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HomePolitikUwe Vorkötter: Elder Statesman

Der deutsche Elon Musk? Karsten Wildberger ist Digitalminister


Behörden beschleunigen
Diese Bürokratie kann doch weg, oder?


13.05.2025 - 01:18 UhrLesedauer: 5 Min.
Karsten Wildberger (links) wird von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Digitalminister ernannt (Archiv): Dass sich Merz für Wildberger entschieden hat, war eine gelungene Überraschung.Vergrößern des Bildes
Karsten Wildberger (links) wird von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Minister ernannt (Archiv): Merz' Entscheidung für Wildberger war eine Überraschung. (Quelle: ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler/imago-images-bilder)
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Der Staat soll schlanker werden. Und digitaler. Moderner. Weniger bürokratisch. Dafür haben wir jetzt einen Digitalminister. Ist Karsten Wildberger der deutsche Elon Musk?

Als Friedrich Merz vor einer Woche zum ersten Mal sein Kabinett zusammenrief, abends um 22 Uhr, nach dem ziemlich desaströsen Tag seiner Wahl, traf die schwarz-rote Ministerrunde diese Entscheidungen: Die neue Regierung braucht keinen Meeresbeauftragten. Auch keinen Beauftragten für die Ladeinfrastruktur, keinen Radverkehrsbeauftragten. Keine Botschafterin für feministische Außenpolitik, keine Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik. 25 von über 40 Beauftragten-Stellen für alles und jedes bekamen diesen kw-Vermerk: künftig wegfallend. Die Botschaft war klar: Wir machen Ernst damit, den Staat schlanker und effizienter aufzustellen.

Natürlich waren das symbolische Entscheidungen. Alle bisherigen Beauftragten zusammen kosteten den Staat mitsamt ihren Stäben etwa 70 Millionen Euro im Jahr – ein Betrag, der in Zeiten von 500-Milliarden-Sonderschulden weit hinter dem Komma auftaucht. Aber erstens braucht die Politik Symbole, um sich verständlich zu machen. Und zweitens muss eine neue Regierung ja irgendwo anfangen.

Wenige Stunden zuvor hatte Karsten Wildberger seine Ernennungsurkunde als neuer Minister für Digitales und Staatsmodernisierung entgegengenommen. Auch das war sehr symbolisch, in doppeltem Sinn: Es gibt jetzt ein eigenes Ministerium, das die überbordende Bürokratie in Deutschland abschaffen soll. Und der Mann an der Spitze ist kein Bürokrat, sondern ein Manager; Wildberger hat vor seinem Wechsel in die Politik den Konzern von MediaMarkt und Saturn geleitet.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche.

Viel Symbolik also. Jetzt muss nur noch die Politik folgen. Über Digitalisierung, Entbürokratisierung und den modernen Staat haben schon viele Regierungen schwadroniert. Die Ampelkoalition hat zuletzt das Bürokratieentlastungsgesetz IV verabschiedet, es wird also zuvor schon drei andere Anläufe gegeben haben. Haben Sie das Gefühl, dass die Bürokratie weniger geworden ist? Sie dürfen Ihre Steuerunterlagen jetzt schon nach acht statt nach zehn Jahren wegwerfen. Im Hotel müssen Sie keinen Meldeschein mehr ausfüllen. Ist es das, worum es geht?

Nein, worum es geht, haben kurz vor der Bundestagswahl in bemerkenswerter Klarheit vier kluge Menschen unterschiedlicher Herkunft aufgeschrieben. "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" heißt das Manifest von Julia Jäkel, der ehemaligen Medienmanagerin, den beiden Ex-Ministern Peer Steinbrück und Thomas de Maizière und dem früheren Verfassungsrichter Andreas Voßkuhle.

Das fanden auch Friedrich Merz und Lars Klingbeil bemerkenswert und tauschten sich noch während der Koalitionsverhandlungen mit den Verfassern aus. Das Credo der vier lautet: "Ein Staat, der gut funktioniert, begegnet seinen Bürgerinnen und Bürgern mit mehr Vertrauen und regelt die Dinge in der Verwaltung einfacher."

Der eigentliche Coup ist die Personalentscheidung

30 konkrete Punkte umfasst ihre Initiative: Der Wirrwarr an Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird aufgeräumt. Alle Leistungen des Sozialstaats werden über eine zentrale Plattform bereitgestellt. Katastrophenschutz und Zivilschutz werden nicht länger nebeneinander betrieben. Eine der Forderungen lautete: Der Bund errichtet ein Ministerium für Digitales und Verwaltung. Das gibt es jetzt. Statt Verwaltung heißt es Staatsmodernisierung, das klingt natürlich besser.

Man kann darüber lästern, Journalisten tun das ohnehin gerne: Wir brauchen also eine neue Ministerialbürokratie, um die Bürokratie zu entbürokratisieren. In einer früheren Kolumne hatte ich hier vorgeschlagen, die Zahl der Ministerien zu verringern, nicht noch ein zusätzliches Digitalministerium einzurichten. Trotzdem: Dass Merz und Klingbeil eine neue Bürokratie schaffen, kann man ihnen nicht vorhalten, denn das Ressort bündelt nur Zuständigkeiten, die bisher verstreut waren. Der eigentliche Coup aber ist die Personalentscheidung: Karsten Wildberger.

