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AfD – Talkshow-Bann: Björn Höcke ist nicht der Fürst der Dunkelheit


Björn Höcke ist nicht der Fürst der Dunkelheit

  • Lamya Kaddor
Eine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 19.12.2019Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Vertritt einen völkischen Nationalismus: Björn Höcke, Landes- und Fraktionschef der AfD in Thüringen.Vergrößern des Bildes
Vertritt einen völkischen Nationalismus: Björn Höcke, Landes- und Fraktionschef der AfD in Thüringen. (Quelle: imago-images-bilder)

Das ZDF will den AfD-Politiker Björn Höcke nicht mehr in Talkshows einladen. Warum ein grundsätzliches Höcke-Verbot im TV keine gute Idee ist, erläutert unsere Kolumnistin Lamya Kaddor.

Sympathisch müsste die Ansage von ZDF-Chefredakteur Peter Frey, der AfD-Politiker Björn Höcke sei kein möglicher Talkshow-Gast mehr, im Grunde jedem Demokraten sein. Dass der Wahl-Thüringer demokratische Freiheiten benutzt, um Mehrheiten für antidemokratische Vorstellungen zu bekommen, ist schließlich landauf, landab bekannt. Somit dürften allenfalls jene die Entscheidung des Senders verteufeln, die glauben, Höcke hätte nicht sie, sondern bloß andere als Gegner ausgemacht.

Was soll es denn bringen, mit Höcke zu reden? Wo er politisch steht, weiß jeder, wie er Politik macht, ebenfalls. Jenseits von Einwanderung und Nationalismus hat er nichts zu einem Thema beizutragen. Seine Ansichten wird er durch Argumente nicht ändern. Solche Talkshow-Auftritte bereiten ihm lediglich ein Podium für seine eigenwillige und krude Propaganda, wie er es 2015 bei Günter Jauch demonstriert hat, als der noch einen politischen Sonntagabend-Talk im Ersten hatte, und Höcke zum Staunen aller während der Live-Sendung ein Deutschlandfähnchen zückte, das er über der Armlehne seines Sessels ausbreitete – viele erinnern sich gewiss noch.

Manchmal muss man den Dialog verweigern

Aus meiner eigenen Vortrags- und Referententätigkeit habe ich eines gelernt: Man kann einfach nicht mit jedem reden und es bringt nichts, mit jedem zu reden. Manchmal muss man den Dialog verweigern. Etwa, wenn jemand zu radikal auftritt, bloß auf Anfeindung und Beleidigung aus ist, sein Gegenüber aufgrund angeborener und unveränderlicher Eigenschaften nicht respektiert oder wenn jemand gar nicht zuhören will, sondern die Gesprächssituation allein zu dem Zweck nutzt, seine Ideologie erklingen zu lassen. Zum Gespräch über ein Sachthema gehört eine gewisse Offenheit auf beiden Seiten, und diese Offenheit müssen beide Seiten signalisieren. Spontan habe ich mich daher gefreut, als ich Freys klare Aussage in der "Zeit" gelesen habe.

Doch bei näherer Überlegung muss sie einem die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. "Wir Medien haben niemanden zu erziehen, stimmt. Aber wir müssen zeigen, wo die Grenzen demokratischer Gesinnung verlaufen", erklärte Frey. Das ist richtig, doch genau da beginnt auch das Problem.

Wenn man Björn Höcke ausgrenzt, was ist mit Alexander Gauland? Frank Plasberg hatte schon im Juni 2018 erklärt, er werde Gauland nach dessen Vogelschiss-Äußerung über die Nazizeit nicht mehr einladen. Und Alice Weidel? Jörg Meuthen? Am Ende womöglich mit niemandem mehr von der AfD reden? Die, die das bejahen, reden die dann auch nicht mehr mit Vertretern der Werteunion? Lassen sie keine rechtskonservativen CSU- und CDU-Politiker mehr zu Wort kommen? Keine Konservativen? Keinen Boris Palmer?

Das kann es wohl kaum sein. Es droht Willkür. Die Krux an der Grenzziehung ist, sie leitet einen in Teufels Küche. Peter Frey hat den öffentlich-rechtlichen Sender unter Zugzwang gesetzt: Wie definiert das ZDF diese Grenze demokratischer Gesinnung und bei wem zieht es sie?

