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US-Präsident auf Twitter: Donald Trump ist in meinem Schlafzimmer


Tiraden auf Twitter
Donald Trump ist selbst in meinem Schlafzimmer

dpa, Martin Bialecki

07.12.2017Lesedauer: 4 Min.
US-Präsident Donald Trump nutzt Twitter als Plattform für Beschimpfungen und Eigenlob.Vergrößern des BildesUS-Präsident Donald Trump nutzt Twitter als Plattform für Beschimpfungen und Eigenlob. (Quelle: dpa-bilder)
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Rund 2500 Tweets setzte Donald Trump seit Beginn seiner Präsidentschaft ab. Für Martin Bialecki sind sie seither Teil seines Lebens. Ein Erfahrungsbericht.

Es ist ja nicht so, dass einen das ungerührt ließe. Donald Trump twittert Tag und Nacht. In meiner Metro nach Washington, in der Redaktion eh, auf Reisen und sogar in meinem Schlafzimmer. Wer dachte, als 45. Präsident der USA würde er das Twittern lassen, wurde seit dem 8. November 2016 etwa 2500 Mal widerlegt. Bis heute gibt es Tweets, bei denen ich denke: Das hat er jetzt nicht geschrieben. Das kann nicht sein. Das macht er nicht. Manche Tweets sind Nachrichten, manche nicht. Teil einer Geschichte sind sie alle.

Um 4.30 Uhr in Washington aufzustehen bedeutet, noch gut eine Stunde unbetwittert zu sein. Der Mann ist ja stolz darauf, kaum zu schlafen. Je nachdem, wie arg es ihm ist und was seine Gedanken kreuzt, beginnt Trump dann am sehr frühen Morgen damit, Twitter zu befüllen. Im Schnitt sind es seit der Wahl sechs bis sieben Tweets pro Tag. Das ist die Hälfte dessen, was er im Vorjahreszeitraum abgelassen hat, aber "nur" die Hälfte fände ich nicht die richtige Einordnung.

Mäßigung ist ihm fremd

Twitter ist Trumps digitales Mega-Studio für größtmögliches Eigenlob, grenzenlos ist seine Gier nach Aufmerksamkeit und Bestätigung. Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Börse: alles super, seinetwegen. Manchmal sind seine Tweets so, dass ich zu meinem iPhone-Display rede. Dann möchte ich Trump sagen, dass er ähnlich gute Arbeitsmarktdaten unter seinem Vorgänger Barack Obama noch als nackte Fälschung bezeichnet hat. Ich will ihn fragen, warum er Ultrarechte retweetet. Aber er hört ja nicht. Er muss senden, sein Finger sitzt locker. Oder schreibt er beidhändig?

Twitter ist Trumps Arena für Beschimpfungen von Feind wie Freund. Mäßigung ist ihm fremd. Er verhöhnt, er verunglimpft, verspottet und stellt bloß. Sein Lieblingsgegner sind die "Fake News Medien", also auch wir. Privatfehden führt er neben Demokraten auch mit Parteikollegen, dem Team der Golden State Warriors oder Arnold Schwarzenegger.

Verhängnisvoll, wenn Trump freie Zeit hat

234 seiner Tweets (Stand Anfang Dezember) führen das Wort "Verlierer", 222 "bescheuert" oder "dümmlich", 183 sagen "blöd", hat die Website "Trump Twitter Archiv" kürzlich errechnet. Auf den Plätzen dahinter: bekloppt, unaufrichtig, Leichtgewicht, langweilig, Narr. Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, er setzt einen Ton, der auch nach einem Jahr im Weißen Haus oft überraschend ist für ein Amt, dem man doch eine gewisse Würde unterstellen möchte, unbeschadet unterschiedlicher politischer Ansichten.

Verhängnisvoll ist es, wenn Trump freie Zeit hat, darin einem TV-Bericht von Fox News aufsitzt und sich dann persönlich angegriffen, unterschätzt oder zu wenig gelobt fühlt. Also sehr oft. Fassungslos sieht man dann Beschimpfungen von Sportstars in sein Tweetdeck einlaufen, Verschwörungstheorien über Obama oder frauenfeindliche Ausfälle gegen TV-Moderatorinnen.

