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"Deutschland spricht": Und plötzlich sind sie sich doch einig


"Deutschland spricht" über Politik
Und plötzlich sind sie sich doch einig

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 24.09.2018Lesedauer: 4 Min.
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Max Luban (Mitte) sitzt Dirk Plassek gegenüber: Zwei Stunden lang diskutierten die beiden miteinander.Vergrößern des Bildes
Max Luban (Mitte) sitzt Dirk Plassek gegenüber: Zwei Stunden lang diskutierten die beiden miteinander. (Quelle: Karen Oates/T-Online-bilder)

Max Luban und Dirk Plassek haben kaum etwas gemein. Bei "Deutschland spricht" haben sie über Politik diskutiert. Und waren sich überraschend oft einig.

Es ist ein ungleiches Paar, schon rein äußerlich. Der eine: Helles Hemd, randlose Brille und Gelfrisur. Der andere: Kapuzenjacke, Tattoo am Hals und dicker schwarzer Nasenring. Die beiden sitzen am Sonntag in einem Berliner Cafe. An einem Tisch. Und sie sprechen sogar miteinander. Über Politik – obwohl sie auch da wenig gemein haben.

"Deutschland spricht" heißt die Aktion, die Max Luban, den Mann im hellen Hemd, und Dirk Plassek, den Mann mit Nasenring, zusammengebracht hat. 4.234 weitere Paare wie Luban und Plassek diskutieren am Sonntag in ganz Deutschland. Ausgedacht hat sich das Format im vergangenen Jahr "Zeit Online", dieses Jahr waren auch t-online.de und elf andere Medien dabei. Die Teilnehmer haben vorher im Internet sieben politische Fragen beantwortet – und sind dann einem Gesprächspartner in ihrer Nähe zugewiesen worden, der ganz andere Antworten gegeben hat.


Bei Luban und Plassek sieht das zum Beispiel so aus: Sollte Deutschland seine Grenzen strikter kontrollieren? Luban sagt: Ja. Plassek sagt: Nein. Haben die #Metoo-Debatte und die Diskussionen um sexuelle Belästigung etwas Positives bewirkt? Luban findet: Nein. Plassek findet: Ja. Können Muslime und Nicht-Muslime in Deutschland gut zusammen leben? Luban sagt: Nein. Plassek sagt: Ja. Und so weiter.

Ende der Vorurteile

Viel Stoff also, um sich in die Haare zu kriegen. Fast zwei Stunden lang werden Luban und Plassek am Sonntag diskutieren. Am Ende werden sie sich in vielem überraschend einig gewesen sein. Und sie werden Dinge gesagt haben, die man ihnen nicht zugetraut hätte.

Wer miteinander spricht, der muss sich von Vorurteilen verabschieden.

Dirk Plassek, der Mann mit Nasenring, heißt eigentlich nicht Dirk Plassek. Ihm ist es aber lieber, nicht mit echtem Namen im Text vorzukommen. Plassek ist 36 Jahre alt und arbeitet als IT-Sicherheitsberater in Berlin. Politisch sieht er sich als eher links an. So wie seine Freunde und Bekannten. "Es ist wichtig, sich aus dieser Blase herauszubewegen", sagt er.

Deshalb ist er heute hier. Und trifft Max Luban, den Mann im hellen Hemd. Luban ist 54 Jahre alt und arbeitet als Angestellter in einem Callcenter. Auch er sagt von sich: "Eigentlich bin ich ein Linker." Aufgewachsen im Osten, in einem Dorf in Brandenburg. Aber Luban ist auch Anhänger von Law-and-Order-Politik. Ihm ist wichtig, dass Regeln eingehalten werden.

Plötzlich einig bei den Flüchtlingen

Um die Regeln sorgt sich Luban auch bei den Flüchtlingen. Es ist das erste Thema, über das er mit Plassek spricht. Luban sagt, dass wegen des Dublin-Abkommens ja eigentlich niemand nach Deutschland hätte kommen können. Weil das Abkommen festschreibt, dass Migranten dort, wo sie europäischen Boden betreten, Asyl beantragen müssen. Luban sorgt sich darum, wie man die Flüchtlinge alle unterbringen will. Er zückt Zettel und Stift, stellt eine Rechnung auf, bei der am Ende herauskommt, dass allein die Wohnungen für die Flüchtlinge 42 Milliarden Euro kosten. Ums Geld gehe es ihm gar nicht, sondern darum, dass Merkel nicht erklärt, wie das gehen soll. Allein das mit den Baugenehmigungen dauerte Jahre.

Plassek sagt, dass das mit dem Dublin-Abkommen ja gut und schön sei, Deutschland in der EU aber nicht sagen könne: Ihr habt eine Küste zum Mittelmeer, die Geflüchteten sind jetzt euer Problem. Die 42 Milliarden Euro für den Wohnungsbau seien am Ende ja nicht weg, sondern in den Taschen derjenigen, die die Häuser gebaut haben. Und weil der Großteil der Geflüchteten vor Krieg geflohen sei, stelle sich nicht die Frage, ob man sie aufnehme, sondern wie man das tue.

Bei der Bewältigung dieser großen Aufgabe habe sich die EU nicht mit Ruhm bekleckert. "Aber wir können ja nicht sagen, wir lassen die nicht rein, weil wir es nicht hinkriegen", sagt Plassek. Und da nickt Luban und sagt: "Stimmt." Eigentlich sind nicht die Flüchtlinge das Problem, sondern das schlechte Management. Darauf können sie sich einigen.

Vielleicht doch autofreie Innenstädte?

Ähnlich läuft es, als Luban und Plassek diskutieren, ob deutsche Innenstädte autofrei werden sollen. Luban ist eigentlich dagegen, fährt zwar täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ärgert sich aber auch täglich über sie. Über ihren Zustand, über die Obdachlosen und Zeitungsverkäufer. Mit dem Auto könne er jederzeit überall hinfahren. Plassek fährt lieber Rad. Und findet, dass innerhalb des Berliner Rings keine privaten Autos mehr fahren sollten. Abgesehen vielleicht von Familienkutschen und Car-Sharing-Wagen. Dafür müsse natürlich mehr Geld in die öffentlichen Verkehrsmittel fließen.

Bessere Öffentliche? Damit kann sich auch Luban anfreunden. Den vielen Verkehr in der Innenstadt findet er natürlich auch nicht gut. Und ganz am Ende des Gesprächs wird er sagen: Vielleicht wäre das mit der autofreien Innenstadt doch vernünftig, da wolle er noch mal drüber nachdenken.

Luban und Plassek diskutieren auch über sexuelle Belästigung, Armut und Reichtum und über fehlende Visionen. Jeder von ihnen sagt Sätze, die man vorher eher dem anderen zugeordnet hätte. So wie: "Es ist genug Geld da, es ist nur falsch verteilt." (Nicht Plassek, sondern Luban) „Ich glaube, Maaßens Aussagen wurden verkürzt dargestellt.“ (Nicht Luban, sondern Plassek) "Die Anhänger von Björn Höcke sind Hardcore-Nazis." (Nicht Plassek, sondern Luban)

Luban wird am Ende mehrfach gesagt haben: "Da stimme ich dir vollkommen zu." Und Plassek: "Da war jetzt nichts dabei, wo ich sagen würde: Oh Gott."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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