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Robert Habeck erklärt seine Kanzler-Kandidatur im Bewerbungsvideo


In Küchentisch-Video
"Die Stimmung ist gereizt": Habeck erklärt seine Kandidatur

Von t-online, jha

Aktualisiert am 08.11.2024Lesedauer: 2 Min.
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Sehen Sie die Begründung für seine Kandidatur im Video. (Quelle: t-online)
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Der Wirtschaftsminister hat den offiziellen Wahlkampf begonnen. Das Bewerbungsvideo ist betont privat und nahbar.

Robert Habeck hat sein erstes Wahlkampfvideo auf seinen neuen Internet-Profilen hochgeladen. Es hat den Titel: "Meine Bewerbung als Kandidat für die Menschen in Deutschland", doch das Wort "Kanzlerkandidat" nimmt er dabei nicht in den Mund.

Habeck sitzt in dem Video in vermeintlich privater Atmosphäre "bei Freunden in der Küche" und erklärt seine Bewerbung als Kandidat von den Grünen "für die Menschen in Deutschland". "Wenn Sie wollen, auch als Kanzler. Aber das ist nicht meine, das ist Ihre Entscheidung. Nur Sie können das entscheiden", schiebt der Vize-Kanzler hinterher.

Die Bedeutung des Küchentischs

Habeck erklärt, dass er "an einem Küchentisch wie diesem" vor 22 Jahren entschieden habe, "in eine Partei einzutreten". Jetzt sei "Etwas ist ins Rutschen geraten. Die Stimmung im Land ist gereizt, bedrückt", analysiert Habeck. In diesen "unruhigen Zeiten" stehe er nun "wieder vor einer Entscheidung". Er wolle einen Beitrag leisten, um "Sorgen zu lindern", das friedliche Zusammenleben zu fördern und die Gesellschaft vor "der nächsten Hitzewelle und Hochwasser" zu schützen.

Die Grünen befinden sich in einem Stimmungstief. Laut einer neuen Umfrage von RTL käme Habecks Partei derzeit auf 11 Prozent. "Natürlich kenne ich die Umfragen", räumt Habeck ein. Die Ampelregierung sei gescheitert und "Vertrauen kaputtgegangen". "Ich weiß, einen Führungsanspruch muss man sich erarbeiten. Ich will ihn mir erarbeiten", tönt Habeck.

"Erstmal zuhören"

Deshalb wolle er den Menschen "erstmal zuhören". Dadurch komme er vielleicht auf Ideen, auf die er sonst nie gekommen wäre, hofft Habeck. "Vielleicht reden wir am Küchentisch. Ich fände es schön, Sie laden mich ein, und wann immer die Zeit es zulässt, baue ich Küchentisch-Gespräche in meinen Alltag ein, bevor der Wahlkampf so richtig losgeht", verspricht der Vize-Kanzler.

In dem Video präsentiert sich Habeck als nahbarer Kandidat im Gegensatz zu Scholz und Merz, die er beide nicht erwähnt. Abschließend gesteht Habeck ein, dass die letzten drei Jahre der Ampelkoalition "schwierige Jahre" gewesen sein. "Und ich will ehrlich sein: Sie sind noch nicht vorbei. Ich verspreche nicht, dass wir keine Zumutungen mehr erleben werden", sagt er.

"Kurs halten beim Klimaschutz"

Programmatisch bleibt Habeck vage. Er wolle nach vorn blicken, denn "Wer Lösungen in der Vergangenheit sucht, vergeht sich an der Zukunft unseres Landes", so Habeck. Außerdem fordert er Investitionen in Infrastruktur, Bildung sowie "Kurs halten beim Klimaschutz". "Sowohl die Klimakrise wie auch der notwendige Klimaschutz verändern unser Leben. Aber Klimaschutz muss für Sie im Alltag funktionieren. Und er funktioniert nur, wenn wir uns auch um die soziale Frage kümmern."

Videotranskript lesenEin- oder Ausklappen

"Ich bin hier bei Freunden in der Küche. An Tischen wie diesem kommen Menschen zusammen. Sitzen Millionen von Ihnen, von Euch morgens früh beim Kaffee. Hören Radio, lesen Nachrichten in der Zeitung oder im Handy. Ich auch.

Vor zwei Tagen, als die Nachrichten vom dräuenden Wahlsieg Donald Trumps kamen. Am Morgen vor bald drei Jahren, als Russland die Ukraine angriff und der Krieg nach Europa zurückkehrte.