Eine Ausgrenzung Höckes wäre heikel

Sollte die Grenze am Ende nur für Björn Höcke gelten, macht man es sich nicht nur zu einfach, sondern öffnet weiteren Problemen Tür und Tor. Höcke wird so zu einer Art Sündenbock gemacht: Man belädt ihn mit all dem, was man an rechtsextremistischen Einstellungen ablehnt, und schickt ihn in die Wüste. Das verführt zu einem fatalen Gedanken: Mit der Ausgrenzung Höckes wäre die Pflichtschuldigkeit getan.

Ein solcher Gedanke vermag heikle Freiräume für die Zukunft zu schaffen: Sollte es im Diskurs über Rechtspopulismus demnächst wieder Kritik am ZDF geben, drängt sich der entlastende Hinweis auf den Umgang mit Höcke geradezu auf.

Die pauschale Ausgrenzung des AfD-Politikers droht zu einer eingebildeten Katharsis zu führen. Anders ausgedrückt: Höcke auszugrenzen sorgt nicht für die erwünschte "Reinigung".

Höckes Einfluss wird irrational überhöht

Eine Fokussierung auf Höcke verkennt die Lage auf zweierlei Art: Erstens ist er nicht die zentrale Figur des Rechtsextremismus in Deutschland. Er ist nicht das personifizierte Böse, der Fürst der Dunkelheit. Seine Rolle und sein Einfluss werden hier irrational überhöht.

Zweitens, Rechtsextremismus in Deutschland basiert nicht auf ein paar Einzelpersonen. Er ist viel breiter aufgestellt. Die zugehörigen Vorstellungen und Denkmuster sind strukturell in der Gesellschaft verankert. Man wird dem Problem folglich nicht Herr, indem man einzelne Führungskräfte zum Schweigen verdonnert. Genau dieses falsche Signal sendet eine Ausgrenzung Höckes jedoch aus.

Zudem gibt es deutlich problematischere Leute als Björn Höcke. Er kann das Publikum politisch einschätzen und einordnen, Talkgäste indes, die unbekannter sind und eine angebliche Neutralität verkörpern, weil sie unabhängig von einer bestimmten Partei auftreten oder keinem einschlägigen Verein angehören, weniger. Die Scheinwissenschaflterin, der Skandalautor, die Berufsprovokateurin im Fernsehsessel richten mitunter größeren "Schaden" an als ein Björn Höcke, da sie mit ihren Botschaften leichter zum Publikum durchdringen. Die scheinbar tolerante Burkaträgerin, die der Öffentlichkeit implizit ein falsches Bild vom Islam vermittelt; der Rechtsanwalt, der primär in seiner beruflichen Funktion wahrgenommen wird, aber eine rechtsradikale Agenda verfolgt; die Journalistin mit der Aura der Objektivität, die gezielt politische Botschaften streuen will; etc.

Abgesehen von solchen strukturellen Überlegungen können Höcke und die AfD schließlich Freys Aussage wunderbar nutzen, um sich als Opfer darzustellen.

Von Fall zu Fall entscheiden

Wenn das ZDF eine Person nicht mehr einladen will, dann hätte es das vielleicht intern regeln und einfach nicht mehr tun sollen; bei uns gilt schließlich Pressefreiheit. An der Stelle aber, wo eine solche Entscheidung öffentlich kommuniziert wird, werden Fragen aufgeworfen und es entsteht ein Rechtfertigungsdruck.

Von daher ist es besser, auf generelle Sprech- und Auftrittsverbote zu verzichten, stattdessen von Fall zu Fall zu entscheiden und dabei inhaltliche Erwägungen an erste Stelle zu setzen. Ob Höcke in eine TV-Sendung eingeladen wird, sollte vom Thema abhängen. Höcke in eine Diskussionsrunde zum Handelsstreit zwischen USA und China oder zur Rentenreform zu platzieren, lässt sich inhaltlich wenig nachvollziehen. Höcke gar zum Thema Ausländerkriminalität oder Integrationspolitik in ein TV-Studio zu bitten, wäre wie Öl ins Feuer zu gießen und fast schon kriminell. Aber Höcke als Gesprächspartner für eine Sendung über die „Bedrohung von Rechts“ auszuwählen, könnte durchaus sinnvoll sein; insbesondere, wenn er dabei mindestens einen Gegenpart hat.

Markus Lanz und seine Redaktion haben da diese Woche ein ganz gutes Händchen bewiesen. Sie hatten den auf rechtspopulistischen Wegen herumirrenden früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen zu Gast und direkt neben ihn den Journalisten und Rechtsextremismusexperten Olaf Sundermeyer gesetzt. So kann es funktionieren.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin, Publizistin und Gründerin des Liberal Islamischen Bunds e.V. (LIB). Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr aktuelles Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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