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"NSU 2.0"-Drohungen gegen Promis: Was über die Festnahme bekannt ist


Festnahme im Fall "NSU 2.0"
Was über die Drohungen gegen Prominente bekannt ist

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 04.05.2021Lesedauer: 3 Min.
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Der Satiriker Jan Böhmermann: Auch er wurde bedroht. Nun gibt es eine Festnahme.Vergrößern des Bildes
Der Satiriker Jan Böhmermann: Auch er wurde bedroht. Nun gibt es eine Festnahme. (Quelle: P. Schönberger/Future Image/imago-images-bilder)

Steht die rechtsextreme Drohserie gegen Politiker und Prominente vor der Aufklärung? Eine Festnahme weist darauf hin. Doch noch sind viele Fragen offen – unter anderem zum Ursprung der sensiblen Daten.

Oberstaatsanwältin Nadja Niesen ist kurz angebunden am Telefon, ihre Zeit ist heute knapp bemessen. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main erhält zig Anrufe, denn in der Nacht gab ihre Behörde eine besondere Mitteilung heraus. In den Fällen einer rechtsextremen Drohserie gab es eine unverhoffte Wendung: Weil ein Tatverdächtiger festgenommen wurde, könnten die Straftaten vor der Aufklärung stehen.

Vorstrafen: Amtsanmaßung und Bedrohung

53 Jahre alt, deutsch, erwerbslos, kein Polizist – das ist der Mann, den die Staatsanwaltschaft nun verdächtigt, in ganz Deutschland Personen des öffentlichen Lebens unter dem Pseudonym "NSU 2.0" über Jahre mit dem Tode bedroht zu haben. Die Beweislage dafür war dem Amtsgericht Frankfurt dicht genug für einen Haftbefehl, den Spezialkräfte der Polizei bei einer Durchsuchung in Berlin vollstreckten. "Am offenen Rechner" sei er erwischt worden, hieß es seitens des Bundeskriminalamts. Seitdem sitzt der Mann in Untersuchungshaft, über den – abgesehen von seinem Vorstrafenregister – bislang wenig bekannt ist.

Doch das hat es in sich: Die Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage von t-online, dass der Mann bereits für Beleidigung, Bedrohung und Amtsanmaßung rechtskräftig verurteilt worden sei. Zum Teil seien die Taten "rechtsmotiviert" gewesen. Die "Tagesschau" berichtete, der Mann habe sich in einigen dieser Fälle als Behördenvertreter ausgegeben. Diente ihm eine solche Scharade auch, um an die Daten seiner späteren Opfer zu gelangen?

Die Frage nach den Polizeicomputern

Denn speziell für die Drohserie war die Art der Schreiben – meist enthielten sie schwer zugängliche persönliche Daten. Deswegen lag die Vermutung nahe, dass sie aus Polizeicomputern stammten. Tatsächlich ergaben sich bei den Ermittlungen entsprechende Auffälligkeiten: Vielen der Drohungen – unter anderem gegen den Satiriker Jan Böhmermann oder die Anwältin Sedar Başay-Yıldız – waren dienstlich nicht gerechtfertigte Abfragen aus Polizeidatenbanken in Frankfurt, Hamburg und Berlin vorausgegangen.

Solche Abfragen gibt es im gesamten Bundesgebiet immer wieder mit weniger schwerem Hintergrund. In diesem speziellen Fall aber hatten sie sehr konkrete Folgen: Beamte standen unter Verdacht, hinter den Morddrohungen zu stehen. In Hessen, wo sich die Auffälligkeiten ballten, trat Landespolizeipräsident Udo Münch aufgrund der Affäre sogar zurück. Er hatte den Innenminister nicht unverzüglich über Datenabfragen informiert. Ob die ungewöhnlichen Abfragen allerdings tatsächlich in Zusammenhang mit der Drohserie stehen, war und ist weiterhin offen.

Wie kam der Mann an die Daten?

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt geht einer Vermutung nach: Der jetzt Verdächtige, der bereits für Amtsanmaßung verurteilt wurde, könne sich unter anderem den Zugang zu Registerdaten erschlichen haben – indem er bei Anrufen falsche Angaben machte. Auch das Darknet sei ein möglicher Beschaffungsweg. Beides sei allerdings noch Gegenstand weiterer Ermittlungen, sagte Niesen t-online. Sicher sei: Der Verdächtige sei "zu keinem Zeitpunkt Bediensteter einer hessischen oder sonstigen Polizeibehörde" gewesen.

Im hessischen Innenministerium dürfte diese Nachricht für Freude sorgen. Wenn sich der Verdacht bewahrheite, könnten "Dutzende unschuldige Opfer sowie die gesamte hessische Polizei aufatmen", sagte Innenminister Peter Beuth an diesem Dienstag. Die Festnahme sei ein "herausragender Ermittlungserfolg der hessischen Strafverfolgungsbehörden". Ein Team um den polizeilichen Sonderermittler Hanspeter Mener habe "zehn Monate lang nichts unversucht gelassen, um den mutmaßlichen Täter aus der Anonymität des Darknets zu reißen".

Bereits die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt hatten mitgeteilt, dass die Maßnahmen "aufwendig und zeitintensiv" gewesen seien. Anderes war auch kaum vorstellbar: Insgesamt 133 Schreiben an 32 Personen und 60 Institutionen waren zu untersuchen, dabei die Trittbrettfahrer auszusortieren. Die Fülle der Schreiben könnte aber auch die Identifizierung des Verdächtigen erleichtert haben. Laut WDR und "Süddeutscher Zeitung" soll der Beschuldigte in mehreren rechtspopulistischen Foren aktiv gewesen sein. Seine dortigen Äußerungen sollen Übereinstimmungen mit den Drohungen aufweisen.

Bei der Dursuchung in Berlin seien auch Datenträger sichergestellt worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Sie werden nun nach weiteren Beweismitteln durchforstet.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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