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Kolumne: Iranische Revolution – als die Tragödie der Muslime begann


Vor 40 Jahren begann die Tragödie der Muslime

  • Lamya Kaddor
Eine Kolumne von Lamya Kaddor

08.02.2019Lesedauer: 3 Min.
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Ajatollah Khomeini im Jahr 1975: wenige Jahre später führte er die Revolution im Iran an. Ein dunkler Tag für alle Muslime, meint Kolumnistin Lamya Kaddor.Vergrößern des Bildes
Ajatollah Khomeini im Jahr 1975: wenige Jahre später führte er die Revolution im Iran an. Ein dunkler Tag für alle Muslime, meint Kolumnistin Lamya Kaddor. (Quelle: imago-images-bilder)

Im Iran werden 40 Jahre "Islamische Revolution" gefeiert. Ein tragischer Tag für alle Muslime auf der Welt.

Den Zeitpunkt, an dem sich das Leben gläubiger Muslime weltweit zum Schlechteren gewendet hat, können wir gut benennen: Es ist die sogenannte Islamische Revolution im Iran, die dieser Tage ihr 40-jähriges "Jubiläum" feiert. Zum ersten Mal in der Geschichte der Moderne hatten Islamisten in einem Land die Herrschaft an sich genommen.

Sie kaperten die Religion für ihren Kampf

Die Anhänger des Ajatollah Khomeini wollten an die Macht, ihre politischen Gegner ausschalten und die imperialistischen Einflüsse auf den Iran überwinden. Dazu kaperten sie die Religion, kleideten ihre Anliegen in ein islamisches Gewand und gaben vor, ganz im Sinne der ureigenen Kalifatstradition zu handeln.

Da dieses Prinzip des politisierten Islams offenkundig erfolgreich war und ein kulturelles und historisches Schwergewicht wie den Iran zu unterwerfen vermochte, sollte es fortan international Schule machen. Zum Teil wurde die Ideologie exportiert, beispielsweise in den Libanon zur Hisbollah, zum Teil wurde sie adaptiert, beispielsweise durch die Palästinenserorganisation Hamas.

Direkte Linie von der Revolution zum Terror

Die Adepten reicherten die Vorstellungen an, formulierten vermeintliche Gewaltlegitimationen weiter aus und verschleierten konfessionelle und theologische Widersprüche – der Iran ist bekanntlich schiitisch, die Hamas sunnitisch.

Am Ende können wir somit eine direkte Verbindungslinie ziehen von den Ereignissen 1979 zu den islamistischen Auswüchsen der Gegenwart bis hin zu Terrororganisation wie al-Qaida oder IS. Alle Akteure haben die Vision eines islamischen Staats vor Augen, den sie gerne – insbesondere gegen den Westen – durchsetzen wollen.

Mittelalterliche Gewaltideologie

Die Auswirkungen dieser politischen Bestrebungen, die letztlich nur von einigen Tausend Islamisten weltweit vorangetrieben werden, beeinträchtigen am Ende das Leben von bis zu 1,5 Milliarden Muslimen. Ihr Glaube wird diffamiert und verachtet. Die Islamisten haben den Islam zur Terrorreligion stilisiert, zu einer mittelalterlichen Gewaltideologie, einer negativen Folie, um Menschen oder ganze Gruppen von Menschen zu Ungläubigen zu erklären, abzuwerten oder sogar bekämpfen zu dürfen. Wer sich heute fragt, warum ausgerechnet Muslime weltweit so oft angefeindet werden, darf die Folgen und Rezeptionen der "Iranischen Revolution" und den Durchbruch des Islamismus nicht vergessen.

Gewiss haben sich die Hassverliebten in Ost und West, als das Aus für den Kalten Krieg Anfang der Neunzigerjahre besiegelt war, proaktiv auf die Suche nach neuen Feindbildern begeben. Durch den auferlegten Kopftuchzwang 1979, die Todesfatwa gegen den Autor Salman Rushdie zehn Jahre später, Steinigungen, Verfolgungen von Homosexuellen etc. aber drängten sich ihnen die Mullahs im Iran geradezu auf. Das war der Wink mit dem Zaunpfahl: Was steht plakativer gegen die Errungenschaften und Werte abendländischer Aufklärung oder besser das Eigenbild von den Errungenschaften und Werten abendländischer Aufklärung als Angriffe auf Emanzipation, Meinungsfreiheit, Pluralismus und Selbstverwirklichung?

Die Islamisten sind auf ganzer Linie gescheitert

Es dauerte noch einmal rund eine Dekade bis nach den Anschlägen al-Qaidas am 11. September 2001 in den USA, dann war es vollbracht: Die Islamisten auf der einen Seite und die Feindbildsucher zwischen Moskau, Berlin, Paris, London und Washington auf der anderen Seite hatten den neuen Gegner "Islam" etabliert.

40 Jahre nach der "Iranischen Revolution" und angesichts Hunderttausender Todesopfer sollte auch dem letzten Muslim auf der Welt klar geworden sein, dass die politische Instrumentalisierung des Islams nicht der Schlüssel für die Lösungen der Probleme moderner Staaten zwischen Hindukusch und Atlas ist. Die Islamisten sind auf ganzer Linie gescheitert. Ihr Ansatz "al-Islam huwa al-hall" (deutsch: "Der Islam ist die Lösung [für den Staat]") hat versagt.


Ihr Versprechen, die säkularen, aber korrupten sozialistischen und nationalistischen Regimes und ihre imperialistischen Puppenspieler der Fünfziger- und Sechzigerjahre davonzujagen, um an die glorreiche Kalifatszeit anzuknüpfen und den Ruhm der Vergangenheit wiederkehren zu lassen, haben sie gebrochen. Jeder Muslim sollte das jedem Islamisten zu verstehen geben: "al-Islam LAYSA huwa al-hall". Also: "Der Islam ist NICHT die Lösung [für die Staatsführung]".

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin. Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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