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AfD: Machtkampf zwischen Krah und Aust – Björn Höcke ergreift Partei


AfD-Machtkampf
Krah gegen Aust: Höcke greift ein


Aktualisiert am 13.06.2024Lesedauer: 7 Min.
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Krah und Aust: Um die beiden Politiker tobt ein Machtkampf in der AfD.Vergrößern des Bildes
Maximilian Krah (l.) und René Aust: Um die beiden Politiker tobt ein Machtkampf in der AfD. (Quelle: dpa/Carsten Koall, IMAGO/Bernd Elmenthaler, )

Der eine wurde zum Jugendidol stilisiert, der andere als der Königsmörder präsentiert: Maximilian Krah und René Aust stehen nach der Europawahl als Gegenspieler in der AfD da und agieren völlig gegensätzlich.

Maximilian Krah will sich als Mann präsentieren, der Wort hält. Auch wenn er als vermeintliches Zugpferd der AfD jetzt nicht der Gruppe der Partei im Europaparlament angehört: Die Wähler seien doch gar nicht betrogen worden. Sie bekämen ihn ja, selbstbewusst und unverbogen, erzählte er in einem am frühen Donnerstag veröffentlichten Interview. Sein Gegenspieler hat auch ein Statement versprochen, wollte dann aber doch nicht reden.

René Aust ist der Leiter der Delegation, die den früheren EU-Spitzenkandidaten Krah ausgeschlossen hat, und damit der neue vermeintlich starke Mann der AfD im Europaparlament. Er ließ eine mit Spannung erwartete Erklärung am Mittwochabend ausfallen: "Ich wurde darum gebeten, mich nicht am öffentlichen Schauspiel zu beteiligen", entschuldigte er sich – Schweigen aus Parteidisziplin, während Krah mit gemäßigten Worten den Rambo gibt.

Seit der EU-Wahl am vergangenen Wochenende tobt ein offener Machtkampf in der Europa-Delegation der AfD: Es geht um Krah und um die Ausrichtung. Aust gilt im Krah-Lager als "Verräter" und steht unter großem Druck. Doch auch das Krah-Lager bekam plötzlich Gegenwind von unerwarteter Seite – ausgerechnet von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, der bislang Maximilian Krah unterstützt hat.

Der "Verrat" – die Ausgangslage

Beim ersten Treffen der neu gewählten Abgeordneten hatten am Montag acht Parlamentarier dafür gestimmt, Krah aus ihrer Gruppe auszuschließen, vier dagegen, drei enthielten sich. Bereits kurz vor der EU-Wahl hatte die AfD-Führung den Dresdner Krah aus dem Wahlkampf genommen, nachdem seine Kontakte zu möglichen Spionen Chinas und Russlands öffentlich bekannt geworden waren und er sich in einer italienischen Zeitung relativierend über SS-Soldaten geäußert hatte.

Krah ist nach der EU-Wahl also von der Partei offiziell zunächst abgemeldet, geht aber trotzdem offensiv an die Öffentlichkeit. Auf sein angekündigtes Interview bei dem rechtsextremen österreichischen Portal AUF1 hatten in der Partei viele gewartet. Donnerstagfrüh wurde Krah darin dann deutlich.

Der "Verrat" – Krahs Sicht

Vom Flughafenterminal aus sprach er von einem "Akt erstaunlicher politischer Blindheit", nach dem "unfassbaren Erfolg gerade bei Jungwählern dann den Spitzenmann herauszukegeln". Er und seine Unterstützer sehen es vor allem als sein Verdienst, dass die AfD unter Jungwählern stark zugelegt hat. Sie sprechen nun von "Verrat" an den Wählern.

Er selbst geht auf die Rolle kaum ein, die ihn zum Verlierer machen würde: Es sei "Irrsinn, dass man den Spitzenkandidaten der erfolgreichsten AfD-Kampagne seit Bestehen der Partei demontiert" habe. Er sagt, es sei kein Wähler betrogen worden, weil er keine Kompromisse eingehe: "Ich bin im Europäischen Parlament. Also, das, was versprochen ist, wird jetzt von Maximilian Krah auch eingehalten." Klare Breitseite gegen die Partei: Während er dafür stehe, in Brüssel den "Wählerwillen ernst zu nehmen", habe die Mehrheit der Kollegen sich überzeugen lassen, dass es "auch unter Aufgabe von AfD-Positionen" einen anderen Weg gebe.