Die Krisen dieser Welt dringen in unseren Alltag vor. Putins Krieg hat die Inflation nach Deutschland gebracht – und das Leben, Ihr Leben, Euer Leben,
viel teurer gemacht. Nach Trumps Sieg schrieben mir viele Menschen, wie verunsichert sie sind. Dass sie sich fragten, was das für Europa, für Deutschland, für unsere Sicherheit, unsere Wirtschaft, unsere Demokratie bedeutet. Und – ja – der bittere Bruch der Regierungskoalition vorgestern.

Eine Koalition, die ich als Vizekanzler, als Minister mit verantwortet habe.
Deren Entscheidungen und deren Streit sicher an etlichen Küchentischen für
Debatten gesorgt haben.

Und an einem Küchentisch wie diesem habe ich vor 22 Jahren gesessen und mich entschieden, in eine Partei einzutreten. Weil mich das, was in unserem
Land geschieht, etwas angeht. Weil ich mich kümmern wollte. Einbringen, etwas bewirken. Seit damals hat sich die Welt drastisch verändert. Frieden
und Freiheit stehen unter Druck wie lange nicht. Auch bei uns. Deutschland steht unter Druck.

In dieser rauen, unruhigen Zeit stehe ich nun wieder vor einer Entscheidung.
Ich frage mich, welchen Beitrag ich leisten kann, Sicherheit, Selbstvertrauen und Zuversicht zu geben. Wie ich dazu beitragen kann, Sorgen zu lindern:
die um den Arbeitsplatz, einen Kita-Platz, eine gute Schule, eine bezahlbare Wohnung, bezahlbares Pendeln.

Mich treibt an, was vielleicht auch Sie, auch Euch antreibt: dass wir friedlich zusammenleben, in Freiheit. Dass wir Klima und Natur schützen, dass wir vor der nächsten Hitzewelle und Hochwassern besser gewappnet sind. Dass Unternehmen genügend Aufträge bekommen. Dass wir uns nicht immer nur
anschreien, sondern normal miteinander reden können, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind.

Etwas ist ins Rutschen geraten. Die Stimmung im Land ist gereizt, bedrückt. Der Spaltpilz des Populismus ist eingedrungen und breitet sich aus. Er findet seinen Nährboden in allem, was schwierig ist: in der Wirtschaftslage, Klimakrise, dem Krieg in der Ukraine, dem Umgang mit Flucht und Migration.
In allem, was sich verändert. Er wird gefüttert von Putins autoritärem Regime, von Troll-Armeen und Bots. Von den Populisten hier im eigenen Land.

Immer deutlicher wird, dass die grundlegende Auseinandersetzung unserer Zeit, die zwischen autoritärer Macht und liberalen Demokratien ist. In dieser Auseinandersetzung müssen wir bestehen. Wir dürfen nicht davon ausgehen, unsere liberale Demokratie sei auf ewig garantiert. Wir müssen um und für sie kämpfen. Dieser Kampf ist jetzt.

Ich will nicht hinnehmen, dass Angst und Zorn uns aufzehren. Ich will für eine Gesellschaft einstehen, die Tatkraft und Solidarität miteinander verbindet. In
der die Menschen zusammenhalten, zusammen für einander einstehen.

Deshalb habe ich mich entschieden. Deshalb kandidiere ich noch einmal.

Erst bitte ich meine Partei um das Vertrauen, sie in die nächste Bundestagswahl zu führen, dann Sie und Euch, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Viel ist passiert in den letzten Jahren. Sie waren hart fürs Land, hart für viele Menschen. Diese Jahre haben auch mich tief geprägt, geformt. Als Minister,
als Vizekanzler habe ich gelernt, wie man Krisen bewältigt. Ich weiß, wie verwoben Entscheidungsprozesse sind und dass man auch menschlich schwierigsten Situationen nicht ausweichen kann. Ich habe Entscheidungen
getroffen, die Konsequenzen haben. Für Menschen, fürs Land, für Sie und für Euch. Ich habe Probleme gelöst, Rückschläge erlebt und mich daran gemacht,
das nächste Problem zu lösen. Ich habe Fehler gemacht, ich lerne daraus, jeden Tag. Wie wir alle lernen. Ich habe Demut vor der Größe der
Herausforderung erfahren, ich habe Mut gefunden, diese Herausforderungen anzunehmen. Und ich habe – gerade in den letzten Tagen – eine neue Kraft
gefunden, nochmal zu kämpfen. Eine Kraft, in Erfahrung gehärtet.

Natürlich kenne ich die Umfragen. Ich weiß, dass die Ampel-Regierung gescheitert ist. Ich weiß, dass Vertrauen kaputt gegangen ist. Ich weiß, einen
Führungsanspruch muss man sich erarbeiten. Ich will ihn mir erarbeiten.

