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Hoffnung im Ukraine-Krieg: Künstler rückt vergessene Orte in Fokus


Künstler im Ukraine-Krieg
Das Projekt Hoffnung

dpa, Dorothea Hülsmeier

Aktualisiert am 11.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Olexandriya in der Ukraine: Pflegekraft Elena Viorika (l-r), der Direktor Vitali Sklarovskiy und die Krankenschwester Irina Lipobad stehen in einem Altenpflegeheim unter einer Installation des Künstlers Aljoscha.Vergrößern des Bildes
Olexandriya in der Ukraine: Pflegekraft Elena Viorika (l-r), der Direktor Vitali Sklarovskiy und die Krankenschwester Irina Lipobad stehen in einem Altenpflegeheim unter einer Installation des Künstlers Aljoscha. (Quelle: Aljoscha Potupin/dpa)
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Der russisch-ukrainische Künstler Aljoscha bezeichnet sich selbst als Pazifist. Mit der Angst im Gepäck ist er dennoch durch die Ukraine gereist – und hat mit seinen Installationen ein Stück Hoffnung an vergessene Orte gebracht.

Aljoscha wollte nicht hilflos zusehen, wie seine ukrainische Heimat von russischen Truppen angegriffen wird. Also setzte sich der in Düsseldorf lebende Künstler mit seiner Frau Natascha und 24 pink- und gelbfarbenen filigranen Objekten ins Auto. Von West nach Ost fuhren Aljoscha und Natascha in den vergangenen Wochen durch ihre gemeinsame Heimat, in der sie geboren wurden und in die Ende Februar russische Truppen einmarschierten.

Für Aljoscha ist es eine zwiespältige Reise: Sein Vater ist Russe, seine Mutter Ukrainerin. "Ich bin überzeugter Pazifist", sagt der 47-jährige Familienvater. "Und unser Projekt heißt 'Hoffnung'."

Vergessene Orte im Fokus

Nicht die Einschlagsorte von Raketen und Bomben suchte Aljoscha in der Ukraine auf, sondern Orte, die auch in Friedenszeiten oft abseits der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit liegen. Dorthin brachte der Künstler, der mit richtigem Namen Alexej Potupin heißt, seine kristallinen Stachelwesen aus Draht und Acrylfarbe, die er "Bioismen" nennt.

In entlegenste Orte bei Winnyzja, Odessa, Kiew, Schytomyr oder Poltawa transportierte Aljoscha seine fröhlich-bunten Objekte. Er hängte sie an Decken in Pflegeheimen und Internaten für Kinder mit Behinderungen, für ehemalige Häftlinge oder für alte Menschen. Viele Heime waren wegen des Krieges schon evakuiert. Zurück blieben die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Direktoren. Er konzentriere sich auf "die Randerscheinungen des Lebens, da wo die Leute vergessen werden und trotzdem Menschen sind", sagt der Künstler.

Durchbruch im Westen

Aljoscha hat im Westen den Durchbruch als Künstler geschafft. Mit subversivem Humor platzierte er seine "Bioismen" anfangs noch auf Plätzen, Denkmälern und sogar in Wursttheken. Inzwischen stellt er die abstrakten Stachelobjekte in monumentaler Größe in den USA, Spanien, Deutschland und anderen Ländern aus.

Kann Kunst etwas zur Lösung des Konflikts beitragen? "Wahrscheinlich nicht", sagt Aljoscha. "Aber gerade jetzt in diesen wahnsinnig schwierigen Zeiten, wo anstatt Freundlichkeit Misstrauen herrscht, anstatt Liebe Hass gesät wird und anstatt Hoffnung überall Pessimismus erzeugt wird, möchte ich die Grundwerte unseres gemeinsamen Lebens in den Fokus stellen."

"Sie wollten reden, erzählen"

Zuerst hätten die Lehrer ungläubig geschaut, als der unbekannte Überraschungsbesucher mit den seltsamen Objekten ankam. Dann hätten sich die Gesichter aufgehellt, die Lehrer fingen an, Scherze zu erzählen, liefen durch die Heime und überlegten, wo die bunten Kunstwerke aufgehängt werden könnten. "Sie wollten reden, erzählen", sagte Aljoscha.

Aber nicht immer wurde der Künstler mit offenen Armen empfangen. Bei Winnyzja etwa wollte der misstrauische Leiter eines Heimes Aljoschas Pass sehen. Später auf der Autobahn stoppte schwerbewaffnete Polizei das Auto des Künstlers und nahm ihn fest. Stundenlang verhörte ihn der ukrainische Geheimdienst, bis Aljoscha plötzlich den Scan seines deutschen Passes in den Händen der Geheimdienstler sah. "Hier herrscht teilweise ziemliche Paranoia", sagt er. "Alle suchen jetzt russische Spione. Am Ende haben sie uns laufen lassen."

Kampf gegen Hilflosigkeit

In den Städten hörte Aljoscha das Donnern von Explosionen. Auf der Fahrt sah er an den Straßen die Warnschilder "vermint". Der Weg aus Kiew heraus nach Westen war gesperrt, er musste nach Süden ausweichen. Brücken waren gesprengt. Er fuhr durch offenes Gelände – und mit ihm die Angst vor Minen. Aber ein Abenteurer ist der nachdenkliche Künstler nicht. "Ich versuche, die Hilflosigkeit irgendwie mit eigenen Taten zu bekämpfen", sagt er.

Aljoscha studierte in Charkiw, das seit Wochen von russischen Truppen bombardiert wird. Seine Freunde leben im belagerten Isjum. Seine Schwester arbeitet als Krankenschwester in einer gynäkologischen Station, in der Babys bei Sirenenalarm das Licht der Welt erblicken.

"Putin macht mich einfach traurig"

Schon 2014 hatte Aljoscha seine "Bioismen" bei den Protesten auf dem Kiewer Maidan gegen die damalige moskautreue Regierung für eine Kunstaktion an den Barrikaden benutzt. Hegt er Hassgefühle gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der erst die Krim annektierte und jetzt einen zerstörerischen Krieg gegen das Nachbarland begann? "Putin macht mich einfach traurig", sagt Aljoscha.

Der Kremlchef ist für ihn ein Diktator, und Putins Vasallen seien die Oligarchen. "Wenn die Menschen nur noch Ressourcen sind für oligarchische Gruppen und Diktatoren, kann man Demokratie nicht pflanzen." Demokratie sei ein "Luxusgut", das nur dort wachse, wo es ein entwickeltes Bürgertum gebe und die Menschen nicht arm seien. Die Wurzel von Hass, Intoleranz und Radikalität sieht der Künstler in den Staatsideologien, für die es nur Schwarz-Weiß und einfachste Lösungen gebe.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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