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Debakel bei der Bayern-Wahl: "Die SPD sollte alles auf eine Karte setzen"


Die SPD sollte alles auf eine Karte setzen

Ein Kommentar von Daniel Schreckenberg

Aktualisiert am 16.10.2018Lesedauer: 4 Min.
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Andrea Nahles: Bei ihrem Pressestatement nach der Landtagswahl in Bayern flüchtet sich die SPD-Chefin in Durchhalteparolen.Vergrößern des Bildes
Andrea Nahles: Bei ihrem Pressestatement nach der Landtagswahl in Bayern flüchtet sich die SPD-Chefin in Durchhalteparolen. (Quelle: Carsten Koall/dpa)

Nachdem sie in Bayern zu einer Randnotiz geworden ist, klammern sie sich im Willy-Brandt-Haus an Durchhalteparolen. Dabei müsste die SPD dringend reagieren – und hat dabei nur eine Wahl.

In Hollywoodfilmen gibt es oft diese Szene, in der der Held eigentlich chancenlos ist, in der alles gegen ihn und seine Ziele spricht und er nichts mehr zu verlieren hat. In Sport-Filmen gibt es dann meist die wortgewandte Rede des Trainers, der sein Team nach vorne peitscht, in Action-Streifen die Rückblende, in der der Held erkennt, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Nun liegen zwischen Kalifornien und Berlin einige tausend Kilometer: Und ebenso groß scheint momentan der Unterschied zwischen dem Mut der Leinwandhelden und den Ansprachen der SPD-Führung im Willy-Brand-Haus.

Was auch immer die SPD tut, die Wähler wenden sich von ihr ab. In einem Film befänden sie sich im entscheidenden Akt. Nicht erst seit dem Absturz bei der Bundestagswahl vor einem Jahr kennt der Spannungsbogen der jüngeren SPD-Geschichte nur eine Richtung: bergab. So auch bei der Bayern-Wahl. Das Ergebnis von vor fünf Jahren wurde halbiert, eigentlich ist die Partei verkommen zu einer landespolitischen Randnotiz. Und doch ist die große Halle in der SPD-Zentrale am Tag danach rappelvoll. Dutzende Journalisten warten auf die Parteichefin, auf ihre Worte, auf eine Kampfangsage der Sozialdemokraten.

Montagvormittag, Auftritt Andrea Nahles und der bayerischen SPD-Spitzenfrau Natascha Kohnen. Kurzes Pressestatement, vier Fragen, vier Antworten, dann zurück ins Parteipräsidium. Sie könne das ernüchternde Ergebnis nicht besser machen, diktiert Nahles den Journalisten ins Mikrofon: "Nicht alles hatten wir alleine in Hand." Nun müsse aber nach vorne geblickt werden. In zwei Wochen ist Hessen-Wahl.

Dort herrsche eine andere Situation. Mit den Themen Wohnen und Soziales könne die SPD in Hessen punkten. Hatte man diese Sätze nicht schon vor der Wahl in Bayern gehört? "Die große Koalition entscheidet sich nicht am Ergebnis einer Landtagswahl", sagt Nahles noch. Auch Personaldebatten lehne sie zum jetzigen Zeitpunkt ab. Es sind nicht mehr als Durchhalteparolen, mit denen die SPD-Chefin da um sich wirft.

Dabei hat die Partei doch wirklich nichts mehr zu verlieren: Mit gemäßigter Rhetorik hat sie es im Flüchtlingsstreit versucht, und hat dafür kassiert. Mit Schuldeingeständnissen nach der Maaßen-Beförderung hat sie nicht gespart und wurde vom Wähler abgestraft. Sachpolitik hat die SPD immer wieder angemahnt und wurde von den Koalitionspartnern überhört. All das Reden hilft nicht mehr, die Wähler rennen der SPD davon.

Und Andrea Nahles? 15 Minuten steht sie am Montag hinterm Rednerpult. Keine flammende Rede für die Sozialdemokratie, kein Rückblick auf die einstige erfolgreichere Zeit. Kein Ätschi-Bätschi. Kein nichts. Vielleicht ist es auch zu viel verlangt, angesichts der vielen Tiefschläge, ein hollywoodreifes – und womöglich letztes – Aufbäumen von der SPD zu erwarten.

Angriffslustig sind nur andere

Andere SPD-Politiker reden auch, aber anders als die SPD-Spitze: Juso-Chef Kevin Kühnert wetterte schon am Sonntag wieder einmal gegen die große Koalition. Es scheint, als hatte er mit seinen Befürchtungen vom SPD-Absturz bereits im Frühjahr Recht. Und auch Natascha Kohnen sagt mit Blick auf Horst Seehofer: "Ein solcher Mann ist für mich in Bayern nicht mehr tragbar." Der CSU-Chef spalte das Land, anstatt es zusammenzuführen. Kohnen ist ganz schön angriffslustig. Und damit im totalen Widerspruch zu ihrer Chefin, die keine zwei Meter neben ihr steht.

Kohnen ist auf dem richtigen Weg. Mit der Nahles'schen Ruhe gewinnt die SPD in Hessen keine Stimmen mehr. Was sie braucht ist der Kühnert'sche Sturm. Und wer sagt eigentlich, dass Landtagswahlen nicht auch eine Bewertung der Bundesarbeit sind? Die SPD hat in Bayern gerade auch wegen ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin auf den Deckel bekommen.

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In Hollywood wäre klar, was jetzt folgt: Die heldenhafte SPD macht die Landtagswahl in Hessen zu einer Urabstimmung über den Fortbestand des Berliner Regierungsbündnisses. Oder noch dramatischer: Sie kündigt die Koalition auf, macht klar, dass mit der Union keine sozialdemokratische Politik möglich sei und setzt alles auf die Karte Opposition.

Klar, damit könnte sie noch einmal ziemlich auf die Schnauze fallen. Sie könnte aber auch ein für alle Mal von den Wählern Gewissheit bekommen, ob sie das Regieren mit CDU und CSU nicht zu Grabe trägt. Eine SPD hingegen, die Hessen abwartet und – so sagte es am Nachmittag Generalsekretär Lars Klingbeil, erst im November über Personen oder eine Neuausrichtung sprechen möchte, für die könnte es dann womöglich schon zu spät sein.

Wer nichts mehr zu verlieren hat, kann befreit aufspielen. Der kann mutig sein und Entscheidungen fällen, die sonst vielleicht nicht so entschieden worden wären. In Hollywoodfilmen gibt es dann immer ein Happy End. Die aussichtslose Situation wird zum Guten gewandt und der Held gewinnt alles zurück. Die SPD sollte es darauf ankommen lassen, zu verlieren hat sie ja nicht mehr viel.

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