Erste Instanz AfD schließt Abgeordneten aus Partei aus

Der AfD-Politiker Matthias Helferich bezeichnete sich selbst als "freundliches Gesicht des NS". In erster Instanz schloss ihn nun ein Schiedsgericht aus der Partei aus. Grund sind auch Äußerungen zur "Remigration".
Das Landesschiedsgericht der nordrhein-westfälischen AfD hat in erster Instanz den Parteiausschluss des Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich beschlossen. Das erfuhr t-online von Prozessbeobachtern, Helferich bestätigte die Entscheidung. Er will dagegen vorgehen. "Ich freue mich jetzt auf die Verhandlung vor dem Bundesschiedsgericht", sagte er t-online.
Helferich ist einer der umstrittensten Abgeordneten der AfD. Der 36-Jährige stand in der Vergangenheit wegen mehrerer Äußerungen in Chat-Verläufen, sozialen Medien und Bundestagsreden in der Kritik – auch in den eigenen Reihen. Unter anderem hatte er sich in internen Chats als "freundliches Gesicht des NS" bezeichnet, in Bundestagsreden forderte er wiederholt "millionenfache Remigration".
Die AfD-Bundestagsfraktion hatte Helferich in der vergangenen Legislatur wegen öffentlicher Skandale nicht in ihre Reihe aufgenommen. In die neue AfD-Fraktion wurde er im März dann ohne Protest seiner Fraktionskollegen in der konstituierenden Sitzung aufgenommen – trotz des schon laufenden Ausschlussverfahrens gegen ihn. Der Landesvorstand der AfD NRW um den vergleichsweise gemäßigten Vorsitzenden Martin Vincentz hatte den Schritt scharf kritisiert.
"Erinnert an die finstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte"
Im aktuellen Parteiausschlussverfahren hatte der Vorstand der AfD in NRW unter anderem argumentiert, dass Helferich "in schwerwiegender Weise" gegen das Grundgesetz verstoßen habe. In einem Antrag an das Landesschiedsgericht hatte es laut dpa geheißen, Helferich habe "die Außerlandesbringung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund und weiteren Personenkategorien unter Anwendung staatlicher Zwangsmittel als politische Zielsetzung artikuliert". Dabei habe er die Betroffenen als "Viecher" bezeichnet.
Der Landesvorstand schreibt in der Antragsschrift laut "Welt", der Ausdruck "Remigration" sei vom Antragsgegner "auf hässlichste Weise kontaminiert worden". Helferich kündige damit "jeglichen Konsens über Grundbegriffe menschlicher Gemeinwesen auf und bricht bewusst mit dem Bereich der Zivilisation". Und weiter: "Die Szenarien, die drohen, sollten Personen wie Matthias Helferich jemals politisch-exekutive Macht erhalten, erinnern an die finstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte und speziell auch der deutschen Geschichte."
"Remigration" beschrieb in der Soziologie eigentlich wertneutral die Rückreise von Migranten in ihre Heimatländer. Die rechtsextreme Szene aber kaperte den Begriff. Dort kann er viele Bedeutungen haben: von Massenabschiebungen von Illegalen bis hin zur Vertreibung auch von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund. Die AfD übernahm den Begriff im Januar in ihr Bundestagswahlprogramm, ließ aber bereits zuvor eine aus ihrer Sicht rechtskonforme Definition von "Remigration" für sich erarbeiten. Nach der Höherstufung der AfD durch den Verfassungsschutz hin zur "gesichert rechtsextremistischen Bestrebung" ringt die Partei mit ihrer Positionierung zu dem Begriff.
Helferich: "Bin überrascht, schockiert, belustigt"
Helferich hat nach Angaben der Partei nach Zustellung des Urteils 14 Tage Zeit, vor dem Bundesschiedsgericht der AfD Einspruch gegen die Entscheidung einzulegen. Danach könnte er noch vor ein Zivilgericht ziehen.
Helferich kündigte diesen Schritt gleich nach dem Urteil an. Er sagte t-online am Samstag: Er sei vom Dilettantismus des Landesvorstands und der drei Richter in der zuständigen Kammer des AfD-Landesschiedsgericht "einigermaßen überrascht, schockiert, aber auch belustigt zugleich". Unter anderem seine Beweisanträge seien abgelehnt und seine Zeugen nicht zugelassen worden. Helferich, der Jurist ist, weiter: Die Parteischiedsgerichtsbarkeit, zumindest in NRW, sei in einem Zustand, der dazu führe, dass "letztlich alle Verfahren vor den ordentlichen Gerichten scheitern werden". Er freue sich nun auf die Verhandlung vor dem Bundesschiedsgericht.
Tatsächlich stehen die Schiedsgerichte der AfD parteiintern in dem Ruf, stark von Funktionären beeinflusst zu sein. Helferich allerdings zählt auch zu den Rechtsextremisten in der Partei, die offen zu ihrer Gesinnung stehen und immer wieder bewusst über die Stränge schlagen. Bestens ist er in die Teile des Vorfelds der AfD vernetzt, die der Partei offiziell zu radikal sind. Dort wird er, gerade auch wegen seiner Haltung zur "Remigration", als Vorbild gefeiert.
Der Dortmunder Helferich war im Herbst 2021 erstmals über die NRW-Landesliste der AfD in den Bundestag gezogen. In seinem Landesverband hat Helferich trotz der seit Jahren scharfen Kritik des Vorstands viele Fürsprecher. So war er beispielsweise 2024 zunächst bei einem Landesparteitag auf einen der fünf Beisitzer-Posten im Vorstand gewählt worden. Auf der Landesliste der Partei für die Bundestagswahl schaffte er den sicheren sechsten Platz. Landeschef Vincentz blockierte zwar die Direktkandidatur Helferichs für die Bundestagswahl. In den Bundestag zog Helferich über die Liste dennoch ein.
- Eigene Recherchen
- Anfrage an Matthias Helferich
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- welt.de: "'Bricht bewusst mit dem Bereich der Zivilisation' – AfD schließt Abgeordneten Helferich aus"
- spiegel.de: E-Mails über Rassenlehre und Gewaltfantasien belasten AfD-Abgeordneten schwer