Zu Thanksgiving fragte die "Washington Post" ironisch: Wofür sollten wir 2017 dankbar sein? Und schlug als Antwort vor: Dafür, dass Tweets nicht riechen. Einverstanden.

Tweets als Quelle

In Trumps Ära in Washington Journalist zu sein, ist sicher einmalig. Es ist faszinierend, intensiv, begeisternd, lehrreich, fordernd, manchmal ist es demoralisierend, oft aber ist es bereichernd - und immer wieder auch erschöpfend. Zu letzterem trägt das Dauerfeuer der präsidialen Tweets seinen Teil bei. Wenn man nicht abstumpft, was man nicht sollte, trifft es einen ja immer auf die gleiche Stelle.

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Trumps Tweets sind eine Quelle, klar. Aber was, wenn man ahnt, dass er via Lieblingsmedium nur eine Nebelkerze zünden möchte, um die ganze Meute, geeicht auf frisches Drama, geschlossen um die Fichte zu führen? Verändert das den Nachrichtenwert eines Tweets? Ja und Nein. Mindestens schreiben wir dann dazu: Das ist vielleicht ein Ablenkungsmanöver. Wir melden ja mittlerweile auch "Der US-Präsident sagt die Unwahrheit", wenn belegbar. Und das ist es. Hundertfach.

Trump ist ein Öffentlichkeitsvollprofi

Trotzdem, auch wenn Trump zersetzt und verletzt: Mitreißen lassen, das geht nicht. Weil es niemandem hilft. Auch wenn ich nach manchem Trump-Tweet ratlos vor meiner Tastatur sitze und mir vorstelle, wie er alleine, vielleicht im Bademantel, durch die vergoldeten oberen Räume des Weißen Hauses tigert und sein Smartphone bearbeitet. Was ihn wohl gerade reitet? Und was trägt er dabei für Schuhe?

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Trump (71) ist ein Öffentlichkeitsvollprofi. Seine Anhänger lieben seine Tweets, zehntausendfach werden sie weiterverbreitet, man weiß nicht immer, wie viel davon maschinell erzeugt worden ist. Sie sind Teil eines geschlossenen Kosmos einer ganz eigenen Wirklichkeit. Trumps Account zählt 43,6 Millionen Follower. Er folgt derer 45.

Immer wieder hat Trump gesagt, wie wichtig ihm Twitter als Werkzeug sei. Nur hier könne er die Seinen lehren, was wahr ist und was nicht. Er twittert roh, ungefiltert, ungeprüft und fast immer ohne jeden Kontext. Trump aber eins zu eins ohne Kontext wiederzugeben, das geht nicht. Es ist ja schon mit Kontext oft nicht ganz leicht.

Was meinte Trump damit?

Neben Lärm macht Trump per Twitter auch echte Politik. Leichthändig beleidigt er Staatsführer, kündigt Sanktionen an oder die Entlassung seines Stabschefs, auch den Bann von Transgendern im Militär. Oft kann ich das nur schwer glauben und will auf so etwas wie geordnete Kommunikation warten, aber geordnet ist so 1990er Jahre.

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Manchmal korrigiert Trump seine Tweets, weil er ein Wort falsch geschrieben hat: Peace/Peach, Council/Counsel, To/Too. Nicht alle Botschaften können von ihm selber stammen, oft sehe ich ihn sprechen, während ein Tweet erscheint. Manchmal löscht er einen Tweet ganz. Dazu gehört auch das ganz große Covfefe-Rätsel: Was Trump damit meinte, weiß - wenn überhaupt - außer ihm bis heute niemand.

Covfefe oder nicht, Trump wird per Twitter weiter Medium und Botschaft mit sich selbst verschmelzen. Warum sollte er das ändern?

"Bing Bing" macht mein iPhone. "Dein Präsident?" fragt meine Familie.

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