Deshalb möchte ich erstmal zuhören, Ihnen, Euch. Was Sie umtreibt in Ihren Alltag, worauf es Ihnen ankommt. Vielleicht komme ich auf Ideen, auf die ich
sonst nie gekommen wäre. Vielleicht reden wir am Küchentisch. Ich fände es schön, Sie laden mich ein, und wann immer die Zeit es zulässt, baue ich
Küchentisch-Gespräche in meinen Alltag ein, bevor der Wahlkampf so richtig losgeht.

Am Ende beruht Demokratie ja nicht auf Politikern oder Institutionen, sondern auf Menschen, die sich einbringen. Menschen machen den Unterschied. Das
beste Programm einer Partei wird das nicht ändern. Eine Regierung – und sei sie die beste der Welt – wird nicht alle Probleme lösen können. Sie kann am
Ende nur Orientierung bieten, Leitplanken aufstellen und Impulse setzen. Aber es sind Sie, es seid Ihr, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die unsere
Demokratie tragen.

Ich bin bereit, meine Erfahrung, meine Kraft und meine Verantwortung anzubieten. Wenn Sie wollen, auch als Kanzler. Aber das ist nicht meine, das ist Ihre Entscheidung. Nur Sie können das entscheiden.

Ich bewerbe mich als Kandidat von den Grünen – für die Menschen in Deutschland. Ich kandidiere als Bürger dieses Landes, der nicht hinnehmen
mag, dass Schlechtreden und Populismus uns die Zukunftskraft rauben. Ich kandidiere im Wissen, dass man Menschen davon überzeugen muss, dass sie
einem vertrauen.

Ich mache ein Angebot nach vorne. Denn wir können nicht einfach hoffen, es würde alles wie früher. Wer Lösungen in der Vergangenheit sucht, vergeht
sich an der Zukunft unseres Landes.

Nach vorne heißt: Deutschland muss seine Stärke in die Dienste Europas stellen, damit Europa als Akteur in der Welt handeln kann. Die Zeiten für europäische Unentschlossenheit sind vorbei. In der inneren und äußeren Sicherheit, in der Wirtschaftspolitik.

Deutschland muss in die Infrastruktur und das Bildungssystem investieren. Deutschland muss beim Klimaschutz Kurs halten – kein Abwickeln, sondern
weitermachen. Sowohl die Klimakrise wie auch der notwendige Klimaschutz verändern unser Leben. Aber Klimaschutz muss für Sie, für Euch im Alltag funktionieren. Und er funktioniert nur, wenn wir uns auch um die soziale Frage kümmern. Ich weiß, wie groß die Sorgen gerade sind. Dass manche von Euch
manchmal am liebsten die Nachrichten ausblenden würden, das Radio ausstellen.



Wir sind den Herausforderungen unserer Zeit nicht einfach ausgeliefert. Nur: wir dürfen uns nicht einlullen lassen, wie in den Regierungsjahren von
CDU/CSU und SPD, wo faktisch alles liegen geblieben ist und nichts gemacht wurde. Was wir jetzt mühsam nachholen müssen.

Ja, die letzten drei Jahre waren schwierige Jahre. Und ich will ehrlich sein: Sie sind noch nicht vorbei. Ich verspreche niemandem das Blaue vom Himmel. Ich
verspreche nicht, dass wir keine Zumutungen mehr erleben werden. Es ist die Wirklichkeit, die viel zumutet. Es sind autoritäre Mächte und Mächtige, die
Freiheit und Friedfertigkeit verachten,Menschenwürde verhöhnen.

Aber ich verspreche, die Dinge offen und ehrlich anzusprechen und den Antworten nicht auszuweichen.

Gewinnen wir unsere Zuversicht zurück. Handeln wir zusammen und solidarisch. Bestehen wir die Herausforderungen.

Ich habe mich entschieden, wie ich mich vor 22 Jahren entschieden habe. Um viele Erfahrungen reicher. Und dennoch mit dem gleichen Antrieb des
Anfangs.
Für Sie, für Euch. Mit Ihnen, mit Euch.

Damit bezieht er sich wohl auf die Schwierigkeiten beim Heizungsgesetz und beim versprochenen, aber nie eingeführten Klimageld. Die Grundpfeiler ihres Wahlprogramms wollen die Grünen am kommenden Wochenende in Wiesbaden beim Bundesparteitag diskutieren. Dort soll auch der neue Vorstand gewählt werden - und Habeck von den Delegierten offiziell zum Kandidaten gekürt werden.

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