Der "Verräter"

An die Spitze der verbliebenen Abgeordneten ließ sich René Aust wählen – und ist damit für Krah-Anhänger nun der Buhmann: Social-Media-Akteur Erik Ahrens, der hinter Krahs TikTok-Strategie steckt und eine Schnittstelle ist zum "Vorfeld" der Partei – das sind teils trollartig auftretende Netzwerke – mobilisierte auf der Internetplattform umgehend: "Feuer frei". Weil die Gruppe so lautstark auftritt, Reichweite schaffen, Trends setzen und auch aggressiv Gegner zum Verstummen bringen kann, halten die Mitstreiter sich für wichtig und mächtig. Und glauben auch, das Recht zu haben, ihre Forderungen in der AfD durchzusetzen. Diverse Accounts mit großer Reichweite griffen Aust in den vergangenen Tagen an – bis hin zur Forderung, ihn abzuschieben.

Ahrens sagte, Aust habe zwar auf Geheiß der in seinen Augen schlecht angreifbaren Weidel gehandelt, stehe aber allein und ohne Rückhalt da, sei weich und zahnlos und habe "alles verloren". Krah selbst sagte im Interview über den Rivalen nur: "René Aust ist ein ehrenwerter Mann". Das vermeintliche Lob könnte eine Anleihe des sehr gebildeten Krah bei Shakespeares Drama "Julias Caesar" sein: "Ehrenwerter Mann" nennt dort Marcus Antonius mehrfach Brutus, nachdem dieser den Verrat an Caesar begangen und den Staatsmann mit Komplizen ermordet hat. In seiner Rede ans Volk überzeugt Antonius die Zuhörer davon, dass das Gegenteil von "ehrenwerter Mann" gemeint ist.

Krah brachte nebenbei einen weiteren Namen ins Spiel: Der "neugewählte Abgeordnete Hans Neuhoff" habe den Antrag gestellt, Krah auszuschließen. Neuhoff steht schon im Fokus des "Vorfelds", weil er sich in NRW für den Ausschluss des extrem rechten Abgeordneten Matthias Helferich einsetze.

Der "Verrat" – Austs Sicht

Der am Pranger stehende Aust hatte angesichts der Kampagnehree gegen sich am Mittwoch reagieren und sich eigentlich ausführlich erklären wollen. In einem "Gruß aus Brüssel" wollte er eine Einordnung zu den Geschehnissen vom Montag liefern und "Absprachentreue und 'Verrat'" ansprechen. Er hatte "nachprüfbare Fakten statt Legendenbildung" angekündigt.

In der AfD wurde mit Spannung auf die für 21 Uhr angekündigte Stellungnahme am Mittwoch gewartet. Aber Aust ließ sie ausfallen – öffentliche Aus(t)zeit statt seiner Sicht der Dinge. Grund könnte die strategische Überlegung gewesen sein, nicht als Krawallmacher dazustehen. Dazu passt seine Erklärung: "Wir brauchen als Partei nicht noch mehr Spektakel. Zum Wohle der AfD werde ich mich zurückhalten." Bei Krah-Unterstützern stand er nun zunächst noch schwächer da.

In deren Richtung blieb ihm nur die Botschaft eines Fotos, das er gepostet hatte. Es zeigt ihn mit Maximilian Krah und Björn Höcke. Offenbar ein Bild zur Beruhigung, dass es einen großen gemeinsamen Plan gebe. Höcke hatte sich auch kurz vor der Wahl für Aust starkgemacht, der zudem aus seinem Thüringer Landesverband kommt und ein für Höcke wichtiges Rentenkonzept erstellt hat. Und tatsächlich sprang Höcke ihm nun überraschend bei.

Der "Verrat" – Höckes Eingreifen

Am Donnerstag, einige Stunden nachdem Krah das Video mit dem AUF1-Interview veröffentlicht hatte, reagierte Höcke – und das deutlich: Gemeinsam mit Thüringens Co-AfD-Landessprecher Stefan Möller verurteilte er die "durch einen Unterstützer von Maximilian Krah initiierte, zutiefst ehrenrührige Kampagne" gegen Aust. Es sei "besonders enttäuschend", dass der Vorwurf des "Verrats" durch Krahs Schweigen mitgetragen werde. Sie erinnern Krah, "dass sein sächsischer Landesverband ebenso wie unserer vor einer entscheidenden Wahl steht": Krah wird also als Gefahr für den Wahlerfolg gesehen. Der frühere AfD-Politiker Marcus Pretzell, einst AfD-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen und Europaabgeordneter, kommentierte auf X: "Höcke hat Krah gekillt."

