Verbot von Magazin vor Gericht "Compact"-Chef empfiehlt den Richtern YouTube

Die Argumente für und gegen ein Verbot des rechtsextremen "Compact"-Magazins sind ausgetauscht, die Bundesrichter beraten jetzt. In 14 Tagen kommt das Verbot – oder es erledigt sich endgültig.
Die Zukunft für das rechtsextreme Magazin "Compact" entscheidet sich am 24. Juni: Nach zwei Tagen Schlagabtausch zwischen den Anwälten von Bundesinnenministerium und von Jürgen und Stephanie Elsässer will das Bundesverwaltungsgericht sich beraten und dann seine Entscheidung verkünden, wie der Vorsitzende Richter Ingo Kraft am Mittwoch erklärte.
Nachdem am ersten Prozesstag das Ehepaar Elsässer bereits erklärt hatte, "Compact" habe sich "überhöht" und mit einzelnen Aussagen auch PR betrieben, um Zuschauer, Leser und Spender zu gewinnen, ging es am Mittwoch um eine Vielzahl einzelner Aussagen, über die dann jeweils beide Seiten diskutierten: Sind belastende Zitate Beleg für verfassungsfeindliche Gesinnung? Und taugen von "Compact" vorgebrachte Zitate dazu, das Gegenteil zu zeigen?
Eine besondere Bedeutung kommt dem Verhältnis der "Compact"-Macher zu dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner zu. Die Leitfigur der Identitären Bewegung ist der radikalste Vertreter des ethnopluralistischen Weltbilds, in dem Völker möglichst unter sich bleiben sollen. Es sei zu klären, inwieweit die Kläger sich dessen Konzept zu eigen machten – und in welcher Form, erklärte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft. Stephanie Elsässer berichtete aus einem Gespräch mit Sellner: "Er glaubt, dass Weltfrieden nur zustande kommt, wenn die Völker unter sich bleiben."
In Sellners Ideologie passen Begriffe oder Aussagen wie "Passdeutsche", "Volksaustausch", "Vernichtungsschlag gegen das deutsche Volk" oder "Deutscher ist ein Mensch mit deutscher Herkunft". Aus Sicht des Bundesinnenministeriums belegen diese, dass die "Compact"-Macher eine "absolute Homogenität oder eine Rettung der interkulturellen Identität des deutschen Volkes" anstreben. Vorgebracht wurde auch eine Aussage von "Compact"-Mitarbeiter Paul Klemm, der sich in einem abgehörten Telefonat auf eine "Remigrations"-Kundgebung der Identitären in Wien freute: "Wir müssen die Kanaken ja mal loswerden."
Sellner soll junges Publikum bringen
"Compact"-Chefredakteur Jürgen Elsässer erklärte, Identitären-Führungsfigur Sellner sei regelmäßig Autor bei "Compact", "weil er uns ein junges Publikum zuführt". Sellner hatte im November 2023 an dem sogenannten "Geheimtreffen" rechter Kreise in Potsdam teilgenommen. In die Schlagzeilen geriet das Treffen unter anderem wegen des Begriffs "Remigration". Sellner, der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, hatte dort den Begriff verwendet. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.
Elsässer ging auf Distanz: Eine Videoreihe von Sellner zum Thema habe er gar nicht selbst gesehen. Was ihm dazu zugetragen worden sei, habe ihn misstrauisch gemacht. "Da kann ich sagen, das ist nicht meine Meinung." Er schätze Sellner als Mensch, als Charakter und halte ihn für mutig und unbestechlich. In der Praxis sei der Österreicher ein Held, das betreffe aber nicht seine Theorien.
"Aus Gründen der journalistischen Fairness" habe man aber entschieden, "dem Verfemten (Geächteten) eine Stimme zu geben." Bei "Compact" gab es deshalb eine Sonderausgabe nach der Veröffentlichung des Treffens, sagte Elsässer. Auch "exklusiv für 'Compact'" produzierte Video-Inhalte von Sellner wurden auf dem Online-Portal von "Compact" veröffentlicht.
"Compact" hält eigene Seite für unwichtig
Darauf verwies auch der Prozessvertreter des Bundesinnenministeriums (BMI), Wolfgang Roth. Dadurch entstehe eine "inhaltliche Zurechenbarkeit". Elsässer redete das mit Verweis auf die Reichweite klein und gab Einblicke in Zahlen: Das Heft verkaufe sich 40.000-fach im Monat, die Internetseite habe im Monat 600.000 Zugriffe. Reichweitenstark sei YouTube, wo man im Monat 30 Millionen Zugriffe erziele. Von dem Kanal, wo Live-Gespräche erscheinen, habe man ihn ferngehalten.
In der Existenz des YouTube-Kanals sah Elsässer eine Art Gütesiegel. Einerseits gebe es wegen "Compact"-Inhalten kein Strafverfahren, andererseits sei der Kanal nicht mal von YouTube gesperrt worden, das bei Hass-Rede besonders kritisch sei. Deshalb sei es völlig absurd, "Compact" zu verbieten.
BMI-Anwalt Wolf ließ das nicht gelten: "Hier geht es darum, dass Inhalte gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. YouTube sieht nicht seine Aufgabe in deren Schutz."
Für das Gericht geht es aber nicht nur darum, wie sehr die vorgebrachten Argumente das Verbot stützen. Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Magazin am 16. Juli 2024 verboten und es als "zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene" bezeichnet. Die "Compact"-Anwälte vertreten auch die Rechtsauffassung, dass sie das gar nicht durfte. In den Pressegesetzen sei kein Totalverbot eines Mediums vorgesehen. Das Ministerium hat Elsässers GmbH mit ihren Mitarbeitern als Vereinigung verboten und dazu das Vereinsgesetz genutzt.
Das Gericht ist in erster und letzter Instanz für Klagen gegen Vereinsverbote zuständig. Elsässer bliebe jedoch noch der Gang nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht. Dies hätte aber keine aufschiebende Wirkung.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa