Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.USA unter Trump Es sieht immer mehr aus wie 1933

Eben waren die USA noch die Spitze von Wissenschaft und Kultur, nun drohen sie in den Faschismus abzugleiten. Unser Gastautor hat ganz persönlich erfahren, wie das passieren konnte.
Immer wenn amerikanische Freunde uns während Donald Trumps erster Amtszeit zwischen 2017 und 2020 in Berlin besuchten, begrüßte ich sie an der Tür unserer Wohnung mit einem lauten "Willkommen in der Freiheit". Damals war diese Bemerkung zugegebenermaßen eher ironisch gemeint. Schließlich hatten amerikanische Soldaten und Diplomaten in der Nachkriegszeit eine entscheidende Rolle bei der Wahrung der Freiheit der (West-)Berliner gespielt.
Jetzt, da Donald Trump wieder im Amt ist, begrüße ich Besucher aus Washington, D.C. und anderen Teilen der Vereinigten Staaten an unserer Wohnungstür weiterhin mit diesen drei Worten. Allerdings haben diese Worte inzwischen schnell eine eher tragische als ironische Bedeutung bekommen.
Als ich vor einigen Jahrzehnten aus Deutschland in die Vereinigten Staaten zog, war eine Wendung zu einem autokratisch geführten Staat völlig unvorstellbar. Noch weniger hätte ich mir damals jemals vorstellen können, dass Ereignisse, wie sie derzeit in den USA unter Trump ablaufen, ex post zu einer Normalisierung der tragischen deutschen Wendungen um das Jahr 1933 herum führen würden.

Der Autor
Stephan-Götz Richter ist Herausgeber des englischsprachigen Magazins The Globalist, das er in den USA gegründet hat und heute von Berlin aus steuert. Seine eigene Kolumne heißt Richter Scale. The Globalist ist auf den Plattformen Instagram, LinkedIn und X zu finden. Seine deutschsprachigen Gastkommentare finden sich hier.
Ein Kulturland wird plötzlich zum Regime
Aber als ich kürzlich Sebastian Haffners "Memoiren eines Deutschen, 1918 bis 1934" las, war ich erschüttert, als sein autobiografischer Bericht auf die Jahre 1933 und 1934 kam. Der Autor beschreibt die Machtübernahme der Nazis, die er als junger Jurist in Berlin hautnah miterlebt hatte. Um den Nazis zu entkommen, emigrierte er nach London und wurde später vor allem als Autor des 1979 erschienenen Buches "Anmerkungen zu Hitler" namhaft.
Seit meiner Schulzeit waren mir die grotesken Bilder dieser Zeit gut bekannt – mit Sturmtruppen, die zur Feier ihrer Machtübernahme mit Fackeln durch die Straßen Berlins marschierten. Was Haffner jenseits dessen beschreibt, ist die osmotische Art und Weise, mit der sich die Nazis in den Alltag der Deutschen einschlichen. Ein Land, das noch kurz zuvor an der Spitze der zeitgenössischen Wissenschaft, Kunst und Kultur gestanden hatte, akzeptierte plötzlich ein despotisches Regime, das die Schrauben immer weiter anzog.
So gelangte ich bei meiner Lektüre zu einer sehr unangenehmen Erkenntnis. Bis Donald Trump im Januar 2025 wieder ins Amt kam, waren die Vereinigten Staaten ebenfalls auf dem Höhepunkt der zeitgenössischen Wissenschaft – und ein Land mit einer sehr starken Zivilgesellschaft.
Der gesellschaftliche Verfall begann vor Trump
Jetzt, wenige Monate nach Trumps zweiter Amtseinführung, wird der Welt klar, dass die Vorbilder für das, was heute in den Vereinigten Staaten geschieht, nicht nur das schändliche "Projekt 2025" oder die systematische Aushöhlung der Zivilgesellschaft in Ungarn durch Viktor Orbán sind. Vielmehr nimmt es zunehmend bedrohliche Parallelen zu dem an, wie die deutschen Bürger vor über neun Jahrzehnten von einer autoritären Herrschaft in eine Diktatur abglitten.
