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AfD und die Hochstapler-Affäre: Weidel gerät in die Schusslinie


Hochstapler-Affäre in der AfD
Böses Blut an der Basis

  • Annika Leister
Von Annika Leister

31.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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Alice Weidel: Sie steht parteiintern in der Kritik. (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON)

Mit einer laschen Prüfung will die AfD-Spitze die Hochstapler-Vorwürfe gegen zwei ihrer Europa-Kandidaten aus der Welt schaffen. Doch in Ost wie West laufen Basis und Funktionäre dagegen Sturm.

Ein bisschen Aufklärung, ja, aber bitte nicht zu viel davon – so wollte die AfD-Spitze vergangene Woche die Hochstapler-Vorwürfe gegen zwei ihrer Kandidaten für die Europawahl 2024 aus der Welt räumen.

Doch ein Teil der Basis will sich nicht mit "ein bisschen Aufklärung" zufriedengeben. Mitglieder und Funktionäre in Ost wie West protestieren zurzeit gegen die eigenen Kandidaten und gegen den eigenen Vorstand – mit Unterschriftenlisten und geheimen Beschlüssen. Das bringt mit Alice Weidel und Dennis Hohloch gleich zwei Mitglieder des Bundesvorstands zunehmend in Bedrängnis.

Beschluss mit Schlupflöchern

Der Grund für den Protest: Der Vorstand reagierte am Montag vergangener Woche auf massiven Druck der Basis. Nach immer neuen Enthüllungen von t-online zu Arno Bausemer (Listenplatz 10) und Vorwürfen von Parteikollegen gegen Mary Khan-Hohloch (Listenplatz 14) entschied er: Einige Angaben aller 35 AfD-Kandidaten, die Anfang August in Magdeburg gewählt wurden, sollen bis zum 11. September nochmals überprüft werden. Am 18. September will sich der Vorstand dann damit befassen.

Was zuerst nach einem strengen Beschluss der Spitze, nach einem "Aufräumen!" klingt, lässt in Wirklichkeit erhebliche Lücken offen. So sollen die Kandidaten zwar Belege erbringen für den angegebenen Studien- oder Berufsabschluss sowie in ihrer Rede in Magdeburg getroffene Aussagen zum Lebenslauf. Unüberprüft aber bleiben ihre Angaben aus dem Online-Bewerbungsbogen und – in der AfD eine wichtige Frage im Bewerbungsprozedere – zur Berufserfahrung außerhalb der Politik.

Punkte, bei denen Bausemer nicht wahrheitsgemäß antwortete und Khan-Hohloch im gleichen Verdacht steht. Punkte, die an der Basis für böses Blut sorgen.

Kräfte in Ost wie West protestieren

Schon gleich nach dem Beschluss der Spitze war die Kritik in den Chatgruppen der Partei harsch, die Wut groß. Nun laufen auf unterschiedlichen Ebenen Kräfte in Ost wie West Sturm gegen die lasche Überprüfung, die dem Vorstand vorschwebt.

In Mary Khan-Hohlochs Verband Brandenburg stemmt sich der Landesvorstand um Birgit Bessin gegen den Beschluss der Bundesspitze. Öffentlich gab der Landesvorstand bekannt, dass er selbst Belege seiner Kandidatin zu ihrem Studium unter die Lupe nehmen wolle – und zwar rascher als der Bundesvorstand. Er setzte Khan-Hohloch eine Frist bis zu diesem Samstag, den 2. September, um ihr Studienabschlusszeugnis einzureichen. Schon am Tag darauf wolle die Brandenburger Spitze sich in ihrer Sitzung mit dem Thema befassen.

Pikant: Nach Informationen von t-online will der Brandenburger Landesvorstand nicht bloß den Nachweis zu Khan-Hohlochs Studienabschluss. Er fordert außerdem auch Belege zu ihrer Angabe, sie habe außerhalb der Politik vier Jahre Berufserfahrung erworben. Ein geheimer Versuch, die Lücken zu schließen, die der Beschluss des Bundesvorstands gelassen hat.

"Glaubwürdigkeit der AfD steht auf dem Spiel"

Am späten Mittwochabend erreichte den Bundesvorstand außerdem ein Protestbrief, lanciert aus dem Südwesten der Republik, unterschrieben von rund 60 Mitgliedern bundesweit. Der Brief liegt t-online vor, die Pressestelle der Partei bestätigt den Erhalt. Darin beklagen die Unterzeichner: Der Beschluss des Bundesvorstands werde von vielen Mitgliedern als "Versuch der Zeitgewinnung" empfunden.

Angaben auf der Online-Bewerberseite zur Kandidatenwahl, zu Arbeitsreferenzen sowie zur Berufserfahrung außerhalb der Politik würden nicht geprüft, heißt es im Brief weiter. Zu spät wolle sich der Vorstand über das Ergebnis informieren, bereits zuvor laufe die Frist zur Wahlanfechtung aus. Dabei habe Khan-Hohloch sogar für Weidel gearbeitet – ihre Qualifikation sollte dem Vorstand also ohnehin bekannt sein, vermuten die Verfasser.

