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Flixbus-Unfall: Spielten Arbeitsbedingungen eine Rolle?


Debatte um Busunternehmen nach Unglück
"Die streichen Busse grün und sind für Flixbus unterwegs"


28.03.2024Lesedauer: 3 Min.
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Blick auf den verunglückten Bus an der Unfallstelle auf der A9.Vergrößern des Bildes
Blick auf den verunglückten Bus an der Unfallstelle auf der A9. (Quelle: Jan Woitas/dpa)

Die Ermittlungen laufen nach dem Unfall eines Reisebusses auf Hochtouren. Nicht zum ersten Mal wird dabei auch über Flixbus selbst diskutiert.

Noch immer ist unklar, wie es zu dem Unfall eines Flixbusses auf der Autobahn 9 nahe Leipzig kommen konnte. Vier Menschen sind dabei gestorben, über 50 Menschen wurden verletzt. Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt nun gegen den Fahrer.

Ob auch die Arbeitsbedingungen bei Flixbus eine Rolle spielen, ist noch offen. An diesen gab es in der Vergangenheit immer wieder Kritik. Diese bekräftigt Andreas Schackert von Verdi. Er ist Leiter der Bundesfachgruppe Busse und Bahnen bei der Gewerkschaft: "Beschäftigte im Reiseverkehr sind von vielen Tarifverträgen nicht oder nicht vollständig erfasst", sagt Schackert auf Anfrage von t-online.

Das liege auch an dem Geschäftsmodell von Flixbus: "In der Regel hat Flixbus keine eigenen Busse", erklärt Schackert. Stattdessen werden private Busunternehmen als Partner beauftragt. "Die streichen ihre Busse grün und sind dann für Flixbus unterwegs." Diese Unternehmen seien oft ohne Tarifbindung beauftragt. "Diese sind tariflich nur rudimentär aufgestellt." Es fehle dabei nicht nur an Tarifverträgen, sondern auch an Betriebsräten, so Schackert.

Dem widerspricht das Unternehmen auf Anfrage von t-online: "Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir einen attraktiven Arbeitsplatz als Fernbusfahrer bieten. Dazu zählen natürlich auch attraktive und oft übertarifliche Gehälter im Vergleich zum tariflich geregelten ÖPNV sowie moderne Fernbusse als Arbeitsplätze." In der Praxis stelle sich die Frage nicht, so Flixbus. Schließlich finde man aufgrund der herrschenden Personalsituation und dem Fahrermangel kein Personal mehr, wenn man nicht die gesetzlichen und tariflichen Standards erfülle, heißt es weiter.

Video | Reisebus auf der A9 bei Leipzig verunglückt
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Quelle: t-online

Schackert kritisiert am Unternehmen auch das Fehlen von Gewerkschaften: "Wir sind als Gewerkschaft nicht so stark verankert. Das ist auch ein Grund für die schlechten Arbeitsbedingungen", sagt er auf Anfrage von t-online. Transparent sei das Münchner Unternehmen bei seinen Partnern nicht: "Wir haben keine belastbare Übersicht darüber, welche Unternehmen für Flixbus tätig sind", sagt der Gewerkschafter. Das Busunternehmen selbst spricht von rund 1.000 Partnern weltweit.

Dass Flixbus keine eigenen Busse hat, bestätigt auch Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn: "Das Unternehmen beauftragt Franchisenehmer. Deswegen sind die Arbeitsbedingungen je nach Franchisenehmer unterschiedlich", erklärt er auf Anfrage von t-online. "Sollten die Bedingungen der Franchisenehmer der Grund für den Unfall sein, wird sich Flixbus von ihm trennen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche." Es gelte aber erst mal abzuwarten, was die Unfallermittlung ergebe, so Neuß weiter.

Dass das Unternehmen gar keine Busse besitzt, ist nicht korrekt: "Seit den Übernahmen von Kamil Koc in der Türkei und Greyhound in den USA besitzt Flix auch wenige eigene Busse", heißt es auf Anfrage von t-online. Richtig sei jedoch, dass Flixbus nur einen kleinen Teil der Fahrzeuge selbst besitzt: "Während Flix unter anderem die technologische Buchungsplattform, die Netzplanung, den Vertrieb, das Marketing, die Betriebsführung und den Kundenservice verantwortet, sind die meist mittelständischen Buspartner für den operativen Betrieb, sprich die Busse und Busfahrer, zuständig", heißt es weiter.

Schackert von Verdi sieht ein weiteres Problem: "Im Reisebusverkehr über Grenzen hinweg, ist es durch EU-Recht möglich, dass Fahrer nach den Arbeitsbedingungen ihres Heimatlandes beschäftigt sind." Dem widerspricht Flixbus zumindest mit Blick auf die Bezahlung. Nach einer EU-Richtlinie "muss ein Transportunternehmen, welches nicht im Zielland ansässig ist, den Mindestlohn des jeweiligen Ziellandes bezahlen", so das Unternehmen. Das bedeutet: Fährt ein Busfahrer aus dem Ausland durch Deutschland, muss dieser mindestens den deutschen Mindestlohn erhalten.

Kritik an Flixbus in den sozialen Medien

Nicht nur die Gewerkschaft kritisiert Flixbus: Im Netz gab es vor allem nach dem Unfall viel Kritik am Unternehmen. So einseitig sind die Rückmeldung bei Pro Bahn nicht: "Wir haben weder massive Beschwerden über Flixbus erhalten, noch gibt es eine besondere Häufigkeit bei Unfällen."

Was Kritik an Arbeitszeiten der Busfahrer angeht, sieht Neuß die Probleme nicht bei Flixbus: "Die Überschreitung von Lenkzeit ist bei Reisebussen, die ins Ausland fahren, etwa nach Spanien, viel häufiger." Auch das Unternehmen selbst erklärt: "Wir überprüfen die Lenk- und Ruhezeiten unserer Fahrer regelmäßig auf geltende Sozialvorschriften in allen eingesetzten Bussen. Die Daten zu Lenk- und Ruhezeiten aller eingesetzten Busse und Fahrer werden regelmäßig abgefragt und von Flix ausgewertet." Kommt es zu Verstößen, müssen Buspartner mit Strafen und Schulungsmaßnahmen rechnen.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Andreas Schackert
  • Telefoninterview mit Deltef Neuß
  • E-Mail-Interview mit Flixbus Presseabteilung
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