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Coronavirus im Iran: Deutscher Student kann Land nicht verlassen


Wegen Coronavirus
Deutscher Student im Iran: "Wir wollen nach Hause, aber wir können nicht"

Von Ali Vahid Roodsari

Aktualisiert am 02.03.2020Lesedauer: 5 Min.
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Moschee im nordöstlichen Maschhad: Helfer im Iran versprühen im Kampf gegen den neuartigen Coronavirus Desinfektionsmittel.Vergrößern des Bildes
Moschee im nordöstlichen Maschhad: Helfer im Iran versprühen im Kampf gegen den neuartigen Coronavirus Desinfektionsmittel. (Quelle: West Asia News Agency/Reuters-bilder)

Das Coronavirus hat den Iran schwer getroffen: Dort gab es nach offiziellen Angaben bisher 66 Tote. Ein deutscher Student schickt einen Hilferuf aus dem Land – und kritisiert die Bundesregierung.

Seit November 2019 studiert Markus M. in der iranischen Hauptstadt Teheran. Nun erlebt er eine der größten Gesundheitskrisen des Landes am eigenen Leib. Eigentlich wollte er zurück nach Deutschland reisen, doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht. t-online.de hat er auf WhatsApp geschrieben, wie es ihm damit geht. Dabei möchte er lieber anonym bleiben, seinen Namen hat unsere Redaktion geändert.

Was Markus M. berichtet zeigt, wie sehr das neue Coronavirus weltweit Menschen verunsichert – und irrationale Ängste vor Fremden schürt. Er erzählt, dass er auf der Straße von einigen Männern beschimpft wurde. Sie spuckten auf den Boden und sagten: "Ihr habt die Krankheit ins Land gebracht".

Mit der "Krankheit" meinen Sie den neuartigen Coronavirus, der die Covid-19-Krankheit verursachen kann. Markus M. ist einer von vier Studenten, die mit einem Austauschprogramm in den Iran gereist sind. Doch am 19. Februar ist dort das neue Coronavirus aufgetaucht. Mehr als 900 Menschen sollen infiziert sein, mindestens 66 sind an dem Erreger gestorben – zumindest offiziell. Inoffiziell soll es sogar mehr als 200 Corona-Tote geben.

Wohl aus Angst werden Nicht-Iraner darum angefeindet, berichtet Markus M.. Aber nicht nur gegen europäisch, auch gegen chinesisch aussehende Menschen habe er Rassismus beobachtet: "Da sind schon Taxis davongefahren", so der Student. Der 26-Jährige und seine Kommilitonen sollten eigentlich bis Ende März im Land bleiben. Doch wegen der Corona-Epidemie wollen sie schon jetzt zurück nach Deutschland. "Die Unis sind hier sowieso geschlossen", schreibt Markus M. "Wir wollen alle nach Hause, aber wir können nicht". Das Problem: Die Studenten finden keine Flüge – und die deutsche Botschaft in Teheran hilft nur wenig.

Auswärtiges Amt warnt vor Iran-Reisen

Das Auswärtige Amt selbst rät seit Längerem, unnötige Reisen in den Iran zu verschieben, schreibt die Behörde auf Anfrage von t-online.de. Und wer bereits in das Land gefahren ist, soll "einen Abbruch prüfen". Auch die Austauschorganisation stellte in einer Mail von Ende Februar den Studenten frei, ihren Aufenthalt vorzeitig abzubrechen. Die Nachricht liegt t-online.de vor.

Prompt versuchte Markus M., sich ein Flugticket zu besorgen. "Ich war in mehreren Reisebüros", schreibt er. "Aber dort hieß es: Es gibt keine Flüge oder sie sind ausgebucht." Auch die Eltern in Deutschland konnten dem Studenten bisher kein Ticket organisieren.

Deutsche Botschaft verweist auf bestehende Flüge

Markus M. wandte sich daraufhin an die Deutsche Botschaft in Teheran. Doch die verwies darauf, dass es noch Tickets gebe, berichtet der Student. Auf Anfrage von t-online.de schreibt das Auswärtige Amt dazu: "Der Flugverkehr in und aus dem Iran heraus wurde bisher zwar reduziert jedoch nicht eingestellt."

Tatsächlich finden sich online Flüge von Teheran nach Deutschland. Auch Markus M. kennt die Angebote. Doch die Flüge kosten von einigen hundert bis zu 3.000 Euro. "Welcher Student kann sich das leisten?", schreibt er. Zwar würde seine Austauschorganisation die außerplanmäßigen Mehrkosten übernehmen. Doch dazu kommt: Wegen der Sanktionen ist der Iran vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen, ausländische Kreditkarten sind nutzlos. Wer ins Land reist, muss also ausreichend Bargeld dabei haben. Doch dem Studenten bleibt laut eigener Aussage nicht mehr so viel Bargeld übrig – selbst, wenn er einen Flug finden würde.

