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"Hart aber fair": So lief der ARD-Talk zur Verrohung der Gesellschaft


Hassen, Pöbeln, Gaffen
"Hart aber fair": "Ewiger Glaube, dass Strafrecht alles richtet"

Nico Damm

Aktualisiert am 22.11.2016Lesedauer: 3 Min.
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Frank Plasberg in "Hart aber Fair": "Hassen, Pöbeln, Gaffen - wie verroht ist unsere Gesellschaft?"Vergrößern des Bildes
Frank Plasberg in "Hart aber Fair": "Hassen, Pöbeln, Gaffen - wie verroht ist unsere Gesellschaft?" (Quelle: WDR/Ziebe)

Am Nachmittag des 3. Oktobers war im Vorraum einer Bank ein 82 Jahre alter Mann zusammengebrochen. Weitere Kunden betraten die Bank, erledigten ihre Finanzgeschäfte und verließen die Filiale - ohne sich um den hilflosen Mann zu kümmern.

Unter dem Motto "Hassen, Pöbeln, Gaffen – wie verroht ist unsere Gesellschaft?" machte Frank Plasberg eine Art gesellschaftskritisches Sammel-Thema daraus. Es ging vor allem um Hetze im Internet, Zivilcourage und die Rechte der Polizei

Die Gäste:

- Thomas de Maizière (CDU, Bundesminister des Innern)
- Renate Künast (B'90/Grüne)
- Wolfgang Huber (Ev. Theologe, ehem. EKD-Ratsvorsitzender)
- Christian Pfeiffer (Kriminologe, ehem. Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen)
- Sandro Poggendorf (Reporter und Redakteur beim MDR u.a. "FAKT", "exakt")
- Im Einzelgespräch: Jan Rühmling (Feuerwehrmann und Notfallmanager)

Der Frontverlauf:

In einer fast wundersam harmonischen Runde war man sich sofort einig: In Fällen wie in Essen muss ein Notruf das Mindeste sein. Die Bankkunden haben diesen nicht abgesetzt und sich damit strafbar gemacht. Laut Pfeiffer hätte die Polizei sogar mit Fahndungsfotos an die Presse gehen können. Künast konnte sich den Fall nur ein Stück weit mit einer Abstumpfung erklären, "dass sich die Leute daran gewöhnt haben, dass es Armut gibt" und deshalb arme Menschen in der Bank schliefen.

Leider driftete die Diskussion jedoch schnell in den üblichen Law-and-Order-Talk ab. de Maizière und Pfeiffer forderten naturgemäß ein Maximum an Rechten für Polizei und Geheimdienste, Huber war demgegenüber nicht abgeneigt, Poggendorf weitgehend indifferent. Einzig Künast bot ein wenig Paroli. Dabei waren die Vorschläge teils reichlich krude: de Maizière will mehr Achtsamkeit im Alltag und damit mehr Zivilcourage erreichen, indem Lehrer unaufmerksamen Schülern das Handy wegnehmen.

Ironische Randnotiz: Erst echauffierte sich der Minister, es sei in Smartphone-Zeiten "verrückt, dass man alles in Bilder fasst". Im nächsten Satz forderte er Körper-Kameras für Polizisten. Vielleicht auch mit Mikrofon.

Die Polizei-Debatte:

Die Wunschliste des Innenministers: Neben Körper-Kameras für Polizisten vor allem, dass Internet-Anbieter die Daten ihrer Kunden herausgeben, wenn diese strafbare Dinge schreiben. Vielleicht will er auch Gaffen justiziabel machen. Die Strafen für Gewalt gegen Polizisten, Sanitäter und Justizbeamte habe er politisch schon auf den Weg gebracht.

Künast hielt dagegen: Es gebe einen "ewigen Glauben, dass das Strafrecht alles richtet". Viel wichtiger sei es, Unternehmen wie Facebook zu verpflichten, Hass-Postings konsequent zu löschen. Einen pfiffigen Umgang mit solchen zeigte ein Einspieler mit der Grünen-Politikerin. Sie hatte Menschen, die sie via Internet beschimpft hatten, zu Hause überrascht und freundlich zur Rede gestellt. Mit einem Mann habe sie anderthalb Stunden lang gesprochen, in denen er sich "fünf Mal entschuldigt" habe.

Frage des Abends:

Eine Kindersendung hatte getestet, wie lange einem weinenden Kind nicht geholfen wird – im Experiment in einem Park in Bonn dauerte es über zehn Minuten. "Was wäre gewesen, wenn da ein wimmernder Hund gesessen hätte?", fragte Plasberg – und traf damit einen psychologisch hochinteressanten Punkt. Eine wirklich gute Antwort bekam der Moderator leider nicht.

Huber versuchte sich in Gesellschaftskritik, nach eigener Aussage, ohne verallgemeinern zu wollen: "Es scheint so zu sein, dass Telefone manchmal wichtiger sind als Menschen und Autos wichtiger als Kinder und Hunde wichtiger, als ein Mensch, der leidet."

Zweitbeste Frage des Abends:

Wer sich denn in Sachen Zivilcourage schon mal persönlich hervorgetan habe, wollte Plasberg wissen. Heraus kamen tatsächlich einige interessante Episoden: Pfeiffer und Künast schritten bei schlagenden oder drohenden Müttern ein, Poggendorf gegen pöbelnde Kunden. de Maizière als Chef der Polizei hatte bezeichnenderweise nichts parat: "Mein Leben verläuft in anderen Bahnen."

Was fehlte:

Eine Reflexion darüber, warum in den meisten Berichten über die Bank in Essen eines ständig betont wird: Der hilflose Mann sei "gut gekleidet" gewesen. Auch Plasberg wiederholte dies wörtlich. Sind schlecht gekleidete, vielleicht sogar schlecht riechende Menschen weniger wert? Ist es bei ihnen weniger empörend, dass nicht der Notarzt gerufen wird?

Den zweiten Malus bemerkte Plasberg quasi selbst: Nach über einstündiger Diskussion über viele neue Rechte der Polizei blieb noch genau eine Minute für den Datenschutz. Dabei sind Themen wie die Provider-Haftung hoch umstritten und eine eigene Sendung wert. Und die Regierung hat mit dem BND-Gesetz gerade erst erlaubt, dass der Geheimdienst den kompletten Internetverkehr direkt am Knoten abhören kann.

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