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USA und Israel gegen Iran: Krieg birgt mehr Hoffnung als Diplomatie


Krieg zwischen Israel und Iran
Die falsche Stunde für schöne Worte

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

24.06.2025 - 01:48 UhrLesedauer: 5 Min.
IRAN-NUCLEAR/EUROPEVergrößern des Bildes
Bunesaußenminister Johann Wadephul (CDU): Seine Worte hatten keine Wirkung und er selbst keine Ahnung, dass die USA in den Krieg einsteigen würden. (Quelle: Denis Balibouse/reuters)
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Macht der Krieg alles nur noch schlimmer? Nicht unbedingt. Der Krieg gegen den Iran kann die Welt besser machen. Und eine Revolution in Teheran wäre ein Sieg der Freiheit.

Wo immer auf der Welt ein Konflikt eskaliert, reagieren Diplomaten reflexartig: Die Parteien sollen umgehend ihre Kampfhandlungen einstellen, einen Waffenstillstand vereinbaren, Verhandlungen aufnehmen. Erst recht, wenn das Kampfgebiet im Nahen Osten liegt, wo schon so viele Kampfgebiete liegen. Auch Politik und Medien haben diesen Reflex: Bitte nicht schießen! Lasst uns reden.

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Als im vergangenen Jahr die syrischen Rebellen auf Damaskus vorrückten, wo der Diktator Assad regierte, forderten mehrere Nato-Staaten, darunter Deutschland, die Konfliktparteien zur Deeskalation auf. Die Bundesregierung holte eine zehn Jahre alte UN-Resolution aus dem Archiv, in der Friedensgespräche zwischen der syrischen Regierung und der Opposition gefordert wurden. Hätten sich die Milizen des heutigen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa darauf eingelassen, wäre Assad wohl immer noch Staatschef. Sie setzten ihren Marsch auf Damaskus fort, Assad floh nach Russland. Die Welt atmete auf.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche.

Die Diplomatie des Westens ist im Iran gescheitert

Als Israel im Oktober 2024 die Hisbollah im Südlibanon angriff, warnte unsere damalige Außenministerin Annalena Baerbock vor einem "Kollaps des Libanons". Israel müsse sich mäßigen und die Autorität der Uno-Friedenstruppe Unifil achten. Israel setzte sich darüber hinweg. Der Libanon ist trotzdem nicht kollabiert. Die Hisbollah kann das Mullah-Regime im Iran jetzt nicht mehr im Krieg gegen Israel unterstützen. Eine gute Nachricht.

Der Ruf nach Diplomatie ist verständlich – auch jetzt, nachdem Donald Trump Bomben auf die Atomanlagen im Iran werfen ließ. Jetzt, da Israel den Iran bombardiert und der Iran Israel. Aber die Diplomatie hat versagt. Sie hat es nicht vermocht, Israels Existenz und Sicherheit zu garantieren. Gegenüber dem Iran ist die Diplomatie des Westens über Jahre, sogar über Jahrzehnte gescheitert – mit katastrophalen Folgen.

Anfang 1979 kehrte der iranische Geistliche Ajatollah Khomeini aus dem französischen Exil in sein Heimatland zurück. In Teheran wurde er von Hunderttausenden begeistert empfangen, in der ganzen Welt jubelten ihm Millionen zu. Nicht nur gläubige Muslime, sondern auch linke Studenten und Intellektuelle, arabische Nationalisten, einfache Leute, die auf ein besseres Leben hofften. Unter dem Schah, der das Land zuvor beherrscht hatte, war der Iran zu einer Ölmacht aufgestiegen, aber vom neuen Reichtum profitierte nur eine korrupte Oberschicht. Khomeini versprach Gerechtigkeit und Einigkeit.

Der Iran ist die Wurzel des heutigen Islamismus

Die iranische Revolution richtete sich nicht nur gegen den Schah, sondern auch gegen Amerika, gegen den Kapitalismus, gegen den Westen. Vor den Augen der Welt schuf Khomeini die Islamische Republik. Die Scharia wurde zum staatlichen Rechtssystem, Frauen wurden unter den Schleier gezwungen. Die Theokratie entstand, die Herrschaft der Geistlichen – eine Schreckensherrschaft. Nach außen beanspruchte Khomeini, der sich inzwischen "Oberster Führer" nennen ließ, die Führung über die gesamte islamische Welt.

Fast alles, was wir heute mit dem Islamismus verbinden, hat hier seine Wurzeln. Der Dschihad, der Heilige Krieg, wurde nach Afghanistan getragen, damals gegen die Sowjets. Tausende verwegene Kämpfer, die Mudschaheddin, demütigten die kommunistische Weltmacht. Einer von ihnen war ein saudischer Student namens Osama bin Laden. Die Taliban, Al Kaida, die Muslimbrüder, Hisbollah, Hamas, die Huthi – sie alle gehen auf die religiöse Ideologie und den weltlichen Machtanspruch der schiitischen Ayatollahs zurück.