Zweifel hat man außerdem offensichtlich an der Unabhängigkeit der vom Bundesvorstand berufenen Vertrauenspersonen, die die Prüfung vornehmen sollen. Vertrauensmann Christoph Basedow sei angestellter Anwalt in der Kanzlei des AfD-Bundestagsabgeordneten Enrico Komning, "deren Rechtsanwälte auch von der AfD Aufträge erhielten", heißt es dort – also vom Bundesvorstand. Tatsächlich vertrat Basedow die Partei bereits in zahlreichen großen Verfahren, unter anderem im Streit um die Strafzahlungen wegen der Spendenaffäre um Parteichefin Alice Weidel.

Die Unterzeichner des Protestbriefs appellieren deswegen an den Vorstand, "diese parteischädigenden Vorgänge" sowie die öffentlichen Diskussionen darum schleunigst zu beenden. "Die Glaubwürdigkeit der AfD steht auf dem Spiel."

Hohloch und Weidel in der Schusslinie

Wie fast immer in der Politik, besonders aber in der AfD, hat der Protest nicht bloß inhaltliche, sondern auch machtstrategische Gründe. Vor allem der Fall Mary Khan-Hohloch, der bisher rein auf Vorwürfen und Vermutungen von Parteikollegen beruht, hat potenziell das Zeug dazu, zwei mächtige Personen in der AfD nachhaltig zu beschädigen: Parteichefin Weidel sowie Khan-Hohlochs Ehemann und AfD-Vorstandsmitglied Dennis Hohloch.

Weidel wird vorgeworfen, ihre (Ex)-Mitarbeiterin Khan-Hohloch bereits in Magdeburg trotz Bedenken im Plenum als Kandidatin unterstützt zu haben und nun weiter zu schützen. Noch größer ist in der AfD die Skepsis gegen Hohloch: Ohne seinen Einfluss bei den Absprachen zur Kandidatenaufstellung wäre seine Ehefrau gar nicht erst auf dem aussichtsreichen und hart umkämpften Platz gelandet, munkeln viele hinter vorgehaltener Hand.

Ob etwas und wie viel dran ist an diesen Vorwürfen, lässt sich abschließend noch nicht bewerten. Fest steht aber: Kritiker von Weidel und Hohloch bringen sich derzeit in Stellung. Der Protestbrief mit den 60 Unterschriften wurde in Baden-Württemberg gestartet – Weidels Heimat-Landesverband, in dem viele ihrer härtesten Kritiker sitzen.

In Brandenburg hingegen gärt seit Jahren ein Lagerkampf, der vor der Landtagswahl im nächsten Jahr gerade auf neue Höhepunkte zusteuert. Unter anderem wurde in dieser Woche bereits eine Kampfkandidatur um den ersten Listenplatz angekündigt. Auf der einen Seite steht dabei das Lager um die Landesvorsitzende Bessin, auf der anderen das Lager rund um Hohloch und den Bundestagsabgeordneten René Springer. Hohloch zu beschädigen, dürfte einigen da mindestens gelegen kommen.

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Showdown am Wochenende?

Abhilfe könnte Transparenz schaffen, die seit Wochen im Raum stehenden Vorwürfe vollumfänglich auszuräumen. Danach aber sieht es zurzeit nicht aus: Dennis Hohloch kündigte bereits an, seine Ehefrau werde sich nicht dem Beschluss aus Brandenburg, sondern lediglich dem des Bundesvorstands beugen, berichtet der RBB. Das Brandenburger Bessin-Lager zeigt sich von Hohlochs Worten unbeeindruckt, reagierte darauf gar nicht, hält also an seiner Forderung wie Frist fest.

Mary Khan-Hohloch selbst schweigt derweil, auf Anfragen von t-online erfolgte bisher keine Reaktion. Eigentlich sollte sie am Mittwochabend an einer Veranstaltung in Mecklenburg-Vorpommern teilnehmen und mit den AfD-Bundestagsabgeordneten Enrico Komning und Ulrike Schielke-Ziesing in einer urigen Gaststätte diskutieren. Mit t-online hatte mindestens ein Medium sein Kommen angekündigt.

Am Mittwochnachmittag aber heißt es von Veranstalter Komning auf Nachfrage von t-online: "Frau Khan-Hohloch hat aus persönlichen Gründen die Veranstaltung abgesagt."

Am Samstag läuft die Frist des Landesvorstands Brandenburg aus. Wie er reagieren wird, wenn Khan-Hohloch seiner Forderung nicht nachkommt, ist unklar. Schweigen aber dürfte dann nicht mehr genügen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • rbb.de: "AfD prüft Studienabschluss von Europawahl-Kandidatin Khan-Hohloch"
  • welt.de (2021): "Auf Weidels Wahlkampf liegt nun eine schwere Hypothek"
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