Kretschmer nennt Triage-ĂuĂerung aus Zittau "Hilferuf"
Triage in einem deutschen Krankenhaus? Nach den ĂuĂerungen eines Mediziners aus Zittau spricht Sachsens MinisterprĂ€sident Michael Kretschmer von einem "Hilferuf". Der Arzt bekommt Widerspruch.
Was heiĂt "bestmögliche Therapie", wenn an allen Ecken und Enden Mitarbeiter fehlen, die Zahl der Betten reduziert werden muss und immer mehr Patienten kommen? Das Klinikum Oberlausitzer Bergland in Zittau ist am Mittwoch durch die dramatische Corona-Situation bundesweit in die Schlagzeilen geraten. "Bestmögliche Therapie" erhielten die Patienten, teilte der TrĂ€ger, das Gesundheitszentrum des Landkreises Görlitz, am Mittwoch mit. Die Versorgungssituation sei aber extrem angespannt.
Vorausgegangen war eine ĂuĂerung des Ărztlichen Direktors Mathias Mengel. Mengel hatte gesagt, es sei bereits mehrfach Triage nötig gewesen â eine Entscheidung, wem geholfen werden kann und wem nicht. Das hatte zuvor noch kein Arzt aus einer Klinik in Deutschland öffentlich berichtet. Und aus dem Kreis Görlitz wurden am Mittwoch 467 Neuinfektionen gemeldet, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt laut Gesundheitsamr bei 701.
"Die Wortmeldung aus Zittau ist ein Hilferuf", sagte Sachsens MinisterprĂ€sident Michael Kretschmer (CDU). Der Arbeitsalltag in deutschen KrankenhĂ€usern sei "extrem angespannt". SchutzmaĂnahmen machten die Arbeit schwieriger, es gebe Personalausfall wegen Erkrankungen oder QuarantĂ€ne. Auf das Klinikum selbst prasselten Anfragen aus ganz Deutschland ein. Der Mediziner, der t-online seine Aussagen bestĂ€tigt hatte, Ă€uĂerte sich seither nicht mehr.
Klinikum und Sozialministerin bestÀtigen Vorgang nicht
Am frĂŒhen Mittwochnachmittag gab der TrĂ€ger der Klinik eine ErklĂ€rung heraus, in der die Triage weder bestĂ€tigt noch dementiert wurde. Zu den Aussagen des Arztes Ă€uĂerte sich die Klinik nur indirekt: Triage sei ein Begriff aus der Notfallmedizin, der ein Verfahren zur EinschĂ€tzung des Schweregrades von Erkrankungen und Verletzung beschreibe, hieĂ es. Die deutlichen SĂ€tze des Mediziners dementierte die Klinik darin nicht.
Die "SĂ€chsische Zeitung" zitierte allerdings eine Sprecherin, dass keine Patienten verstorben seien, weil ihnen als Folge von Triage beispielsweise kein Intensivplatz zur VerfĂŒgung gestanden habe oder keine Sauerstoffgabe möglich gewesen sei. GegenĂŒber der "Bild" sprach sie von einem "MissverstĂ€ndnis". Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) erklĂ€rte, sie könne den Fall nicht bestĂ€tigen. Die Verantwortlichen in Zittau hĂ€tten zeigen wollen, dass sie "bald" nicht mehr wissen, wie sie die Patienten versorgen sollen.
Intensivmediziner-Verband beruhigt
Die Meldung aus Zittau fĂŒhrt auch dazu, dass sich sie Deutsche InterdisziplinĂ€re Vereinigung fĂŒr Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Fachgruppe COVRIIN beim Robert-Koch-Institut (RKI) in einer gemeinsamen Stellungnehme meldeten: "Wir stehen derzeit nicht an dem Punkt, Priorisierungen von Patienten vornehmen zu mĂŒssenâ, heiĂt es dort. Durch ein Verlegungskonzept könnten alle schwerkranken Patienten Betten in weniger belasteten Regionen auch erreichen."
Zittaus OberbĂŒrgermeister Thomas Zenker zeichnete die Lage in der Region dramatisch: Die KrankenhĂ€user der Region hĂ€tten ihre Leistungsgrenze ĂŒberschritten, teilte er mit. Es sei "schockierend, aus dem Munde eines hochangesehenen Mediziners, der die Ă€rztliche Leitung unseres Krankenhauses verantwortet, zu hören, dass bereits die so genannte Triage angewendet wird", so Zenker, der an dem GesprĂ€ch mit Mengel teilgenommen hatte.
Wir benötigen Ihre Zustimmung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Twitter-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Twitter-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Klinikum kann geplante Betten nicht betreuen
In den beiden Standorten des Klinikums im Kreis Görlitz in Zittau und Ebersbach-Neugersdorf gibt es weniger nutzbare Betten fĂŒr Corona-Patienten, als dort vorgesehen waren. Die Bettenzahl musste "deutlich reduziert werden", erklĂ€rte die GeschĂ€ftsfĂŒhrung laut MDR. Der Grund: Personal ist krank oder in QuarantĂ€ne. Deshalb kann die Betreuung fĂŒr die geplante Bettenzahl nicht gewĂ€hrleistet werden.
Um 100 Betten fĂŒr Coronapatienten zu schaffen, waren auch andere Stationen geschlossen worden. Laut Klinik waren bis zu 85 Betten bereits belegt. Das Klinikum machte keine Angaben, wie viele Betten nun vorgesehen sind und wie viele Intensivbetten es gibt.
In der ErklÀrung hieà es, dass Erkrankte in umliegende KrankenhÀuser geflogen werden, wenn eigene KapazitÀten nicht reichen. Sei das nicht möglich, verschÀrfe sich die ohnehin angespannte Situation deutlich. Die Leitstelle in Dresden bestÀtigte, dass es "verstÀrkt" Verlegungen aus den Landkreisen Bautzen und Görlitz in entferntere KrankenhÀuser gegeben hat. Das geschieht, wenn es regional keine AufnahmekapazitÀten mehr gibt. Allerdings sind auch nicht alle Patienten transportfÀhig.
Laut MinisterprĂ€sident Kretschmer wird die Bundeswehr in Sachsen "ĂŒber den Jahreswechsel hinaus weiter im Krankenhaus helfen". Derzeit sind in Sachsen zur BekĂ€mpfung der Corona-Pandemie rund 700 Soldaten im Einsatz. Zudem sollen in den nĂ€chsten Wochen verstĂ€rkt niedergelassene Ărzte fĂŒr die Versorgung eingebunden werden.