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Robert Habecks Klimaplan: Das sind die Knackpunkte


Sofortprogramm angekündigt
Habecks Klimaplan: Das sind die Knackpunkte


Aktualisiert am 11.01.2022Lesedauer: 6 Min.
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Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Archivbild): Kann er seine ambitionierten Pläne auch umsetzen?Vergrößern des Bildes
Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Archivbild): Kann er seine ambitionierten Pläne auch umsetzen? (Quelle: Political-Moments/imago-images-bilder)

Einen "drastischen Rückstand" beim Klimaschutz will Robert Habeck mit einem Sofortprogramm kontern. Am Dienstag legt der Wirtschaftsminister seine Pläne dar. Was kommt auf Deutschland zu?

Am Dienstag wagt der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen) seine ersten großen Schritte. Er stellt eine "Eröffnungsbilanz" zum Klimaschutz vor. Denn: Deutschland hinke im Klimaschutz weit den Erwartungen hinterher, hieß es vorab aus dem Ministerium. Die Rede ist von einem "drastischen Rückstand".

Diesem will der Minister nun ein "Klimaschutz-Sofortprogramm" entgegensetzen. Angesichts verschärfter Klimaziele für 2030 und der angestrebten Klimaneutralität bis 2045 müsse "deutlich mehr" getan werden als bisher vorgesehen, so das Ministerium. Nötig sei eine Verdreifachung der CO2-Minderungen im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt. Diese Aufgabe komme eher einem "Ultra-Lauf" gleich als nur einem Marathon. Die Regierung scheint selbst sehr gut zu wissen, wie groß diese Herausforderung ist. Und wie knapp die Zeit.

Geht es nach Klimaminister Habeck, soll der erste Teil der geplanten Sofort-Maßnahmen noch vor Anfang Mai im Kabinett beschlossen werden. Der Rest des Programms soll bis zum Jahresende folgen, um schon kommendes Jahr in Kraft zu treten. Besonders der Ausbau der erneuerbaren Energien soll vorangetrieben werden. Die Pläne des Ministers vorab im t-online-Check.

Schneller mehr Ökostrom

Ein Kernpunkt von Habecks Sofortmaßnahmen ist nach dpa-Informationen der deutlich rasantere Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Bundesrepublik. Bis zum Jahr 2030 sollen 80 Prozent des benötigten Stroms durch Wind und Sonne erzeugt werden. Bisher waren für diesen Zeitraum 65 Prozent als Zielmarke ausgegeben. Möglich soll das durch eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) werden.

Das sind die Knackpunkte

Die 80 Prozent Ökostrom im Energiemix sind bereits im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP festgehalten. Energieökonom Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum reagierte bei t-online positiv überrascht auf dieses Ambitionsniveau der Ampel. Er wies jedoch auch darauf hin, dass es bei diesen vielversprechenden Plänen vor allem darum gehe, dass diese "tatsächlich umgesetzt" werden müssten.

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Und um das zu schaffen, ist ein großer Sprung nötig. Schließlich lag der Ökostromanteil im vergangenen Jahr nach vorläufigen Berechnungen von Branchenverbänden lediglich bei rund 42 Prozent. Um Solar- und Windenergie massiv anschieben zu können, will die Ampel-Regierung auf Neuerungen in verschiedensten Bereichen setzen.

Neues "Wind-an-Land-Gesetz"

Beispielsweise will Habeck ein sogenanntes "Wind-an-Land-Gesetz" auf den Weg bringen. Dies soll festlegen, dass jedes Bundesland zwei Prozent seiner Fläche für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen muss – bedeutend mehr als bisher. Für Wind an Land werde man mehr Flächen ausweisen können, indem man Abstände von Windrädern zu Wetterradaren oder Drehfunkfeuern des Flugverkehrs verringere.

Zudem möchte Habeck die nötigen Voraussetzungen für zügigere Planungs- und Genehmigungsverfahren schaffen.

Dazu soll unter anderem der Windenergieausbau mit dem Artenschutz "versöhnt" werden. Ein Hebel könnte sein, den Ausbau der erneuerbaren Energien künftig als "überragendes öffentliches Interesse" zu definieren.

Das sind die Knackpunkte

Beim neuen Flächenziel muss der Bund mit Ländern und Kommunen zusammenarbeiten. Das dürfte nicht einfach werden. So hat sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund bereits skeptisch zum Zwei-Prozent-Flächenziel geäußert. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte: "Der Bund kann das nicht anordnen."

Auch Politikwissenschaftlerin Michèle Knodt von der Technischen Universität Darmstadt mahnt mit Blick auf die bisherige Dynamik zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen beim Windkraftausbau Umsicht an. In den vergangenen Jahren sei das Verhältnis bei diesem Thema "nicht mehr das beste" gewesen, so Knodt in einem Podcast des Hessischen Rundfunks.

Minister Habeck plant derweil, intensiver mit den Ländern und Kommunen zusammenzuarbeiten; der Koalitionsvertrag schlägt dazu unter anderem eine Stärkung des Bund-Länder-Kooperationsausschusses vor.

Während größtenteils Einigkeit darüber besteht, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden müssen, bleibt eine große Frage: Wie? Im Koalitionsvertrag steht etwa, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien eine Zeit lang Priorität bekommen soll.

Genauer könnte das heißen: Bis die Klimaneutralität erreicht ist, könnte der Bau von Windkraftanlagen Vorrang davor haben, dass der Mensch in seiner Wohnumgebung und beim Erholen in der Natur nicht erheblich gestört wird. Denn: Bisher ist der Widerstand aus der Bevölkerung ein großes Hemmnis für die Entstehung neuer Windparks. Proteste von Anwohnern oder Naturschützern vor Ort erschweren den Bau.

