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Corona-Chaos in Deutschland: Die Booster-Regelungen der Bundesländer


Booster-Regelung
Nun machen die Bundesländer das Corona-Chaos perfekt

  • Jan Mölleken
Von Sebastian Späth, Jan Mölleken

Aktualisiert am 11.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Bundesländer mit uneinheitlichen Regelungen: Unter den steigenden Zahlen von Corona-Neuinfizierten sind auch viele Menschen, die bereits zweimal geimpft waren.Vergrößern des Bildes
Bundesländer mit uneinheitlichen Regelungen: Unter den steigenden Zahlen von Corona-Neuinfizierten sind auch viele Menschen, die bereits zweimal geimpft waren. (Quelle: Hannibal Hanschke/getty-images-bilder)

Die Corona-Zahlen steigen stark. Damit gibt es auch immer mehr Genesene. Doch gilt eine Infektion wie eine Auffrischungsimpfung? Die Antwort variiert von Bundesland zu Bundesland. Und auch technisch gibt es Probleme.

45.690 neue Infektionen gab es gestern – und damit 49,5 Prozent mehr als vor einer Woche. Das sind nur die offiziellen Corona-Zahlen. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß niemand genau. Aber es ist nicht ganz unrealistisch davon auszugehen, dass sich derzeit mehr als 100.000 Bürger täglich mit dem Virus infizieren.

Darunter sind auch viele Menschen, die bereits zweimal geimpft waren, also einen sogenannten Impfdurchbruch erleiden. Glaubt man Experten, wirkt die Infektion nach erfolgter Immunisierung wie ein Booster.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Antikörper-Schutz durch eine überstandene Corona-Infektion ähnlich gut wie der Schutz durch eine dritte Impfung. Studien aus Israel und Frankreich zufolge könnte er sogar noch höher sein.

Schutz vor erneuter Corona-Infektion

Man könnte also auf die Idee kommen, dass Menschen mit Impfdurchbruch den Geboosterten mindestens gleichgestellt sind; also etwa in Restaurants und Cafés, in denen bald 2G plus gelten soll, ebenfalls keinen aktuellen Negativtest vorlegen müssen.

Soweit die Theorie. Die föderale Praxis in Deutschland sieht anders aus. Auf die Frage, wann man eigentlich als geboostert gilt, herrscht große Uneinigkeit. Auch bei diesem Thema macht jedes Bundesland mal wieder, was es will.

In Thüringen beispielsweise zählen Grundimmunisierte mit überstandenem Impfdurchbruch als nicht geboostert. Vom Erfurter Gesundheitsministerium heißt es auf Anfrage von t-online: "Ein Genesenen-Nachweis bei vollständig Immunisierten ist nicht gleichwertig mit einer Booster-Impfung." Unter anderem Schleswig-Holstein handhabt es genauso.

Wirres Durcheinander beim Boostern

Wer sich hingegen zuerst eine Infektion einfing, bevor er sich seine Impfdosis abholte, gilt dagegen in beiden Ländern als geboostert. Genesen-Geimpft-Geimpft ist also nicht Geimpft-Geimpft-Genesen. Entscheidend ist demnach nicht die Zahl der Impfdosen, sondern der Zeitpunkt. Ergibt das Sinn?

Fragt man in den jeweiligen Gesundheitsministerien nach, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die Unterscheidung zwischen Genesung und Auffrischungsimpfung vorgenommen wird und warum eine dritte Impfung mehr als eine überstandene Infektion nach der Grundimmunisierung zählt, verweist etwa die Sprecherin in Thüringen auf eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Der Haken: Die Stiko hat sich nie zur Festlegung des Booster-Status geäußert, das liegt auch gar nicht in ihrer Zuständigkeit.

Regelung im Sinne der Genesenen

In anderen Ländern sieht es allerdings nicht viel besser aus als in Thüringen. Auch Baden-Württemberg stellt Geboosterte über Genesene, die doppelt geimpft sind. Allerdings sind genesene Personen, deren Infektion nicht länger als drei Monate zurückliegt, von der Testpflicht in der Gastronomie befreit. Unabhängig von ihrem Impfstatus.

In Sachsen-Anhalt bleibt es in der Gastronomie vorerst bei der 2G-Regelung. Dort wo 2G plus gilt, haben auch Geboosterte und Genesene die Pflicht zum Nachweis eines negativen Tests.

