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Personalausfall wegen Corona: Alarm in der kritischen Infrastruktur


Personalausfall wegen Corona
Die ersten Ängste bei der kritischen Infrastruktur werden wahr

  • Annika Leister
Von Annika Leister

Aktualisiert am 18.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Protest gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin am Montag: Ginge es nach der Polizeigewerkschaft GdP, würden auch Corona-Proteste bald nicht mehr so eng begleitet wie bisher.Vergrößern des Bildes
Protest gegen die Corona-Maßnahmen am Montag in Berlin: Ginge es nach der Polizeigewerkschaft GdP, würden auch Corona-Proteste bald nicht mehr so eng begleitet wie bisher. (Quelle: A. Friedrichs/imago-images-bilder)

Zu viele Polizisten sind infiziert oder sitzen in Quarantäne – Berlin ruft deswegen "Pandemiestufe I" aus. Auch andere Branchen und Bundesländer zittern. Und bald droht die berufsbezogene Impfpflicht.

Benjamin Jendro ist kein ängstlicher Typ. Der langjährige Sprecher der Berliner Polizeigewerkschaft GdP ist große, kritische Lagen in der Hauptstadt gewöhnt. Zurzeit aber ist Jendro besorgt. Seit Wochen lässt er sich nämlich die Kranken- und Quarantänezahlen der Berliner Polizei und Feuerwehr durchgeben – und die Zahlen, die er seit Weihnachten erhält, gefallen ihm gar nicht. "Wir sind zurzeit noch dienstfähig", sagt Jendro t-online, "aber jeder Kollege, der fehlt, ist einer zu viel. Wir müssen das sehr genau im Blick behalten."

Der Expertenrat der Bundesregierung hat mit Blick auf die Omikron-Variante bereits im Dezember vor Ausnahmesituationen gewarnt. Zu viel Personal könne sich infizieren oder sich in Quarantäne begeben müssen, so das Gremium – bei Polizei und Feuerwehr, in Pflegeheimen und Krankenhäusern, in Wasser- und Stromwerken, in Handel und Logistik.

Dienstpläne wurden seither umgestellt, Kontakte reduziert. Derzeit sind die Infektionszahlen vor allem in den Stadtstaaten aber hoch – und bundesweit schlagen mehr und mehr Behörden und Branchen Alarm. Wo droht die kritische Infrastruktur in Gefahr zu geraten?

Mehr als 800 Berliner Polizisten fallen wegen Corona aus

881 Polizisten fallen derzeit laut GdP bei der Berliner Polizei wegen Corona aus. 571 sind infiziert, 310 sitzen in Quarantäne. Das sind mehr als drei Prozent der 26.000 Personen starken Belegschaft. Weitere zehn Prozent fallen laut Jendro ohnehin weg – der übliche Krankenstand in der hart beanspruchten Behörde in den Wintermonaten. Die Berliner Polizei nähert sich damit einem Personalausfall von 15 Prozent.

Die Polizeipräsidentin hat deswegen am Montag die "Pandemiestufe I" ausgerufen. Ein Krisenstab bündelt nun die interne Kommunikation und hält Überblick über den Krankenstand. Der Rest des Apparats konzentriert sich auf Kernaufgaben. Fortbildungsmaßnahmen werden – bis auf "systemrelevante" Fortbildungen wie das Schießtraining – reduziert oder ganz eingestellt. Eine Behörde im Notbetrieb light.

Ab 30 Prozent Personalausfall tritt Pandemiestufe II in Kraft, ab 50 Prozent Pandemiestufe III. Mit jeder Stufe werden mehr Tätigkeiten der Behörden heruntergefahren. Schon jetzt aber dringt die GdP darauf, weiter zu priorisieren und auch Einsätze einzuschränken, "um den Personalkörper nicht weiter zu gefährden", so Jendro. Sonst würden die Corona-Zahlen, die sich in den vergangenen Wochen zum Teil verdoppelten, weiter in die Höhe schnellen. "Denkbar wären der temporäre Wegfall von Streifen in den öffentlichen Verkehrsmitteln, von Durchsuchungen in Shisha-Bars oder von personalintensiver Begleitung von Corona-Spaziergängen." All das seien aufwendige Maßnahmen mit sehr direktem Kontakt zur Bevölkerung – und deswegen mit hohem Infektionsrisiko.

Feuerwehr droht mit Impfpflicht rund 20 Prozent Ausfall

Die Polizei ist allerdings Jendros kleinere Sorge, noch stärker im Fokus steht die Berliner Feuerwehr, deren Beschäftigte zum Großteil ebenfalls von der GdP vertreten werden. 119 Corona-Fälle verzeichnete die Behörde laut Senatsinnenverwaltung mit Stand vom 14. Januar, zusätzlich sitzen 104 Feuerwehrleute in Quarantäne. Niedrigere Zahlen als bei der Polizei. Bei nur 4.300 Feuerwehrleuten in der Hauptstadt insgesamt machen sich Ausfälle allerdings rasch bemerkbar.