Solche Probleme könnten mit der gesetzlichen Feststellung des Windkraftausbaus als "überragendes öffentliches Interesse" umschifft werden. Hier wird sich der neue Wirtschafts- und Klimaschutzminister in der Umsetzung messen lassen müssen.

Solardachpflicht für Neubauten

Muss jeder Hausbesitzer nun mit hohen Kosten ein Solardach installieren? Davon ist nicht auszugehen. Die Solardachpflicht für neue Gebäude soll zwar angegangen werden. "Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden", steht bereits im Koalitionsvertrag.

Die Verpflichtung soll aber wohl nur für gewerbliche Neubauten gelten. Wer privat baut, soll laut Koalitionsvertrag zwar ermutigt werden, Solarpanele anzubringen. Photovoltaik auf Privatgebäuden soll damit "die Regel", aber nicht zur Pflicht werden.

Das sind die Knackpunkte

Was genau "die Regel werden" bedeutet, ist aber noch offen – genauso wie die genaue Ausgestaltung der Solardachpflicht. Möglich ist beispielsweise, dass Solardächer für private Neubauten über Steuererleichterungen gefördert werden, und es somit starke Anreize gibt, eine solche Anlage zu installieren.

Die Einführung der Solardachpflicht kann ein wichtiger Bestandteil sein, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen. Doch ist Habecks Vorschlag ambitioniert genug?

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Fest steht, dass einzelne Gemeinden und Bundesländer bereits jetzt einen Schritt weitergehen. Der Landtag in Baden-Württemberg beschloss etwa im Oktober 2021 ein neues Klimaschutzgesetz: Demnach ist die Solardachpflicht für alle festgeschrieben, die ein neues Haus bauen wollen. Auch wenn ein Dach saniert wird, muss eine Photovoltaikanlage eingebaut werden.

Abschaffung der EEG-Umlage

Das wird jeder merken auf der jährlichen Stromabrechnung: Die EEG-Umlage, die einst den Ausbau der erneuerbaren Energien finanzieren sollte, wird abgeschafft.

Momentan wird diese EEG-Umlage (festgelegt im Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) von allen Stromverbrauchern über einen Anteil an ihren Strombezugskosten bezahlt. Nach Berechnungen des Verbraucherportals Verivox zahlt ein durchschnittlicher Haushalt 241 Euro brutto pro Jahr, rund ein Viertel der Stromrechnung. Die Ampelkoalition möchte das nun ändern – und so Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Stromkosten entlasten.

Ab Anfang 2023 soll die Umlage deshalb in den Bundeshaushalt aufgenommen werden und über den sogenannten "Energie- und Klimafonds" finanziert werden. Dieser finanziert sich wiederum aus den Einnahmen, die der Bund über den CO2-Preis sowie die Versteigerung von Emissionszertifikaten erhält, und soll zusätzlich einen Zuschuss des Bundes enthalten.

Das sind die Knackpunkte

Durch diese Änderung sollen die Energiepreise "sozial gerecht" gestaltet werden, so steht es im Koalitionsvertrag – die Mehrbelastung der privaten Haushalte durch die CO2-Bepreisung sozialverträglich ausgeglichen werden.

Jedoch schreibt das Verbraucherportal Verivox: "Allein mit der Abschaffung der EEG-Umlage ist ein sozialverträglicher Klimaschutz in Deutschland nicht zu machen." Ein Wegfall der Umlage würde Haushalte entlasten, könnte die CO2-Mehrkosten aber nicht kompensieren. Aufgrund des steigenden CO2-Preises sei eine Klimaprämie nötig – ein Pauschalbetrag, den jeder Bürger vom Staat zurückbekommen könnte. Obwohl der Koalitionsvertrag so eine Prämie unter dem Namen "Klimageld" vorsieht, sind dazu noch keine genauen Pläne aus Habecks Ministerium gedrungen.

Die Abschaffung der EEG-Umlage sieht auch Paul Lehmann, Juniorprofessor für Umwelt- und Energieökonomik an der Universität Leipzig, eher als "sehr teure Symbolpolitik": Dabei handele es sich um Sozialpolitik "mit der Gießkanne", sagte er dem "Tagesspiegel", da davon auch solche Haushalte profitierten, die gar nicht bedürftig seien. Ähnliches könnte man auch bei einem Pro-Kopf-Klimageld befürchten.

Soziale Härten in Folge von Klimapolitik sollten nach Ansicht Lehmanns eher über eine angepasste staatliche Grundsicherung aufgefangen werden.

Weitere Maßnahmen

Aus Ministeriumskreisen heißt es, auch ein Konzept für sogenannte Differenzverträge könne am Dienstag verkündet werden. Über diese sollen Industrieunternehmen finanzielle Hilfen erhalten, um klimafreundliche Brennstoffe wie grünen Wasserstoff einsetzen zu können. Da grüner Wasserstoff sehr teuer ist, könnten Firmen die Mehrkosten so ausgleichen. Gerade den energieintensiven Industrien soll so im internationalen Wettbewerb mit weniger klimafreundlichen Staaten unter die Arme gegriffen werden. Zu den betroffenen Branchen zählen in Deutschland unter anderem die Baustoff-, Chemie-, Glas-, Papier- und Stahlindustrie.

Weitere Maßnahmen sollen das Sofortprogramm abrunden, darunter auch Gesetzesinitiativen aus anderen Ressorts – zum Beispiel aus dem Verkehrsministerium, das von FDP-Politiker Volker Wissing geführt wird.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • HR: "Klima gerettet, Kiffen erlaubt, Wahlrecht ab 16 – wie toll findet die Generation U30 den Ampel-Koalitionsvertrag?"
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