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Länder rücken Studie zu Corona an Schulen nicht raus


Bürger gescheitert
Länder rücken Studie zu Corona an Schulen nicht raus

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 26.07.2021Lesedauer: 5 Min.
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Coronavirus und Schulen: Der Umgang mit dem Thema ist einer der größten Streitpunkte in der Pandemie. Deshalb rückt auch eine Studie in den Fokus, obwohl oder gerade weil sie noch nicht veröffentlicht ist.Vergrößern des Bildes
Coronavirus und Schulen: Der Umgang mit dem Thema ist einer der größten Streitpunkte in der Pandemie. Deshalb rückt auch eine Studie in den Fokus, obwohl oder gerade weil sie noch nicht veröffentlicht ist. (Quelle: dpa-bilder)

Anfang August beginnt in den ersten Bundesländern die Schule wieder – und Eltern, Schüler und Schulpersonal fragen sich: Wieso halten die Länder zurück, was ihre 2020 in Auftrag gegebene Studie zum Infektionsgeschehen in Schulen verrät?

Es klingt sehr brisant: Hamburg will die Informationen zu einer deutschlandweiten Corona-Studie nicht herausgeben, weil das sonst "die Beziehungen zu den anderen Ländern voraussichtlich belasten" würde, wie es von der Stadt heißt. Aus der Studie lassen sich Schlüsse zum Infektionsrisiko an Schulen ziehen und auch, wie es sich senken lässt.

Jetzt sind sowohl Vertreter eines sehr vorsichtigen Kurses wie auch Verfechter von unbedingt geöffneten Schulen alarmiert: Werden Ergebnisse zurückgehalten, weil sie Kultusministerinnen und -ministern vor den Wahlen nicht in die Agenda passen?

Die Untersuchung ist mit Steuergeldern bezahlt, die 167.397,18 Euro Kosten teilen sich die Bundesländer. Die Studie versprach die "Schaffung einer Entscheidungsgrundlage". Doch in den ersten Ländern enden schon in dieser Woche die Sommerferien.

Hamburger Vater forderte Daten an

Weil die Länder die Studie COVID-SCHULEN gemeinsam beauftragt haben, stoßen Menschen auf Widerstände, wenn sie mehr wissen wollen: Was ist zum Risiko herausgekommen und was wird empfohlen? Trifft die Studie Aussagen zum Effekt von Schulschließungen? Zumal Schulen als mögliche Hotspots im Herbst gelten.

Der Hamburger Software-Entwickler Suat Özgür, Vater zweier Schüler, wollte die Informationen vom Land Hamburg und nutzte das Hamburger Transparenzgesetz. Behörden können durch solche Gesetze zur Informationsfreiheit (IFG) mit Anfragen zur Herausgabe von Dokumenten und Informationen zu Vorgängen gezwungen werden.

Doch Hamburg hat abgelehnt: Andere Bundesländer könnten verärgert darüber sein. Informationen müssten nicht herausgegeben werden, "wenn deren Bekanntmachung die Beziehungen zu einem anderen Land oder zum Bund gefährden würde", teilt die Bildungsbehörde mit.

"#GebtdieStudiefrei" auf Twitter

Die Begründung schlägt nun Wellen und führt dazu, dass auf Twitter der Hashtag #GebtdieStudiefrei seit dem Wochenende die Runde macht. Die fast in Vergessenheit geratene Piratenpartei, Verfechter von transparentem Behördenhandeln, hat sich an die Spitze gesetzt. Sie kritisiert scharf, dass das steuerfinanzierte Papier zurückgehalten wird.

Dazu kommt: Für die Herausgabe fühlt sich offenbar auch die Kultusministerkonferenz (KMK) nicht an das Gesetz gebunden. Die KMK ist der Zusammenschluss der Bildungsminister der Länder und hat zwar zur Koordination ein Büro, sieht sich aber nicht als Behörde, die für Inhalte gemeinsam beauftragter Studien unter das Gesetz fällt, wie sie auf eine andere IFG-Anfrage mitteilte.

Heißt: Ein einzelnes Land sagt, es darf nicht, weil andere Länder beteiligt sind und verstimmt sein könnten, und das Büro des Zusammenschlusses aller Länder erklärt, selbst vom Gesetz nicht erfasst zu werden.

Doch gibt es Länder, die gegen die Veröffentlichung sind? t-online hat alle Kultusministerien angefragt und um Antwort bis Montag, 14 Uhr, gebeten: Hat Ihr Bundesland Einwände gegen die Herausgabe der angefragten Informationen? Geantwortet hat bis Ablauf der Frist keines. Das Abtauchen haben die Länder offenbar untereinander vereinbart.

Ministerien haben frische Ergebnisse

Auch in den Ministerien war schon über das Wochenende angekommen, dass #GebtdieStudiefrei Kreise zog. Intern ist die Sicht auf das Thema aber offenbar bei einigen Ländern eine andere: Die Hamburger Ablehnung mit ihrer Begründung treffe den Punkt nicht. Eigentlich sei die Studie doch noch gar nicht fertig, um sie herausgeben zu können, heißt es aus Länderkreisen.