Warum er? Weil er ein FoF ist, ein Friend of Friedrich? Ja, auch, Merz hat ein Team von Loyalisten um sich geschart, da gehört Wildberger ganz sicher dazu. Der Manager war zudem Vorsitzender des Wirtschaftsrats der CDU, das Amt hat er direkt von Merz übernommen. Aber sonst? Parlamentarische Erfahrung hat er nicht, er kennt keine Behörde von innen. Was qualifiziert den Chef des großflächigen Einzelhandels dazu, als Minister den Staat zu modernisieren? Außerdem habe ich gelesen, er sei ein dröger Physiker. Soll heißen: zu blass für die aufregende Politik. Nun ja, Angela Merkel war auch eine dröge Physikerin.

Wildberger hat keine Kettensäge

Wildbergers Biografie ist aufschlussreich. Er arbeitete für T-Mobile und Vodafone. Er war Vorstand bei Eon, dort verantwortlich für den Absatz von Strom und Gas an über 50 Millionen Kunden. Telekom- und Energieanbieter sind Infrastruktur-Unternehmen. Jeder und jede von uns hat mit ihnen zu tun. Als Kunden verkehren wir mit diesen Unternehmen ganz überwiegend digital, egal ob es um einen neuen Vertrag, den Tarifwechsel, die Rechnung oder die Kündigung geht.

So könnte es auch beim Staat sein: den Personalausweis verlängern, das Visum beantragen, das Neugeborene beim Standesamt anmelden. Aber nein, da müssen wir aufs Amt, und das Amt hat keine Termine frei, kommen Sie bloß nicht ohne Termin, allgemeine Überlastung, Fachkräftemangel, Sie kennen das.

Einer wie Wildberger weiß, wie man das ändert. Nicht wie Elon Musk, machen Sie sich keine Sorgen oder keine Hoffnung, je nachdem. Wildberger ist keiner, der dem Staat mit der Kettensäge zu Leibe rückt. Er wird keinen Kulturkampf gegen die öffentliche Verwaltung führen. Er wird nicht im Auftrag seines Herrn die Entwicklungshilfe abschaffen oder alle politischen Gegner aus dem Staatsdienst entfernen. Wildberger ist kein Abbruchunternehmer, sondern ein Modernisierer. Transformation, Veränderungsprozesse, Technologie und Geschwindigkeit, das werden seine Schlüsselwörter sein. So redet man in seinen Kreisen.

Wissen allein reicht nicht

Der Mann hat einige Jahre in Melbourne verbracht, bei Telstra, das ist die australische Telekom. Ein Hightech-Unternehmen, sehr erfolgreich. Am anderen Ende der Welt hat er eine andere Mentalität kennengelernt. Weniger Klagen, weniger Status-quo, mehr Lust auf Neues, eine Gesellschaft mit mehr Dynamik. Volker Wissing, der bei Scholz für die Digitalisierung zuständig war, hatte vor dem Ministeramt berufliche Stationen in Zweibrücken und Landau in der Pfalz. Nichts gegen die deutsche Provinz. Aber internationale Erfahrung kann in einem bundespolitischen Spitzenamt ganz sicher nicht schaden.

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Es gibt also Anlass zur Zuversicht, dass sich die Politik von Schwarz-Rot im Hinblick auf Entbürokratisierung und Digitalisierung nicht in Symbolen erschöpfen wird. Aber, Vorsicht, ein Manager macht noch keinen modernen Staat. Und ein erfolgreicher CEO muss nicht zwangsläufig ein erfolgreicher Minister werden. In der Politik reicht es nicht, zu wissen, wie es geht. Die Regierung braucht auch eine Mehrheit für ihren Plan, im Parlament und in der Bevölkerung.

Stellen Sie sich vor, Merz und Klingbeil wären mutiger gewesen

Wie kompliziert das ist, haben Merz und Klingbeil am Tag der Kanzlerwahl erlebt. 18 Stimmen aus den eigenen Reihen fehlten Merz im ersten Wahlgang. 18 Abgeordnete, die ihrem Frust freien Lauf ließen: weil ihnen die ganze Koalition nicht passt oder der Koalitionsvertrag, oder weil ihnen Merz nicht passt, oder weil sie gerne Minister oder Staatssekretär geworden wären – oder Beauftragter für dies oder jenes.

Stellen Sie sich vor, Merz und Klingbeil wären bei der Bildung des Kabinetts viel mutiger gewesen. Sie hätten also nicht nur ein Digitalministerium eingerichtet und mit einem Mann aus der Wirtschaft besetzt, sondern sie wären auch einem anderen Rat der vier Experten gefolgt, die das Manifest für den modernen Staat geschrieben haben: Die gesamte Sozialpolitik wird in einem Ministerium gebündelt. Eigentlich eine gute Idee.

Schwarz-Rot hätte also auch die Familienministerin abgeschafft. Und die Gesundheitsministerin. Weil die Arbeitsministerin auch fürs Kindergeld und die Krankenversicherung zuständig sein könnte. Aber glauben Sie, dass der Kanzler dann im zweiten Wahlgang seine Mehrheit bekommen hätte? Ich vermute eher, hinter dem Namen Merz hätten wir gleich am ersten Tag einen kw-Vermerk gemacht: künftig wegfallend.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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