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"Anne Will" | Göring-Eckardt: "Letzte Generation" schadet Klimaschutz "mehr als es nützt"


Klimatalk bei "Anne Will"
"Unsere Regierung bricht gerade unser Grundgesetz"

Von Markus Brandstetter

Aktualisiert am 21.11.2022Lesedauer: 4 Min.
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Carla Hinrichs (Archivbild): Im Streit über radikale Aktionen für mehr Klimaschutz haben sich Bundesjustizminister Buschmann und die Klimaaktivistin mit Vorwürfen des Rechtsbruchs attackiert. (Quelle: IMAGO/Jürgen Heinrich)

Sind die radikalen Maßnahmen der "Letzten Generation" eine angemessene Reaktion auf die Klimakrise? Darüber diskutierten bei "Anne Will" Politiker aus Regierung und Opposition mit einer Aktivistin.

Zwei Wochen Weltklimagipfel im ägyptischen Scharm el-Scheich sind vorbei – und das Ergebnis ist bis auf Minimalkompromisse enttäuschend, so der breite Konsens. Mehr noch als die Klimakonferenz an sich sind hierzulande derzeit die Aktivistinnen und Aktivisten der sogenannten "Letzten Generation" medial präsent. Sie blockieren Straßen, beschädigen Kunstwerke, begehen Straftaten. Ist dieser Protest – beziehungsweise die harte juristische Reaktion auf diesen – angemessen? Tut die Regierung zu wenig? Diese Fragen sorgten für eine durchaus emotionale Diskussion bei "Anne Will".

Die Gäste

  • Marco Buschmann, FDP – Bundesjustizminister
  • Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen – Bundestagsvizepräsidentin
  • Joachim Herrmann, CSU – Bayerischer Innenminister
  • Carla Hinrichs – Sprecherin der Gruppe "Letzte Generation"
  • Petra Pinzler – Korrespondentin im Hauptstadtbüro "Die Zeit"

CSU-Mann Hermann über Klimaaktivisten: "Das ist doch völlig absurd"

Die Fronten scheinen an jenem Sonntagabend von Anfang an relativ klar zu sein: Justizminister Marco Buschmann (FDP) und der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verurteilen die Art des Protestes der Klimaaktivisten klar und deutlich. Einen Vergleich mit der RAF hält Buschmann zwar für "völlig übertrieben", meint aber auch: "In einer Demokratie versucht man nicht, Regierungen zu erpressen, indem man sagt: 'Wir begehen jetzt fortgesetzt Straftaten, bis ihr tut, was wir euch sagen'".

Ganz ähnlich formuliert es Herrmann: "Das ist nicht akzeptabel in unserer Demokratie. Man darf für seine Meinung kämpfen, auf die Straße gehen und demonstrieren. Das haben "Fridays For Future" auch getan. Aber zu sagen: 'Ihr tut jetzt immer noch nicht so, wie wir es wollen, deswegen werden wir euch zwingen', das geht nicht." Der CSU-Mann sieht die Aktionen der Klimaaktivisten außerdem als völlig kontraproduktiv: "Hilft das irgendwas beim Klimaschutz? Das ist doch völlig absurd".

Göring-Eckardt: "Es schadet mehr, als es nützt"

Deutlich mehr Verständnis zeigt Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen. "Diese Diskussion zieht wahnsinnig viel Energie weg vom Eigentlichen", erklärt sie. Eigentlich müsse man "jede Minute über das Nicht-Ergebnis" der Weltklimakonferenz sprechen. Den Diskurs, den die "Letzte Generation" anstößt, findet sie wichtig – die Art, wie sie das tut, allerdings nicht: "Ich finde es gut, dass über diese Themen geredet wird. Ich finde die Art und Weise, wie das gemacht wird, nicht gut. Es schadet dem Anliegen mehr, als es nützt".

Klimaaktivistin Hinrichs: "Zwei bis drei Jahre gibt uns die Wissenschaft noch"

Anschließend steht Klimaaktivistin Carla Hinrichs im Zentrum des Gesprächs. Auf die Frage, ob sie die Demokratie respektiere, antwortet sie: "Selbstverständlich. Die Demokratie ist eine der größten Errungenschaften unserer Zeit. Dass ich in diesem Land leben darf, dass ich sicher demonstrieren kann, das ist unglaublich wichtig. Diese Privilegien muss ich nutzen, um auf dieses unfassbare Unrecht hinzuweisen, das in unserem Land gerade passiert."