In Nordrhein-Westfalen und Berlin zerbricht man sich derzeit noch die Köpfe über eine rechtliche Festlegung des Booster-Status. Aus NRW heißt es, man arbeite "mit Hochdruck" an der Umsetzung. In Berlin will der Senat noch am Dienstag entscheiden. In Bayern steht bereits fest, dass das Kabinett am Mittwoch eine neue Regelung im Sinne der Genesenen verabschieden will.

Hamburg beurteilt Lage völlig anders

Zur Ehrenrettung des pragmatischen Regierens trägt vor allem Hamburg bei. "Wer nach einer vollständigen Impfserie infiziert und genesen ist, verfügt über ein der Auffrischungsimpfung vergleichbares, erhöhtes Schutzniveau. Der Nachweis über eine vollständige Impfung gilt daher zusammen mit einem danach ausgestellten Genesenennachweis wie eine Auffrischungsimpfung", heißt es von dort.

Nur: Wie kann es sein, dass Hamburg die Lage völlig anders beurteilt als Thüringen? Und wäre eine bundeseinheitliche Regelung nicht sinnvoll?

Das Bundesgesundheitsministerium wiegelt ab. Der Bund will den Ministerpräsidenten nicht reinreden und verweist auf Anfrage von t-online darauf, dass konkrete Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie grundsätzlich von den Ländern erlassen würden. Auch die Festlegung des Booster-Status falle darunter. Was wiederum bedeutet: Der deutsche Föderalismus hat auch zum Jahresanfang 2022 noch immer nicht spätestens da seine Grenzen, wo es wissenschaftliche Fakten gibt.

Ausbildung von Gedächtniszellen

Die Gesellschaft für Virologie hat sich erst kürzlich mit der Immunität von Genesenen befasst. "In einer Vielzahl von Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine SARS-CoV-2 Infektion beim Menschen zur Ausbildung immunologischer Gedächtniszellen führt, welche der eigentliche Schutzmechanismus des Immunsystems gegen eine erneute Erkrankung sind", so die Experten-Vereinigung.

In einer ersten Empfehlung vom September ging sie sogar von einem ein ganzes Jahr anhaltenden Schutz Genesener vor Reinfektionen und schweren Krankheitsverläufen aus. Nach neuen Studienergebnissen wurde dieses Urteil zwar relativiert. Aber weiterhin gilt: Eine überstandene Infektion führt wie eine Impfung zur Bildung von Antikörpern und damit zum Schutz vor Corona.

Probleme auch beim Covid-Pass

Doch dieses Durcheinander ist längst noch nicht alles. Um die Verwirrung perfekt zu machen, tut sich auch der digitale Covid-Pass mit dem Booster-Status schwer. Dieses Mal trifft es die Menschen mit dem Status Genesen-Geimpft-Geimpft, die nach übereinstimmender Meinung aller Bundesländer als geboostert gelten. Nicht aber für die CovPass-App.

Eigentlich reicht eine Impfdosis, damit zunächst Infizierte als vollständig immunisiert gelten. Nach der zweiten Dosis sind sie dann auf dem gleichen Stand wie alle dreimal Geimpften. Eigentlich. Denn der CovPass kommt da nicht mit. Die Anzeige der App weist die Auffrischungsimpfung bei Genesenen zusammen mit der ersten Impfdosis bloß als Impfung 2 von 2 aus. Damit fehlt den Betroffenen der Nachweis über den erhaltenen Booster.

Mehr Verwirrung geht kaum

Immerhin dieses Problem wurde erkannt. Ob es gelöst ist, sollte jeder für sich beurteilen. Denn ein Sprecher des Robert-Koch-Instituts (RKI) gibt folgende Empfehlung: "Zeigen Sie zusätzlich zum QR-Code Ihrer 2. Impfung in der App, dass Sie mit Ihrer ersten Impfung schon eine vollständige Grundimmunisierung hatten. Dies ist an der Zertifikatsnummer 1/1 zu erkennen. Klicken Sie dazu auf den QR-Code auf dem Startbildschirm oder auf den Button 'Zertifikate anzeigen' und weisen Sie in der Auflistung der Zertifikate auf Ihr Zertifikat mit der Nummer 1/1 hin. Falls nötig, können Sie zudem einen Nachweis über Ihre Genesung vorzeigen, bestenfalls ein digitales Genesenenzertifikat, alternativ einen Genesenennachweis oder einen positiven PCR-Test."

Verwendete Quellen
  • eigene Recherche
  • Anfrage an die Landesgesundheitsministerien und das Bundesgesundheitsministerium
  • Empfehlung der Gesellschaft für Virologie
  • Anfrage beim RKI
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