Die Jagd auf Aust

Krah weist die Verantwortung für die Attacken auf Aust von sich – und befeuert indirekt den Streit: Man müsse Verständnis haben, wenn "insbesondere junge Wähler von uns sehr enttäuscht sind". Schließlich hätten diese die große Erwartung gehabt, "dass wir nicht am Tag nach der Wahl alles, was wir vorher versprechen, vergessen." Krah – auf dem Egotrip, ohne Rücksicht. Es sei doch auch "wunderbar", dass "der Politiker jetzt endlich mal haftbar [ist], weil er eben Druck kriegt. (...) Wer sich wählen lässt, ist verantwortlich."

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Höcke wiederum kritisiert in der Stellungnahme nicht nur die Attacken auf Aust, sondern bemängelt auch die Unterstützung durch die Bundesspitze: Es sei "enttäuschend", dass von dort "drei Tage nach Beginn der Kampagne nicht die Gelegenheit genutzt wurde, dem Vorwurf des 'Verrats' zu widersprechen". Thüringens AfD-Spitze "erwartet, dass die Kampagne (...) umgehend eingestellt wird und zur Sachlichkeit sowie Ehrlichkeit zurückgekehrt wird."

In dem Interview zumindest gab Krah sich auch besänftigend: Er wolle "versuchen", mäßigend einzuwirken und sich auch noch mal in einem Video an die Jungwähler wenden und da sagen: "Auf jeden Erfolg gibt’s auch mal einen Rückschlag. Politik ist ein Marathon und kein Sprint." Auf den Rückschlag vom Montag dürfte mit der Höcke-Stellungnahme für ihn der nächste gefolgt sein.

Die nahe Zukunft

Am Donnerstag wurde bekannt, dass die ID-Fraktion die AfD auch weiterhin nicht aufnehmen will. Der Ausschluss von Krah aus der Delegation hat also nichts gebracht – das ist ein Punkt für Krah. In seinem Interview hatte er zuvor noch geätzt: Er stehe dafür, "weniger Kompromisse" einzugehen und den "Wählerwillen ernst zu nehmen in Brüssel, aber die Mehrheit der Kollegen habe sich überzeugen lassen, dass es da einen anderen Weg zurück gebe, eben auch unter Aufgabe von AfD-Positionen". Krah unterstellte damit der Delegation indirekt, den Wählerwillen zu verraten, während er selbst standhaft bleibe.

Und er hielt ihnen vor, durch seinen Ausschluss keineswegs in einer besseren Situation zu sein "Es gibt 15 fraktionslose AfD-Mitglieder im Europäischen Parlament, von denen jetzt 14 einmal die Woche eine Sitzung haben, um sich untereinander abzustimmen." Weil sie keine Delegation oder Fraktion bildeten, hätten sie nicht mehr Planstellen, kein Sekretariat, keinen Pressesprecher, kein Budget. "Das wäre anders, wenn diese 14 jetzt in die ID zurückkämen. Das wird nicht passieren, soweit wage ich mich aus dem Fenster." Stunden später kam dafür die Bestätigung.

Und noch einmal Stunden später kam dann die Höcke-Klarstellung: "Aust vertritt in Brüssel einen dezidiert deutschen Standpunkt und nimmt eine deutsche geostrategische Position ein. Er verhandelt nicht als Bittsteller mit den Delegationen der anderen Nationen."

Die weitere Zukunft

Krah hatte angekündigt, sich vorstellen zu können, sich auch allein einer anderen Fraktion anzuschließen. Das könnte jetzt noch wahrscheinlicher werden, wenn er nicht einlenkt. Im Interview sagte er: "Wenn eine Partei in einer Fraktion dabei ist oder sich einer Fraktionsgemeinschaft anschließt, dann gibt’s eine Verpflichtung, mitzumachen. Aber es gibt keine Verpflichtung, fraktionslos zu sein." Es sei sicherlich nicht sein Ziel, fünf Jahre fraktionslos zu bleiben. Derzeit gebe es aber keine Fraktion, der er sich anschließen werde.

Krah erklärte, es brauche einen kühlen Kopf, Versöhnlichkeit, Brücken. Er hoffe, dass die anderen AfD-Abgeordneten sich "überzeugen lassen, dass die politischen Ideen, für die wir gewählt wurden, es wert sind, sie auch in Brüssel zu vertreten und nicht falsche Kompromisse zu schließen." Die anderen sollten mehr wie Krah werden, so sieht er das.

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