was Deutschland besser macht als Frankreich

Mit den Erfolgen des Linksliberalen Emmanuel Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen haben es erstmals weder die Sozialisten noch die Konservativen in die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahl geschafft. Das hat viel mit der wirtschaftlichen Malaise des Landes zu tun.
Ein aufschlussreicher Vergleich zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Euro-Zone, Deutschland und Frankreich:
Arbeitslosigkeit
Das wohl dringendste Problem in Frankreich ist die Arbeitslosigkeit. Sie liegt mit 10,0 Prozent weit über dem deutschen Wert. Dieser ist - berechnet nach international vergleichbaren Standards - mit 3,9 Prozent nicht einmal halb so hoch. Fast jeder vierte junge Franzose hat keinen Job. Die EU-Kommission rechnet damit, dass sich die Arbeitslosigkeit nur langsam abbaut. 2018 dürfte sie immer noch bei 9,6 Prozent liegen.
Experten machen das französische Ausbildungssystem dafür mitverantwortlich, da es vor allem auf staatliche Hochschulen und weniger auf duale Strukturen der Berufsausbildung setzt - also dem Lernen in Betrieb und Berufsschule.
Wachstum
Legte die französische Wirtschaft zwischen 1997 und 2012 mit durchschnittlich 1,7 Prozent noch stärker zu als die deutsche mit 1,4 Prozent, so wurde sie in den vergangenen Jahren von ihrem Nachbarn abgehängt. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt stieg beispielsweise im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent, das französische dagegen nur um 1,2 Prozent.
Für dieses Jahr sieht es ähnlich aus: Frankreich wird ein Plus von 1,4 Prozent zugetraut, Deutschland von 1,6 Prozent. Die hiesige Industrieproduktion liegt heute um etwa zehn Prozent über dem Mitte der 2000er-Jahre erreichten Niveau, die französische um mehr als zehn Prozent darunter.
Arbeitskosten
Ein Grund für die Flaute: Arbeit ist in Frankreich teurer. In der Privatwirtschaft kostet eine Arbeitsstunde durchschnittlich 36,30 Euro, während es in Deutschland 33,40 Euro und im EU-Schnitt sogar nur 25,90 Euro sind.
Grund dafür sind die hohen Lohnnebenkosten. Auf 100 Euro Lohn entfallen 47 Euro Nebenkosten, in Deutschland nur 31 Euro. In der Industrie, die besonders stark im internationalen Wettbewerb steht, sieht es allerdings anders aus: Hier kostet eine Arbeitsstunde in Frankreich 37,60 Euro, in Deutschland dagegen 38,70 Euro.
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Staatsverschuldung
Frankreich drückt ein Schuldenberg, der inzwischen mehr als 96 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ausmacht und den Spielraum des Staates etwa für Konjunkturprogramme einschränkt. Die EU-Verträge sehen eigentlich eine Obergrenze von 60 Prozent vor. In Deutschland liegt die Schuldenstandsquote bei 68 Prozent. Während der deutsche Staat zuletzt drei Jahre in Folge mehr einnahm als er ausgab, liegt das Defizit in Frankreich seit Jahren über der in den EU-Verträgen vorgesehenen Grenze von drei Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftskraft.
Die EU-Kommission erwartet sowohl für dieses als auch für kommendes Jahr eine Neuverschuldung um die Drei-Prozent-Marke. Die französischen Staatsausgaben machen rund 57 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, in Deutschland liegt der Anteil mit 44 Prozent wesentlich niedriger.