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Nach Hitler-Eklat: Plagiatsvorwürfe gegen Alexander Gauland


Plagiatsvorwurf gegen Gauland: "Das ist wie ein Fingerabdruck"

  • Jonas Mueller-Töwe
Ein Interview von Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 10.10.2018Lesedauer: 4 Min.
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Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland: Entlehnte er Argumente einer Rede Adolf Hitlers? Von einem anderen Autor übernahm er Sätze nahezu wortgleich.Vergrößern des Bildes
Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland: Entlehnte er Argumente einer Rede Adolf Hitlers? Von einem anderen Autor übernahm er Sätze nahezu wortgleich. (Quelle: Axel Schmidt/Reuters-bilder)

Ein Gastbeitrag Alexander Gaulands für die "FAZ" weist Ähnlichkeiten mit einer Rede Adolf Hitlers auf. Zusätzlich erhebt nun ein Kulturwissenschaftler im Interview mit t-online.de Plagiatsvorwürfe.

Renommierte Historiker bescheinigen dem AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, sich bei einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bei Adolf Hitler bedient und eine seiner Reden paraphrasiert zu haben. Auch das Internationale Auschwitz Komitee kritisiert Gauland scharf.

Nun erhebt der Kulturwissenschaftler und Autor Michael Seemann außerdem Plagiatsvorwürfe. Gauland habe Sätze aus einem im "Tagesspiegel" erschienenen Text nahezu wörtlich übernommen und sie in einen falschen Kontext gestellt. Auf Anfrage von t-online.de schrieb ein Sprecher des AfD-Vorsitzenden zu dem Vorwurf: "Herr Dr. Gauland kannte den genannten Text von Herrn Seemann nicht."

t-online.de: Erst stand eine Hitler-Rede als Anleihe zur Debatte, nun scheint es, dass Herr Gauland auch einen Text von Ihnen aus dem Jahr 2016 zum Teil plagiiert hat. Würden Sie das so unterschreiben?

Michael Seemann: Der Beitrag von Herrn Gauland in der "FAZ" enthält mit leichten Abwandlungen eins zu eins Sätze aus meinem Text für den "Tagesspiegel". Das sind eindeutige Plagiate. Wie ein Fingerabdruck. Das hat mich erschreckt.

Sehr markant sind die Begriffe "globalisierte Klasse" und "Informationsarbeiter". Stammen die von Ihnen?

Der Begriff der "globalisierten Klasse" stammt von Ralf Dahrendorf, den ich auch explizit referenziert habe. Der Bezug zwischen den beiden Begriffen hingegen ist von mir. Dieses Leitmotiv gibt es nur einmal und Herr Gauland hat es übernommen. Referenzen nennt Herr Gauland keine.

Nun ist die Textpassage, in der auch Ihre Sätze und Begrifflichkeiten auftauchen, mit einer Hitler-Rede von 1933 verglichen worden. Sehen Sie Parallelen?

Was ich in meinem Text beschrieben habe, ist das Feindbild der AfD – und im Grunde auch der Nationalsozialisten. Die Ideologie der Rechtsradikalen hat sich über die Jahre nicht allzu sehr verändert. Deswegen erscheinen mir Parallelen nicht überraschend. Es gibt keine eindeutigen Hinweise auf Paraphrasierungen, aber Struktur-Ähnlichkeiten. Abschließend möchte ich das aber nicht bewerten.

Welche Unterschiede sehen Sie denn zwischen Ihrem Text und dem Gastbeitrag von Herrn Gauland in der "FAZ"?

Mein Text rekonstruiert die Gesellschaft aus Sicht der Rechtspopulisten. Offenbar erkennt Gauland sich darin wieder – und übernimmt dieses Feindbild. Zu diesen Feinden gehören für ihn auch ich und mein Umfeld, denn ich bin ja Teil der globalen Klasse. Wir sind uns also darin einig, dass wir Feinde sind.

Ich bin auf zwei Stellen gestoßen, in denen sich Herr Gauland von Ihren Textpassagen entfernt. In der einen beschreibt er die angeblich schwache Bindung "dieser neuen Elite" an ihr jeweiliges Heimatland…

Die globale Klasse zeichnet sich natürlich dadurch aus, dass sie sich global stärker vernetzt und kulturell orientiert als national. Wörtlich übernimmt er das aber nicht.

In der zweiten Stelle beschreibt er sozusagen den Gegenpart der von ihm umrissenen globalen Klasse, die Mittelschicht und die prekär beschäftigten Arbeiter: "Sie können nicht einfach wegziehen und woanders Golf spielen." Das taucht bei Ihnen nicht auf. Im Gegenteil sind bei Ihnen auch Mittelständler Teil der globalen Klasse.

Das ist ein wesentlicher Unterschied. Gaulands Vorstellung von der globalen Klasse beinhaltet eine klassische Idee von Elite mit ökonomischer und politischer Macht. In der globalen Klasse, wie ich sie entwerfe, gibt es einen großen Anteil von prekär lebenden Menschen – mit denen Gauland, der tatsächlich einer gesellschaftlichen Elite entstammt, nichts zu tun hat. Die globale Klasse bildet sich ja in den Großstädten, wo es Diversität gibt – auch gepaart mit prekären Lebensumständen. Dort, wo Rechte stark sind, gibt es diese Diversität gar nicht.

Gerade die Stellen und Kontexte in Gaulands Text, die bei Ihnen nicht auftauchen, scheinen für den Vergleich mit der Hitler-Rede entscheidende Bezugspunkte. Gauland schreibt, Mittelstand und prekäre Arbeiter könnten nicht einfach wegziehen, ihnen bleibe der Zutritt versperrt – bei Hitler heißt es, das Volk könne nicht nachfolgen, Bauern und Arbeiter seien an Boden und Werk gekettet.

Ich spreche von kulturell Abgehängten, nicht von wirtschaftlich oder finanziell Abgehängten. Da geht es nicht zwangsläufig um Möglichkeiten, sondern um das Wollen. Der kulturelle Wandel veranlasst die Menschen zu Trotzreaktionen in Hinsicht auf Einwanderung, Globalisierung und Political Correctness. Das ist eine Reflexhaltung in der Folge verloren gehender Privilegien.

Auch bevor der Vergleich mit der Hitler-Rede gezogen wurde, gab es Kritik, Gaulands Globalisierungskritik sei strukturell antisemitisch. Wie sehen Sie das?

Antisemitische Globalisierungskritik findet sich in der Hitler-Rede sehr offen und deutlich – auch wenn Hitler dort Juden mit keinem Wort erwähnt. In der NS-Ideologie war die Idee einer globalen Elite ganz klar verbunden mit der Vorstellung eines Weltjudentums, das im Hintergrund die Fäden zieht. Natürlich gab es auch damals so etwas wie eine globale Vernetzung und ein global orientiertes Milieu. Hitler lud das existierende Phänomen mit Antisemitismus auf, indem er Juden damit assoziierte.


Herr Gauland adaptiert im Subtext zumindest das Feindbild einer Verschwörung und zeichnet ein Bedrohungsszenario durch die sogenannte Elite. Ich hingegen habe die globale Klasse strukturell als heterogene und diverse Entwicklung skizziert. Das ist ein struktureller Zusammenhang. Herr Gauland reißt meine Beschreibung einer Sozialstruktur aus dem Kontext und vereinfacht sie. Das ist typisch für Verschwörungstheorien.

Verwendete Quellen
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