Aktuell beginnt sich die Diskussion über die Abwanderung von Wissenschaftlern zu wiederholen, diesmal jedoch in umgekehrte Richtung, das heißt aus den Vereinigten Staaten heraus. Das Trump-Regime wendet sich mit aller Macht gegen die Wissenschaft und die bürgerlichen Freiheiten – wenn es nicht sogar systematisch darauf abzielt, das Land in einen Bürgerkrieg zu verwickeln.
Wichtig ist zu erkennen, dass die Anzeichen für den gesellschaftlichen Verfall in den Vereinigten Staaten, die sich heute manifestieren, seit mindestens 15 Jahren sichtbar sind. Donald Trump ist, ähnlich wie die AfD in Deutschland, der Nutznießer, aber nicht der Urheber dieser Entwicklungen.
Da wurde mir klar, dass meine Zeit in den USA zu Ende ist
Ich erinnere mich noch lebhaft an ein Abendessen mit Freunden in unserer Nachbarschaft in Washington, D.C. Die Paare, die sich um den Esstisch versammelt hatten, kannten sich, seit ihre Kinder, die nun aufs College gingen, drei oder vier Jahre alt waren. Als das Gespräch auf das immer bedrohlicher werdende Auseinanderdriften der Gesellschaft kam, antwortete ein Vater, Partner in einer renommierten Anwaltskanzlei und gewiss mehrfacher Millionär, auf die Frage nach seiner Meinung: "Ich habe dazu eigentlich keine Meinung. Ich möchte einfach nur als der beste Anwalt an der Ostküste bekannt sein, der für Private-Equity- und Hedgefonds-Kunden arbeitet."
Wohlgemerkt handelte es sich um eine Gruppe liberaler Demokraten. Es versteht sich von selbst, dass sie alle vor ihrem Jurastudium die besten Liberal-Arts-Colleges der Vereinigten Staaten besucht hatten. Dennoch fehlte es ihnen deutlich am Mut, wichtige Fragen des gesellschaftlichen Lebens anzusprechen. Bald darauf wandte sich das Gespräch den neuesten Filmen zu. Für mich persönlich war dies ein Wendepunkt. Mir wurde klar, dass meine Zeit in den Vereinigten Staaten bald zu Ende sein würde.
Es hat offensichtlich einen Preis, wenn eine Gesellschaft, insbesondere ihre liberalen Eliten, sich aus dem Spiel nehmen. In vielerlei Hinsicht ist genau das in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten geschehen. Und genau das geschah auch in Berlin um 1933 und 1934.
Die Demokraten machten die Arbeiter zu leichter Beute
Die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Regierungen Clinton und Obama war so, dass sich jeder vernünftige Europäer, unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit, fragte, warum es überhaupt noch Republikaner in der Politik geben müsse, da die Demokraten allein schon so viel für die materiellen Interessen der Besserverdienenden taten. So wurde etwa der Grenzschutzsteuersatz bei der Einkommensteuer unter demokratischer Ägide bei sage und schreibe 450.000 US-Dollar angesetzt.
Ferner begingen die Demokraten den schweren Fehler, sich viel zu sehr auf Identitätspolitik zu konzentrieren. Dies war aus Sicht der überwiegenden Mehrzahl der Wähler kein Ersatz für das Versäumnis, die wirtschaftliche Lage der amerikanischen Arbeitnehmer zu verbessern. Dieser katastrophale Schritt hat die amerikanischen Arbeiter praktisch im Alleingang in die Hände der Republikaner getrieben. Sie waren für Donald Trump eine leichte Beute.
Auf einmal wünscht man sich Reagan zurück
Selbst zivilisatorisch sehr fortgeschrittene Länder, wie die Weimarer Republik damals oder die Vereinigten Staaten bis Januar 2025, können sehr schnell zerfallen – wenn die Zivilgesellschaft sich zurückzieht oder sich zum Schweigen bringt.
Hätte uns jemand gesagt, dass wir eines Tages die Präsidentschaft von Ronald Reagan im Vergleich zu den heutigen Ereignissen in den USA als eine Präsidentschaft der Rechtsstaatlichkeit, der Vernunft und eines Minimums an Integrität betrachten würden, hätten wir ihn bis vor wenigen Wochen für verrückt erklärt.
- Eigene Beobachtungen