Hinrichs weiter: "Meine ganze Schulzeit habe ich mit Demonstrationen verbracht. Dann ist ein verfassungsfeindliches Klimapaket erlassen worden. Das Zeitfenster schließt sich. Zwei bis drei Jahre gibt uns die Wissenschaft noch, um über das Überleben auf diesem Planeten zu entscheiden."

Hinrichs unterstreicht immer wieder, wie dringlich die Situation sei: "Wir rasen in eine Katastrophe. Da ist es unsere moralische Pflicht, alle unsere friedlichen Mittel auszunutzen". Darüber, ob die angewandten Mittel der "Letzten Generation" allerdings tatsächlich friedlich seien, herrschte mitnichten eine einheitliche Meinung.

"Sie müssen sich ans Gesetz halten. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel", meint Buschmann zu Hinrichs. "Sie verstoßen gegen Recht und Gesetz. Würden andere das auch tun, hätten wir lauter Rechtsbrecher auf den Straßen". Die Klimaaktivistin Carla Hinrichs von der Gruppe "Letzte Generation" erwidert mit Blick auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: "Unsere Regierung bricht gerade unser Grundgesetz."

Dass die Bundesregierung zu wenig für den Klimaschutz tue, will Buschmann nicht gelten lassen. "Es ist nicht die Bundesregierung, die bremst. Sie müssen uns nicht bedrohen. Wir müssen uns gemeinsam dafür einsetzen, dass wir erfolgreich diese Transformation hinbekommen. Mit Technologie, mit der Wirtschaft zusammen".

Pinzler: "Ich kann die Verzweiflung gut verstehen"

Solidarität für die Klimaaktivistin gibt es von "Zeit"-Korrespondentin Petra Pinzler: "Ich kann die Verzweiflung dieser jungen Frau so gut verstehen. Es ist die Bundesregierung, die Recht bricht." Diese habe ein Klimagesetz erlassen, das sie selbst nicht einhalte. "Wir haben junge Leute, die das Gesetz brechen. Wir haben aber auch eine Bundesregierung, die das tut", erklärt Pinzler.

Göring-Eckardt will den Fokus an diesem Abend immer wieder auf die Notwendigkeit von Maßnahmen lenken. "Wir müssen uns an der Realität orientieren und an der Notwendigkeit. Deshalb müssen wir in der Politik radikal sein. Wir sind im Moment nicht radikal genug", so die Grünen-Politikerin.

Streitthema Präventivhaft

Einer der Hauptstreitpunkte des Abends ist das Thema Präventivhaft – in mehreren Bundesländern wurden Aktivisten in Gewahrsam genommen, in Bayern sogar bis zu 30 Tage. Für Göring-Eckardt ist das unverständlich: "Es geht nicht, dass man Leute vorher schon einsperrt – wie in Bayern. Es gibt nämlich auch das Verfassungsgerichtsurteil. Und das sagt uns ganz klar: Die Nichteinhaltung des 1,5-Grad-Pfades ist verfassungsfeindlich, weil sie die Zukunft der kommenden Generationen nicht berücksichtigt."

Buschmann selbst sieht kein Problem an der Präventivhaft an sich, dafür an der Verhältnismäßigkeit der bayerischen 30 Tage. "Ich glaube, dass 30 Tage Gewahrsam zu lange sind". Anders wäre dies, wenn jemand einen Anschlag ankündigen würde.

Hermann, der die Straßenblockaden der Aktivisten als "Nötigung" bezeichnet, sieht das Ausmaß der Präventivhaft hingegen als durchaus gerechtfertigt und wendet ein, niemand der Inhaftierten habe Rechtsmittel gegen die Inhaftierung angewandt.

Dies habe aber einen konkreten Grund, so Klimaaktivistin Hinrichs: "Weil es jeden Tag die Absurdität des Staats offenlegt". Die Haft der Aktivistinnen und Aktivisten sei wie ein Mahnmal für die Gesellschaft. Am Ende verdeutlichte sie ihren Standpunkt einmal mehr: "Eine friedliche, freiheitliche Demokratie" werde es bei drei Grad Erderwärmung ohnehin nicht mehr geben.

Verwendete Quellen
  • zdf.de: "Anne Will" vom 20 November 2022
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