Der Westen hat zugeschaut. Geredet. Verhandelt. Sanktionen verhängt. Bis 9/11, bis zum Angriff auf Amerika im Jahr 2001. George W. Bush erklärte den Krieg gegen den Terror. Bin Laden und Saddam Hussein wurden besiegt, der Terror nicht. Erst zwanzig Jahre später kehrten die US-Truppen und ihre Verbündeten nach Hause zurück, nach einem überstürzten Abzug aus Afghanistan. Dort regieren jetzt wieder die Taliban. Trumps Amerika will sich eigentlich nicht mehr in solche "Forever-Wars" verwickeln lassen. Eigentlich.

Israels Unterschrift zum Atomabkommen fehlte

Das Ende des Krieges war nicht der Beginn des Friedens. Der Oberste Führer heißt längst nicht mehr Khomeini, sondern Khamenei. Aber Amerika ist für ihn und seine religiösen Fundamentalisten immer noch der "große Satan", alles Westliche gilt ihnen als dekadent und unmoralisch, Homosexualität wird mit dem Tod bestraft. Israel nennt er wieder und wieder ein "Krebsgeschwür", das zerstört werden soll. Nur deshalb hat Teheran ein Atomprogramm. Oder hatte.

Während die Diplomaten endlose Verhandlungen führten, reicherte der Iran sein Uran an und entwickelte moderne Trägerraketen. 2015 schlossen die USA, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Russland und China ein Abkommen mit dem Iran. Ein Erfolg der Diplomatie? Keins dieser Länder wäre direkt bedroht, wenn der Iran die Bombe hätte fertigstellen können. Nur Israel war unmittelbar bedroht. Die Unterschrift Israels unter dem Atomabkommen schien den Partnern trotzdem nicht zwingend erforderlich.

Vor drei Jahren löste der Tod einer jungen Frau eine Protestbewegung im Iran aus. Jina Mahsa Amini war zuvor von der Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie gegen die Hidschab-Vorschriften verstoßen hatte. "Frau, Leben, Freiheit" nennt sich diese Bewegung. Die Repression des Regimes hat sie von der Straße vertrieben, in private Räume zurückgedrängt.

Reden, nicht schießen: Eine Fehleinschätzung

Im Bundestag sagte Annalena Baerbock damals: "Wir sehen und wir hören diese Frauen; Frauen, die sich mutig dem scheinbar so mächtigen iranischen Sicherheitsapparat entgegenstellen." Schöne Worte, ohne jede Konsequenz. Baerbock nannte es feministische Außenpolitik. Als im vergangenen Jahr der iranische Staatspräsident Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, kondolierte Olaf Scholz als Bundeskanzler. Man nennt es Diplomatie. Raisi war der Mann, der die Niederschlagung der Protestbewegung angeordnet hatte und den Zwang zur Verschleierung der Frauen brutal durchsetzte.

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Der Westen hatte sich an den Status-quo gewöhnt. An die Schreckensherrschaft im Innern der Islamischen Republik und an den Schrecken, den Khamenei Israel androhte.

Nach den ersten Angriffen Israels auf den Iran vor zwei Wochen sagte Außenminister Johann Wadephul, jetzt sei die Stunde der Diplomatie. Reflexartig. Einen Tag vor dem Angriff der Amerikaner trafen er und ein paar Kollegen aus der EU sich in Genf mit dem iranischen Außenminister. Ihr Ziel: reden, nicht schießen. Eine Fehleinschätzung der Lage, die Stunde der Diplomatie war bereits abgelaufen.

Die Welt wäre ohne das Mullah-Regime besser dran

Die USA sind jetzt Kriegspartei, auch wenn Trump den Krieg umgehend wieder für beendet erklärte, jedenfalls von amerikanischer Seite. Die Risiken liegen auf der Hand: militärische Eskalation, Ausweitung auf andere Länder, ein Flächenbrand im Nahen Osten, Terroranschläge in Europa. Viele Gründe, ernsthaft besorgt zu sein.

Trotzdem ist es richtig, diesen Krieg zu führen. Der Iran hat seine Ambition, einen totalitären Gottesstaat zu errichten, vom Golf bis zum Mittelmeer und weit darüber hinaus, nie aufgegeben. Seit 1979 nicht. Die Machthaber unterdrücken ihr eigenes Volk. Sie finanzieren die "Proxys", ihre zahlreichen Stellvertreter in anderen Ländern. Ohne sie gäbe es den Krieg in Gaza nicht. Ihre Parolen werden auf unseren Straßen gebrüllt. Im Namen der Religion tragen ihre selbst ernannten Märtyrer den Terror in die Welt.

Der Krieg hat Israel sicherer gemacht. Die atomare Bedrohung des jüdischen Staates ist auf Jahre hinaus gebannt. Das ist das erste Ergebnis. Ob und wie das Regime in Teheran reagieren wird, ob die Theokraten von ihrem Volk oder ihren Generälen vertrieben werden, ob nach 46 Jahren ein neuer Iran entsteht, das wissen wir nicht. Aber eins wissen wir: Eine Welt ohne das Mullah-Regime wäre eine bessere Welt.

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