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Israel: Künstler Nissim Kahlom soll Muschelhaus bei Tel Aviv räumen


"50 Jahre lang ohne Gehalt gearbeitet"
Künstler soll berühmtes Höhlen-Haus am Meer räumen

Von t-online, aj

Aktualisiert am 18.07.2023Lesedauer: 3 Min.
Nissim Kahloms "Hermit House" unweit von Tel Aviv: 50 Jahre Handarbeit.Vergrößern des BildesNissim Kahlons "Hermit House" unweit von Tel Aviv: 50 Jahre Handarbeit. (Quelle: AP Photo/Ariel Schalit/dpa)
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Es ist sein Lebenswerk und soll nun abgerissen werden: Nissim Kahlon soll das "Muschelhaus" unweit von Tel Aviv räumen – nach 50 Jahren.

Zu Beginn war es nur eine Höhle in den Felsen über der Küste von Herzliya in Israel, nahe Tel Aviv. Doch über einen Zeitraum von 50 Jahren hat der Künstler Nissim Kahlon diese mit eigenen Händen in ein schmuckvolles und geräumiges Haus mit Meerblick verwandelt, für den andere wohl Millionen hinblättern würden.

Er grub unterirdische Gänge, meißelte Räume in den Sandsteinfelsen und verzierte sein Heim mit bunten Glasscherben, Muscheln, Mosaikfliesen und Tonscherben. Sogar über eine Toilette, eine Telefonleitung und Elektrizität verfügt der 77-jährige Mann heute. Besonders faszinierend: Kahlon brachte sich die notwendigen Fertigkeiten selbst bei – und wurde mit seinem "Muschelhaus" weltweit bekannt. Menschen besuchten Kahlom in dem besonderen Heim, um von ihm zu lernen. Einige wohnten sogar zeitweise bei dem Mann.

Umweltbehörde will Haus abreißen

Doch nach über einem halben Jahrhundert in der Höhle steht Kahlon nun vor einem großen Problem: Denn Israel will ihn aus seinem Zuhause vertreiben. Nach Angaben des Umweltschutzministeriums soll sein Haus "erhebliche Schäden an der Klippe verursacht, die Öffentlichkeit gefährdet und den Strand für den öffentlichen Zugang eingeschränkt haben". Das berichtet unter anderem die Nachrichtenagentur AP, die mit Kahlon gesprochen hat.

Der Künstler wehrt sich gegen die Vorwürfe der Behörden und gibt an, dass nicht er, sondern der genehmigte Hafen für Luxusjachten und das damit verbundene Einkaufszentrum sowie das Ritz-Carlton-Hotel für die Schäden am Ökosystem verantwortlich seien. Auch seine Absicht, zu bleiben, hält Kahlon für gerechtfertigt. Obwohl er keine Genehmigung von der Stadt hatte, sein Haus zu bauen, hat er lediglich einen Abrissbefehl im Jahr 1974 erhalten, der letztendlich nicht ausgeführt wurde. Die Behörden haben sogar im Jahr 1984 seine Höhle an das Strom- und Wassernetz angeschlossen und ihm eine Postanschrift gegeben.

Kahlom: "Anstatt mich zu ermutigen, verunglimpfen sie mich"

"Ich habe hier 50 Jahre lang ohne Gehalt gearbeitet. Was habe ich getan – habe ich gemordet, gestohlen oder vergewaltigt? Nein! Dieses Haus ist ein Museum. Sie sollten mir einen Preis verleihen", sagte Kahlon in einem Interview mit "New Lines Magazine". Gegenüber AP wurde er noch deutlicher: "Ich werde hier nicht weggehen. Ich bin bereit, hier begraben zu werden", so der 77-Jährige. "Anstatt mich zu ermutigen, verunglimpfen sie mich", so Kahlon.

Seine Einspruchsfrist soll Ende des Monats ablaufen, und Kahlon will vor Gericht für sein Anliegen kämpfen. Mit Hilfe seiner Familie konnte er genügend Geld für einen Anwalt sammeln, der ihn vertreten wird. Auch eine Crowdfunding-Aktion sowie eine Auktion seiner Kunstwerke sind geplant.

Kahlon begann im Jahr 1973, sich sein Heim in den Klippen zu erschaffen. Er selbst sagt, er sei damals vor einer arrangierten Ehe nach Herzliya geflohen und hauste in einem Zelt am Strand. Als die Polizei ihn vertreiben wollte, fand er Zuflucht im Felsen.

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Fotos zeigen das Innere des Hauses

Umso faszinierender ist, was er daraus gemacht hat: Den Berichten zufolge ähnelt das Höhlenhaus einem Labyrinth mit mehreren Räumen, die durch Tunnel und Treppen miteinander verbunden sind. Auf den Fotos ist zu sehen, dass sich das Haus auf mehreren Ebenen über dem Felsen erstreckt, mehrere Sonnenterrassen hat und über eine Leiter vom Strand aus zugänglich ist.

Das Haus hat strukturierte Wände sowie geschwungene Decken und schmale, gewölbte Türen, durch die Kahlon kaum hindurchkommt. Zu seinen Werkzeugen, die er beim Bauen verwendete, gehören den Berichten zufolge ein selbstgefertigter Eisenspeer, Schaufeln und ein Spatel. Im Haus befinden sich Möbel, allerdings hat er auch Regale in die inneren Felswände geschnitzt, um zusätzlichen Stauraum zu schaffen.

Während einige Räume nackte Rohbauten darstellen, verfügen andere – wie der im Bild oben – über farbenfrohe Wände, Fenster und Gemälde. Laut der Nachrichtenagentur AP wurde das Mosaikdekor im Inneren aus alten Fliesen geschaffen, die Kahlon in Müllcontainern rund um Tel Aviv gefunden hatte. "Aus den Steinen, die ich abbaue, mache ich einen Abdruck und baue eine Mauer. Hier gibt es keinen Abfall, nur Material. Das ist die Logik", erklärte Kahlon gegenüber AP. "Alles ist also nützlich, es gibt keinen Müll."

Herzliya ist eine Stadt der Schönen und Reichen, etwa 13 Kilometer nördlich von Tel Aviv. Kahlons "Hermit House" (auf Deutsch etwa: Einsiedlerhaus) oder "Muschelhaus", wie es von den Einheimischen genannt wird, liegt direkt in Herzliya Pituach, einem wohlhabenden Strandviertel. Dieses ist für seine Hotels und Luxusvillen bekannt.

Verwendete Quellen
  • newlinesmag.com: "Campaigners Want a Beachfront House in Israel To Be Protected. The Government Wants To Destroy It" (englisch)
  • apnews.com: "After half a century, Israel moves to evict squatter from his cave home on the beach" (englisch)
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