Und das große Problem steht erst noch bevor: Ab 15. März tritt für die Feuerwehr eine berufsbezogene Impfpflicht in Kraft – wie dann genau mit Ungeimpften verfahren wird, ist noch unklar. Fest steht aber bereits: Auch sie werden zeitnah aus dem Dienstplan fallen, vielleicht auf Dauer. Am Stichtag würden ungeimpfte Feuerwehrleute dem Gesundheitsamt gemeldet, erklärt Jendro. "Ob man die Reaktion dann abwartet oder die Behörde eventuell gleich ein Berufsverbot ausspricht, wird sich zeigen."

"Wir können weder auf zwanzig noch auf zehn Prozent verzichten"

Die Impfquote bei der Berliner Feuerwehr beträgt derzeit laut Senatsinnenverwaltung rund 80 Prozent. Immerhin 86 Prozent sind es bei der Polizei. Mehr als in der Bevölkerung, aber nach wie vor zu wenig, befindet Jendro. Und er zweifelt daran, dass sich Impfzögerer und -verweigerer von der berufsbezogenen Impfpflicht im großen Stil überzeugen lassen. "Es ist fraglich, wie viele sich komplett verweigern – aber wir können weder auf zwanzig noch auf zehn Prozent verzichten." In jedem Fall rechnet Jendro mit mehr Krankmeldungen von Ungeimpften im März. "Das war auch der Fall, als bei der Polizei die 3G-Regel für Dienststellen eingeführt wurde."

Wesentlich entspannter klingt man in anderen Bundesländern. In Bremen, das derzeit mit 1.297 die höchste Inzidenz aufweist und damit noch vor Berlin liegt (962), verweist man auf die sehr hohe Impfquote bei Polizei und Feuerwehr: 97 und 94 Prozent. Bisher hätten präventive Maßnahmen – wie die Bildung von Kohorten, FFP2-Maskenpflicht und engmaschige Testungen – gute Wirkung gezeigt, heißt es von einer Sprecherin des Innenressorts. Derzeit seien bei der Berufsfeuerwehr 20 Personen, bei der Polizei 223 infiziert oder in Quarantäne. Wer könne, arbeite im Homeoffice.

Im Flächenstaat Bayern ist der Krankenstand in absoluten Zahlen höher: Hier sind 357 Polizisten an Corona erkrankt, 207 sind außerdem in Quarantäne. Das Staatsministerium für Inneres verweist auf Anfrage von t-online auf die hohe Impfquote von rund 93 Prozent – und die mit 44.000 Polizeibeamten große Personalstärke. Zur Feuerwehr liegen dem Ministerium keine Zahlen vor, sie werden kommunal erhoben.

Bürgermeister warnt vor Zusammenbruch in Pflegeheimen

Vor einer zu niedrigen Impfquote zittern gerade auch andere Branchen und ganze Bundesländer. Am Wochenende warnte Steffen Köcher, Geschäftsführer von drei Pflegeheimen im sächsischen Freiberg, mit Blick auf die bald greifende einrichtungsbezogene Impfpflicht vor einem bedrohlichen Personalverlust.

Der Freiberger Oberbürgermeister Sven Krüger beziffert den Anteil der Ungeimpften in Pflegeheimen in seiner Stadt derzeit noch immer auf 30 Prozent – und warnte: Mit nur 70 Prozent des bisherigen Personals werde es nicht möglich sein, voll belegte Heime zu versorgen. Schon jetzt gebe es deutlich weniger Personal als zu Beginn der Pandemie.

Sachsen ist Schlusslicht bei der Impfquote in Deutschland. Laut Robert Koch-Institut genießen nur 61,9 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständigen Impfschutz. Bundesweit sind es 72,8 Prozent. Immerhin verzeichnet die Polizei in Sachsen derzeit keine hohen Ausfälle. Nach Horrormeldungen im November und Dezember, als Hunderte Beamte in Quarantäne saßen, scheint sich die Lage vorerst normalisiert zu haben: 202 Bedienstete fallen bei der Polizei derzeit wegen Infektion oder Quarantäne aus, das macht bei 11.350 Beamten 1,7 Prozent.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Benjamin Jendro, GdP
  • Anfragen an Berliner Senatsverwaltung, Innenressort Bremen, Staatsministerium für Inneres Bayern, Sächsisches Staatsministerium des Inneren
  • Mit Material von dpa
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