Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Geschlechtersensible Sprache polarisiert "Dann wird sich das Gendern etablieren"
Von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt, gendern viele Politiker und Moderatoren hingegen konsequent. Zwei t-online-Nutzerinnen streiten über die Frage, ob sich die geschlechtersensible Sprachform durchsetzen sollte.
Das generische Maskulinum repräsentiert für viele Befürworter gendergerechter Sprache die Vielfalt der Geschlechter nicht ausreichend. Sie wollen, dass alle Geschlechteridentitäten klarer zum Ausdruck kommen und nicht nur "mitgemeint" seien. Gendersternchen und Binnen-I sollen helfen, ihre Sichtbarkeit auch sprachlich zu erhöhen.
Doch das Gendern ist umstritten. Kritiker bemängeln unter anderem eine schlechtere Verständlichkeit von Texten, grammatikalische Hürden und eine wahrgenommene Bevormundung durch gendernde Politiker und Medienvertreter. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Sprachform entschieden ab, wie regelmäßig durchgeführte Umfragen seit Jahren dokumentieren.
Bundeskanzler Friedrich Merz befürwortet die Verbote, die in sachsen-anhaltinischen, bayerischen, schleswig-holsteinischen und hessischen Schulen und Ämtern bereits gelten. Im Wahlkampf sagte er: "Behörden haben sich an das zu halten, was der Rat für deutsche Rechtschreibung zu diesem Thema empfohlen hat. Behörden sind keine Volkserziehungsanstalten."
Eine Haltung, die Architektin Barbara Leibelt gefällt. Die Gegnerin des Genderns könnte sich vorstellen, eine Petition gegen die Sprachform zu unterschreiben. Inge Müller hingegen findet das Gendersternchen hübsch. Die Rentnerin meint: "Es ist ein klitzekleines Statement, und es macht das Wort nicht hässlich." Wie unterschiedlich die beiden t-online-Nutzerinnen zu diesem Thema stehen, sehen Sie hier oder oben im Video.
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Barbara Leibelt: Wenn man diese gegenderten Artikel liest, dann werden die nicht nur länger, sie werden auch nicht verständlicher.
Inge Müller: Wenn die Gesellschaft es aber so haben will, dann wird sich’s etablieren.
Ob auf Plakaten, in Stellenanzeigen oder bei Moderationen im Fernsehen: Viele Texte sind gegendert.
Zwei t-online-Nutzerinnen haben zu der Sprachform sehr gegensätzliche Ansichten.
Inge Müller: Es ist immer so, dass die öffentliche Diskussion wichtige und weniger wichtige Themen in der Mache hat. Und natürlich ist es im Vergleich zu Krieg ein weniger wichtiges Thema. Aber es ist eben auch kein unwichtiges Thema, weil die Frauen stellen mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Und es ist einfach in meinen Augen nicht richtig, dass sich das nicht durch Sprache ausdrückt. Denn Sprache ist eben auch Ausdruck des Bewusstseins.
Barbara Leibelt: Sachen, die von oben übergestülpt werden und wo sich dann eben auf so breiter Mehrheit eine Ablehnung deutlich macht oder manifestiert: Da glaube ich, dass die Chancen, das auf die Art und Weise durchzusetzen, eher zum Rohrkrepierer werden. Also dass das zum Gegenteil führt, dass die, die sich sozusagen überfahren fühlen, dann zusammenschließen und dagegen angehen. Ich würde es auch fördern und unterstützen, wenn man das abschafft. Also da könnte ich mir auch vorstellen, dass ich eine Petition oder sowas mit unterschreiben würde.
Eine allgemeine Pflicht zum Gendern existiert zwar nicht. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel, wie Barbara Leibelt weiß.
Barbara Leibelt: Also wenn mir jemand erzählt, das ist eine freiwillige Geschichte, dann stimmt das eben nicht, weil es nicht dem Einzelnen überlassen ist, ob er es macht oder nicht. Sondern es wird sozusagen indirekter Zwang ausgegeben.
Inge Müller: Es besteht eben trotzdem, also zumindest im privaten Bereich, eine große Freiheit, das so oder so zu handhaben. Dass man das für den öffentlichen Bereich festlegt, das ist halt richtig.
Eine repräsentative Umfrage zeigt: Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung lehnt das Gendern entschieden ab. Ein Kritikpunkt lautet: Die Texte sind unschön und komplizierter.
Barbara Leibelt: Wenn man diese gegenderten Artikel liest, dann werden die nicht nur länger, sie werden auch nicht verständlicher. Und wenn man’s hört, dann ist es genau das gleiche. Also man schaltet dann irgendwann ab. Und das ist eine Sache, die nicht nur ich festgestellt habe, sondern eben auch im Bekanntenkreis, dass viele Leute gesagt haben: Ich hör’ da nicht mehr hin.
Inge Müller: Es gibt immer Leute – in Deutschland glaube ich sogar auch ein paar mehr –, die sich gern über etwas empören oder sich einer Empörungswelle anschließen. Es ist ihr gutes demokratisches Recht, so eine Gegenmeinung zu haben. Wenn die Mehrheit der Gesellschaft keine Lust hat, das zu machen, dann wird es irgendwann wieder verschwinden. Und wenn die Gesellschaft es aber so haben will, dann wird sich’s etablieren.
Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt haben gendersensible Sprache aus Schulen und Behörden verbannt. Die übrigen Bundesländer verbieten sie bislang nicht. Bundeskanzler Friedrich Merz begrüßt die Verbote jedoch. Unter seiner Regierung droht dem Gendern bald auch andernorts das Aus.
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- Videointerviews mit den t-online-Nutzerinnen Inge Müller und Barbara Leibelt
- mit Foto- und Videomaterial von IMAGO und Reuters
- mit Umfragewerten von Civey