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Quelle: t-online

Nachbarländer haben Grenzen gesperrt

Und es gibt noch ein Problem: Als Markus M. zumindest versuchte, solche Online-Angebote wahrzunehmen, hieß es plötzlich, der Flug sei überbucht. Auch t-online.de testete auf verschiedenen Portalen, einen Flug von Teheran nach Berlin oder München zu buchen. In allen Fällen zeigte die Seite entweder keine Flüge für die nächsten Tage, es gab während des Buchungsprozesses eine Fehlermeldung oder die Seite meldete, dass der gewünschte Flug nicht mehr verfügbar sei.

Eine weitere Möglichkeit wäre laut Markus M., über einen Drittstaat auszureisen. Doch Irans Nachbarländer wie die Türkei, der Irak oder Armenien haben ihre Grenzen zum Land gesperrt. Das schreibt auch das Auswärtige Amt auf seiner Website. Die Grenze zu Aserbaidschan wäre zwar noch offen, aber: "Die Deutsche Botschaft sagte mir, dass ich da dann hundertprozentig für zwei Wochen unter Quarantäne gestellt werde", schreibt der Student. "Ich gehe gerne in Deutschland in Quarantäne, aber nicht in einem Land mit schlechterer medizinischer Versorgung."

Enttäuscht von Deutscher Botschaft

Von der Deutschen Botschaft selbst fühlt sich Markus M. im Stich gelassen: "Die wissen selbst nicht, was zu tun ist und verweisen immer auf bestehende Tickets", berichtet Markus M. "Es ist auch nicht geplant, dass uns eine Regierungsmaschine aus dem Iran fliegt."

Bisher hat die Bundesregierung Deutsche aus der chinesischen Stadt Wuhan ausgeflogen. Dort war das Coronavirus erstmals Ende Dezember 2019 ausgebrochen. Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) gilt Wuhan darum als Risikogebiet. Für den Iran hat das RKI aber nur die Provinz Ghom als Risikogebiet klassifiziert – und nicht Teheran, wo sich Markus M. befindet. Er schreibt: "Aus Angst vor Corona gehen viele Menschen hier nicht auf die Straße. Manche tragen auch Masken und Handschuhe."

Der Student geht nur noch zum Einkaufen aus dem Haus, zu einem kleinen Laden nebenan, schreibt er per WhatsApp. Wenn er nach Hause kommt, wäscht er sich sofort die Hände. Dazu sei er nach Anordnung seines Wohnheims auch verpflichtet. "Ein Mittel wird vom Wohnheim zur Verfügung gestellt", schreibt Markus M. "Das ist aber kein spezielles Desinfektionsmittel, sondern hundertprozentiger Alkohol. Es steckt in einer Fensterputzmittelflasche."

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t-online.de hat das Auswärtige Amt gefragt, unter welchen Bedingungen deutsche Staatsbürger aus Corona-Risikogebieten ausgeflogen werden. Die Antwort: "Die Bundesregierung betrachtet die Lage vor Ort sehr genau und entscheidet im jeweiligen Fall, welche Maßnahmen zum Schutz deutscher Staatsangehöriger zu treffen sind", schreibt ein Sprecher. "Wichtige Kriterien sind dabei die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen vor Ort und die Verfügbarkeit von kommerziellen Transportmöglichkeiten zur Ausreise."

Bundeswehrflug für Kranke

Das Auswärtige Amt betont auch, dass die "Bundesregierung im Kontakt mit Betroffenen vor Ort" steht. Markus M. bestätigt das: "Grundsätzlich wird mir geraten, Hamsterkäufe zu machen." Und: "Die sagen uns auch immer nur, dass wir uns selbst einen Flug organisieren sollen."

Neben der Botschaft wandte sich der Student auch an seine Reisekrankenversicherung. Screenshots eines Live-Chats liegen t-online.de vor. Die Versicherung schreibt, dass sie im Falle einer Behandlung die Kosten übernehme. Kranke werden aber "in der Regel von der Bundeswehr ausgeflogen." Und: "Wenn Sie gesund sind, fragen Sie beim Auswärtigen Amt nach."

Markus M. ist nach eigenen Angaben aber nicht an Covid-19 erkrankt. "Ich war vor zwei Wochen zwar mega krank, aber der Arzt meinte nur, es sei die Grippe", schreibt Markus M. per WhatsApp. "Aber ich will doch nicht erst krank werden, um nach Deutschland zurückzukönnen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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