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Israel-Iran-Konflikt: Sorge um den "Iron Dome" – Experteneinschätzung


Israel unter dem "Iron Dome"
"Irgendwann erdrückt die schiere Masse jedes System"

  • Philipp Michaelis
InterviewVon Philipp Michaelis

Aktualisiert am 13.06.2025 - 16:10 UhrLesedauer: 4 Min.
Raketenabwehr Iron DomeVergrößern des Bildes
Das israelische Luftabwehrsystem "Iron Dome" im Einsatz (Archivbild). (Quelle: Oded Balilty/AP/dpa/dpa)
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In den Bunkern in Israel hoffen die Menschen auf den "Iron Dome". Das Flugabwehrsystem soll sie vor gegnerischen Drohnen und Raketen schützen. Es ist teuer, wertvoll, bietet aber keinen absoluten Schutz.

Israel hat mit dem erwarteten Angriff auf Atomanlagen des Iran begonnen. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz sprach von einem vorbeugenden Schlag, laut Ministerpräsident Benjamin Netanjahu richtet er sich gegen "das Herz" des iranischen Atomprogramms zur Anreicherung von Uran sowie das "Programm für ballistische Raketen".

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Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Die rund 100 vom Iran in Richtung Israel gestarteten Drohnen wurden offensichtlich vom Flugabwehrsystem "Iron Dome" abgefangen. Das israelische Nachrichtenportal "Ynet" berichtete, die Drohnen seien abgeschossen worden. Der gegenseitige Beschuss wird weitergehen.

Kann die israelische Luftabwehr auch stärkere Gegenschläge abwehren? "Kommt darauf an", sagt der Militärexperte Guido Schmidtke, das hänge nicht allein vom "Iron Dome" ab.

t-online: Wann immer in Israel die Sirenen heulen und Luftalarm schlagen, hoffen die Menschen auf die Sicherheit ihrer Bunkeranlagen und auf das Luftabwehrsystem "Iron Dome". Was ist das Besondere dieses Systems?

Guido Schmidtke: Der "Iron Dome" "besteht" aus drei Komponenten: einem Überwachungsradar, einem Kontrollzentrum und etwa 10 mobilen Batterien. Jede einzelne Batterie verfügt über drei bis vier sogenannte Launcher, also Startstationen. In jeder Startstation stecken 20 Abfangraketen mit einer Reichweite von etwa 70 Kilometern. Das System kann sechs angreifende Raketen gleichzeitig bekämpfen und arbeitet vollautomatisch. Es berechnet die Flugbahn, entscheidet dann, ob das ermittelte Ziel in einem Risikogebiet liegt und ob Abfangraketen, jeweils zwei, gestartet werden. Das spart wertvolle Ressourcen.

Guido Schmidtke, Militärexperte
Guido Schmidtke, Militärexperte (Quelle: privat-bilder)

Zur Person

Der Militärexperte Guido Schmidtke, Jahrgang 1966, liefert seit Jahren Einschätzungen zu Entwicklungen in Kriegs- und Krisengebieten und produziert Militärdokumentationen für viele Fernsehsender. Er war als TV-Reporter für ProSieben, Sat.1 und N24 in fast allen Konfliktregionen der Welt unterwegs, unter anderem als "Embedded Journalist" mit der US-Armee im Irakkrieg.

"Wertvoll" klingt "teuer".

Beides. Teuer, aber eben auch wertvoll für Israels Sicherheit. Jede einzelne Batterie kostet rund 100 Millionen US-Dollar, jede Rakete 15.000 bis 20.000 US-Dollar. Zu diesem Preis schützt sie aber auch gut 150 Quadratkilometer Fläche. Der "Iron Dome" war ursprünglich als Schutzschirm gegen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen konzipiert worden, und gegen die hat er sich vollkommen bewährt.

Worin unterscheiden sich die Luftangriffe, die der Iran ausführt, von denen, die im Gazastreifen gestartet werden?

In der Entfernung zwischen Angreifer und Ziel, und damit in einem ganz entscheidenden Punkt: dem Faktor Zeit. Die Kassam-Raketen, die aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden, sind teilweise nur Sekunden unterwegs gewesen. Deshalb muss die Abfangreaktion des "Iron Dome" vollautomatisch ablaufen, um die Rakete in der Luft quasi sofort zerstören zu können. Die Drohnen aus dem Iran sind dagegen sehr lange und vergleichsweise langsam unterwegs und bieten der Luftverteidigung viel mehr Zeit, sie zu orten und abzufangen.

Welche israelischen Systeme kommen zusätzlich zum Einsatz?

Israel ist führend in der Drohnenentwicklung und in militärischen KI-Anwendungen. Das schließt Abfangdrohnen ein, die wie ein Kamikazeflieger auf Kollisionskurs zu anfliegenden Drohnen des Gegners gehen und sie zum Absturz bringen. Solche Abfangdrohnen setzt auch die Ukraine gegen Russland ein. Mit anderen Systemen kann Israel Drohnen elektronisch stören oder mit kinetischer Energie, also Munition, bekämpfen und abstürzen lassen. Außerdem arbeitet Israel, auch hier weltweit führend, an Laserwaffen. Der "Iron Beam" fängt gegnerische Raketen und Drohnen mit zwei Hochenergie-Lasern ab. Erfolgreiche Tests hat es schon gegeben. Ob sie schon eingesetzt werden, ist aber bisher nicht ganz klar. Und natürlich kann Israel auch Kampfflugzeuge und Hubschrauber nutzen, um langsam fliegende Drohnen in der Luft zu zerstören.

Ist die Kombination dieser Systeme stark genug, die Menschen in Israel zu schützen?

100 Drohnen sind längst nicht ausreichend, um das israelische Luftverteidigungssystem einfach aufgrund der schieren Masse von anfliegenden Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern zu überfordern. Vermutlich ist dieser erste iranische Angriff vor allem eine symbolische Vergeltung, die militärisch keinen großen oder gar keinen Effekt erzielt hat. Die Frage ist: Gibt es irgendwann einen sogenannten "Overload"? Das hängt davon ab, welche Kapazitäten unterschiedlicher Angriffsmittel der Iran einsetzt, sprich Raketen, Marschflugkörper und Drohnen, bis hin zu Hyperschall-Waffen. Sie verfügen eigentlich über alles, was man für einen großen Schlag benötigt. Irgendwann erdrückt die schiere Masse selbst die modernste Luftverteidigung. Ein Teil der anfliegenden Flugkörper kann nicht mehr abgefangen werden. In diesem Fall können die Iraner durchaus Ziele in Israel treffen und diese Ziele auch zerstören.

Hat der Iran die militärischen Kapazitäten, um einen solchen "Overload" in Richtung Israel abzufeuern?

Ich glaube es nicht. Als der Iran im April 2024 den letzten derart großangelegten Schlag gegen Israel ausgeführt hat, haben geschätzte 300 Flugkörper nicht gereicht, um den "Iron Dome" und die anderen Systeme zu überlasten, den Schirm so zu überwinden und wirklichen Schaden anzurichten. Ich vermute, der Iran müsste die doppelte, wenn nicht die dreifache Menge an Raketen abfeuern. Noch 2024 wären die Arsenale schnell leer gewesen. In der Zwischenzeit dürften sie aber wieder aufgefüllt und aufgestockt worden sein. Ob das reicht, um die israelische Luftverteidigung zu überlasten? Einmal auf jeden Fall.

Verwendete Quellen
  • Interview mit dem Militärexperten Guido Schmidtke
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