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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rätselhafte Mumie neu analysiert Was wirklich hinter dem "luftg'selchten Pfarrer" steckt

In einer österreichischen Dorfkirche liegt eine ungewöhnlich gut erhaltene Mumie – lange wurde über ihr Schicksal spekuliert. Jetzt liefert die moderne Wissenschaft überraschende Erkenntnisse.
In einem Alpendorf nördlich der Donau haben Forscher am Freitag neue Details über eine mysteriöse Mumie veröffentlicht, die seit Jahrhunderten in der Krypta von St. Thomas am Blasenstein aufbewahrt wird. Die sterblichen Überreste – vermutlich eines Pfarrers aus dem 18. Jahrhundert – gaben lange Rätsel auf. Nun zeigen neue Untersuchungen: Der sogenannte luftg'selchten Pfarrer wurde auf höchst ungewöhnliche Weise konserviert.
Moderne CT-Scans und chemische Analysen brachten Licht ins Dunkel: Die Wissenschaftler um den Pathologen Andreas Nerlich von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) fanden heraus, dass der Körper gezielt behandelt wurde – mit Holzspänen, Leinen, Hanf und sogar Zinkchlorid. Das Material wurde offenbar durch den Enddarm eingebracht und führt dazu, dass Haut und Gewebe über die Jahrhunderte nahezu unversehrt blieben.
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Der Kapselfund bei einer früheren Röntgenuntersuchung, der Spekulationen über Giftmord ausgelöst hatte, entpuppte sich als harmlose Glaskugel – möglicherweise ein Teil eines Rosenkranzes. Wahrscheinlicher ist laut der Studie, dass der Geistliche an Tuberkulose litt und an einer schweren Lungenblutung starb.
Untersuchungen geben Aufschluss zur Identität der Mumie
Bei der Mumie handelt es sich vermutlich um Franz Xaver Sidler von Rosenegg, der bis zu seinem Tod 1746 Pfarrvikar in dem Ort war. Die Identität galt lange als ungesichert. Neue Untersuchungen mit Radiokarbondatierung und Isotopenanalyse stützen jedoch diese Annahme. Auch Alter und Ernährung des Toten passen zu den historischen Berichten über den Geistlichen.
Die Radiokarbondatierung ergab ein Todesjahr zwischen 1734 und 1780, die Altersbestimmung liegt zwischen 35 und 45 Jahren. Beides passt zu den Überlieferungen, die über Sidler bekannt sind. Auch die chemische Analyse von Knochenproben ergab Hinweise auf eine proteinreiche Ernährung mit viel Fleisch – typisch für einen gut versorgten Dorfgeistlichen jener Zeit. Die fehlende Belastung des Skeletts passe ebenfalls zum Leben eines Priesters, dem es an körperlicher Anstrengung mangele.
Die Analyse bringt auch eine neue Sicht auf historische Bestattungspraktiken. Die Methode, den Körper mit austrocknenden Substanzen zu behandeln, sei bislang in der Literatur unbekannt – könnte aber gängiger gewesen sein als angenommen.
Ein Zeuge vergangener Zeit
Die Leiche wurde offenbar nie bestattet. Hinweise deuten darauf hin, dass sie für eine Überführung in das etwa 15 Kilometer entfernte Mutterkloster vorbereitet worden war. Warum der letzte Weg nicht angetreten wurde, bleibt unklar.
Die Mumie blieb letztlich in der Krypta zurück. Doch die aktuelle Studie zeigt: Der "luftgetrocknete Kaplan" ist nicht nur ein kurioses Relikt, sondern ein faszinierender Zeuge vergangener Zeit – und ein Fund, der Historiker wie Pilger gleichermaßen bewegt.
- researchgate.net: "The mystery of the air-dried chaplain solved: the life and afterlife of an unusual human mummy from eighteenth century Austria" (Englisch)
- edition.cnn.com: "Austria mummy mystery solved after decades-long investigation" (Englisch)
- theguardian.com: "Mummy mystery solved: air-dried priest was embalmed via rectum" (Englisch)