Klar ist: Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) haben in Kooperation mit der Uni-Klinik Köln geliefert. Im Januar 2021 kamen erste Vorab-Zwischenergebnisse für die Studie, die jetzt so im Blickpunkt steht: Da ging es um die Auswertung der verschiedenen bereits zum Thema erfolgten Studien und was sich daraus zum Infektions-, Erkrankungs- und Übertragungsrisiko ableiten lässt. Im März 2021 ging ein weiterer Zwischenbericht an die Länder.

Das HZI bestätigte der "Tagesschau", die bisher durchgeführten systematischen Übersichtsarbeiten und Datenanalysen als Zwischenberichte bei der KMK eingereicht zu haben. Neueste Ergebnisse der HZI-Forscher haben die einzelnen Länder nach t-online-Informationen vergangene Woche vom Büro der Kultusministerkonferenz erhalten und wollen nun Gelegenheit haben, sie auszuwerten und gemeinsam zu erörtern.

Kultusministerkonferenz: Keine Abschlussberichte

Doch von den Zwischenberichten ist in einer Antwort der Kultusministerkonferenz an t-online überhaupt keine Rede. Stattdessen heißt es: Man erhalte zu den einzelnen Arbeitspaketen Abschlussberichte, die würden aber nicht vorliegen. Veröffentlicht werden sollten die Studienergebnisse "als wissenschaftliche Artikel in Fachzeitschriften" – irgendwann: Der Veröffentlichungstermin sei nicht absehbar – weil vorher der Peer-Review-Prozess läuft. Damit ist völlig unklar, wann die Daten öffentlich werden.

Die Erklärung passt zur ersten Ablehnung aus Hamburg. Das Land hatte Suat Özgür die Herausgabe zunächst mit der Begründung verweigert: Es seien nicht durch peer-review- oder vergleichbare Qualitätssicherungsverfahren abgesicherte erste Zwischenergebnisse, sondern sie seien zur internen Information gedacht. Auf dessen weitere Beschwerde kam dann die Ablehnung mit der Begründung, das könne das Verhältnis zu den anderen Länder belasten.

Plan zur Studie kam aus Hamburg

Angekündigt hatte die Studie im November 2020 Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD), zugleich Koordinator der SPD-regierten Bundesländer für Bildungsthemen. Am 10. Dezember wurde sie in Auftrag gegeben. Hamburg teilte damals mit: Mit ersten Ergebnissen sei im Frühjahr, mit einem Zwischenbericht im Sommer und mit einem Abschlussbericht im Herbst 2021 zu rechnen. Suat Özgür, der an einem privaten Projekt "Corona HH" zur Analyse der Zahlen beteiligt ist, hatte Zweifel, dass Hamburg ehrlich informiert und hakte nach.

Gründe für Misstrauen hatten die Kultusminister selbst geliefert: Rabes Verwaltung hatte die Untersuchung bereits als Studie angekündigt, "die (...) belegen soll, dass Schulen vergleichsweise sicher und eben keine Treiber der Pandemie sind und daher auch weiterhin am Präsenzunterricht festgehalten werden soll". Rabe erklärte danach, das sei unglücklich formuliert, es solle ergebnisoffen untersucht werden.

Vorangegangen war, dass Rabe Details zu einem Massenausbruch zurückgehalten hatte: Ein Infizierter in einer Hamburger Schule hat nachweislich mindestens 25 Schüler und Personen aus dem Lehrpersonal angesteckt. Rabe erklärte dazu dann: Es sei ein besonderer Einzelfall, und nur bei weniger als 20 Prozent der Ansteckungen von Schüler und Schulpersonal seien die Schulen der Infektionsort. Die Zahlen bezogen sich allerdings auch auf einen Zeitraum, in dem es insgesamt kaum Fälle gab. Sie sollten in die HZI-Studie eingehen.

Kultusminister für offene Schulen

Befürworter von mehr Vorsicht und Schutz sahen in dem Massenausbruch einen Widerspruch zu den Versicherungen, Schulen seien sichere Orte – und unterstellten deshalb Vertuschungsabsicht.

Die Bildungsminister sind in der Politik die energischsten Gegner von Schulschließungen, weil sie die möglichen langfristigen Bildungsverluste und sozialen Folgen bei Kindern und Jugendlichen im Hauptfokus haben. Vor Ländergipfeln der Ministerpräsidenten preschten die Bildungspolitiker regelmäßig mit Studien und Daten vor, die für offene Schulen sprachen. Bundesregierung und Ministerpräsidenten, die das Gesamtbild im Blick haben müssen, gingen die Ideen der Kultusminister regelmäßig zu weit.

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD), die 2020 an der Spitze der Kultusministerkonferenz stand, hatte auch Empörung ausgelöst. Sie hatte für ihre Botschaft von sicheren Schulen Experten-Aussagen umgedeutet: Nach einer Runde mit Wissenschaftlern fühlten sich mehrere Teilnehmer falsch wiedergegeben, einer warf ihr "mehr oder weniger reine Propaganda statt ernsthafter inhaltlicher Auseinandersetzung mit dieser Problematik" vor.

Jetzt ist Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) Präsidentin der Kultusministerkonferenz – und wirft zumindest Fragen bei der Transparenz auf.

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