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"Anne Will" zu Coronavirus: Nach NRW-Entscheid – Geisterspiele in der Bundesliga?


TV-Kritik "Anne Will"
NRW will keine Großveranstaltungen mehr – Lob für Minister


Aktualisiert am 09.03.2020Lesedauer: 3 Min.
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Talkrunde bei "Anne Will": Wie berechtigt ist die Angst vor dem Coronavirus?Vergrößern des Bildes
Talkrunde bei "Anne Will": Wie berechtigt ist die Angst vor dem Coronavirus? (Quelle: Screenshot/ ARD)

Das Coronavirus hat jetzt flächendeckend Auswirkungen in Deutschland. Nordrhein-Westfalen will Großveranstaltungen untersagen. Trotzdem bleibt bei "Anne Will" die Frage: Sind die Deutschen zu gelassen oder zu hysterisch?

Die Gäste

  • Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen
  • Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist und Moderator
  • Susanne Herold, Professorin für Infektionserkrankungen der Lunge an der Justus-Liebig-Universität Giessen
  • Sibylle Katzenstein, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Geriatrie
  • Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

Die Positionen

Jens Spahns Basta zum Coronavirus hat gesessen. Der Bundesgesundheitsminister hat am Sonntag gefordert, endlich konsequent Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern abzusagen, um die Ausbreitung zu verlangsamen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland soll das sofort geschehen. "Wir werden die Empfehlung des Bundesgesundheitsministers, die er heute gemacht hat, in Nordrhein-Westfalen umsetzen und zwar morgen oder jetzt – vollkommen klar", sagte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann. "Ich bin auch froh, dass er diese Empfehlung gemacht hat", lobte er den Parteifreund. "Wir brauchen in dieser Frage ein Vorgehen, das gleich in Deutschland ist."

Formell ist laut Laumann die Aussage "Wir wollen in NRW keine Veranstaltungen über 1.000 Menschen mehr zulassen" zwar lediglich eine Empfehlung des Landesgesundheitsministeriums an die unteren Gesundheitsbehörden. Er rechnete aber mit einer flächendeckenden Umsetzung ("In Wahrheit ist es wie eine Anordnung") und dass sich weitere Bundesländer an Spahns Empfehlung orientieren werden. Allerdings sollen es seiner Ansicht nach Bundesligavereine selbst entscheiden, ob sie ohne Publikum spielen oder Partien ganz absagen wollen.

"Jens Spahn macht genau das Richtige", meinte auch Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. Die derzeit knapp 1.000 Fälle in Deutschland (exakt: 902 am 8. März) würden zwar nicht nach viel klingen. Bei Epidemien sei aber das exponentielle Wachstum entscheidend. Wenn sich die Fallzahlen jede Woche verdoppeln würden, wäre Deutschland Ende Mai rein rechnerisch bei einer Million. Dann würden die Kapazitäten nicht ausreichen, um alle neuen Fälle zu testen. Laut Laumann können in Deutschland pro Tag maximal rund 20.000 Proben untersucht werden. Scheinbar drastische Schritte und die richtigen Prioritäten sind deshalb nach Ansicht von Yogeshwar jetzt richtig, um rational auf die Bedrohung zu reagieren: "Ein Fußballspiel würde ich definitiv kappen." Genauso wichtig sei es aber auch, nicht in Panik zu verfallen. Hamsterkäufe nannte er "absurd".

Während die große Koalition am Sonntagabend über mögliche Hilfen für die Wirtschaft diskutierte, forderte Marcel Fratzscher Überbrückungskredite, Kurzarbeitergeld, Investitionsprogramme und sogar eine vorübergehende Absenkung der Mehrwertsteuer, um den Konsum anzukurbeln.

Faktencheck: Wie tödlich ist das Coronavirus wirklich?

Von Schulschließungen oder der Abriegelung ganzer Landstriche wie in China oder Italien ist Deutschland noch weit entfernt. Eine Mehrheit der Deutschen gab sich im aktuellen Deutschlandtrend gelassen, was das Ansteckungsrisiko angeht. 76 Prozent schätzten ihre Sorge als klein oder weniger groß ein. Das war allerdings, ehe Deutschland den ersten Coronavirus-Toten hatte. Am Sonntag wurde bekannt, dass ein infizierter Bundesbürger während des Urlaubs in Ägypten gestorben ist.

Viele Deutsche sind auch mit Blick auf die Grippe beim Coronavirus vergleichsweise gelassen. In dieser Saison sind laut dem Robert Koch-Institut bereits 202 Todesfälle mit Influenzavirusinfektion registriert. 2017/18 gab es allein in Deutschland rund 25.000 Grippetote. "Und keiner saß in Quarantäne", zog Will den direkten Vergleich. Die Experten in der Runde warnten allerdings, dass sich Laien hier in falsche Sicherheit wiegen können. Möglicherweise sei die Sterblichkeitsrate bei dem Coronavirus höher als bei der Grippe, sagte die Medizinprofessorin Susanne Herold. Dazu gebe es bislang allerdings sehr unterschiedliche Forschungsergebnisse.

Die Wahrscheinlichkeit, an einer Grippe zu sterben, liegt laut RKI bei etwa 0,1 bis 0,2 Prozent. Herold verwies auf einen Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO, laut dem die Sterblichkeitsrate in der besonders betroffenen chinesischen Stadt Wuhan im Durchschnitt bei 5,4 Prozent gelegen habe. Außerhalb der Metropole sei die Mortalität allerdings auf 0,7 Prozent gesunken. In Südkorea liege die Rate mit 0,6 Prozent ebenfalls vergleichsweise niedrig, in Italien hingegen bei über drei Prozent. "Wir wissen es nicht so genau", sagte die Forscherin auf die Frage nach dem Warum.

Ob Kitas oder Schulen für zwei Wochen geschlossen werden sollten, bezweifelte Herold. Das Bundesligaspiel im Stadion von Borussia Mönchengladbach nahe des bundesweit am stärksten betroffenen Kreises Heinsberg hätte sie aber abgesagt.

Das Zitat des Abends

Die Berliner Allgemeinmedizinerin Sibylle Katzenstein arbeitet in ihrer Praxis quasi in der vordersten Verteidigungslinie. Sie verlangte eine größere Dringlichkeit bei der Grundeinstellung zum Coronavirus. Die meisten Menschen hätten aus Unwissenheit eine "übergroße Gelassenheit". Die niedergelassene Ärztin forderte eine fundierte Aufklärung, "damit jeder selbst entscheiden kann, ob er Angst hat". Sie kritisierte zudem, dass in der Debatte um Konsequenzen häufig die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt werde. "Es geht nicht nur um Fußballspiele", sagte die Ärztin. "Es geht um den Schutz der vulnerablen Leute, der kranken Leute, der alten Leute."

Verwendete Quellen
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