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Bombendrohungen: Hackerin N3ll4 packt über die Absender der Mails aus


Bombendrohungen aufgeklärt
250 Drohmails: "Die wollten möglichst viel Chaos stiften"

  • Lars Wienand
InterviewVon Lars Wienand

Aktualisiert am 20.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Polizeieinsatz nach Bombendrohung: Mehr als 30 Mal wurde evakuiert, gesperrt und durchsucht bei ZDF, an Gerichten, Rathäusern und Schulen nach den Droh-E-Mails.Vergrößern des Bildes
Polizeieinsatz nach Bombendrohung: Mehr als 30-mal wurde nach den Droh-E-Mails evakuiert, gesperrt und durchsucht – beim ZDF, an Gerichten, Rathäusern und Schulen. (Quelle: Sascha Thelen/dpa)

Der Fall von massenhaften Bombendrohungen in Deutschland scheint geklärt zu sein. Eine 26-jährige Hackerin hat die Polizei zu Verdächtigen geführt – weil sie mitten unter ihnen war.

Die Polizei hat zwei Männer ermittelt, die an der Serie von Bombendrohungen gegen mehr als 250 Einrichtungen und Firmen in Deutschland beteiligt gewesen sein sollen. Die massenhaften Droh-E-Mails seit dem 18. Oktober lösten Sperrungen von Flughäfen und Bahnhöfen aus, sie führten zu Evakuierungen und Großeinsätzen und versetzten vielfach Menschen in Angst.

Die Cyber-Security-Spezialistin Ornella Al-Lami, die im Netz als"N3ll4" auftritt, hat entscheidende Hinweise geliefert: Bei einem 19-Jährigen aus dem Hohenlohekreis und einem 30-Jährigen aus dem Kreis Minden-Lübbecke wurde durchsucht und IT-Technik sichergestellt, sie sind offenbar Teil einer Gruppe. "N3ll4" sagt im Interview mit t-online: Die Erklärung für das kriminelle Verhalten liege auch in Erfahrungen und der Kindheit dieser Leute.

t-online: Frau Al-Lami, worum geht es diesen Leuten?

Ornella Al-Lami: Sie wollen mit ihrem Handeln möglichst viel Aufmerksamkeit erregen, möglichst viel Chaos stiften und damit in die Öffentlichkeit kommen. Das ist dann ein Erfolg für sie, die größten Erfolge waren die Räumung von ZDF und das Lahmlegen von Flughäfen.

Aber wieso hat jemand Spaß an der Drohung, dass Schulen in die Luft fliegen würden?

Zum einen gibt es in diesen Kreisen wenig Zutrauen in unser Gemeinwesen, die Leute haben nach eigenen schlechten und traumatischen Erfahrungen eine Wut auf den Staat, auf Institutionen oder auf die Gesellschaft und wenig Respekt. Da sind Schulabbrecher und ehemalige Heimkinder dabei, die ihre Erfahrungen auf andere übertragen. Ich habe sie bei der Polizei "verlassene Kinder" genannt. Die haben viel Scheiße erlebt, in manchem sind sie wie ich.

Sie haben Missbrauchserfahrungen gemacht, und wurden von einem Fremden aufgefordert, sich vor einer WebCam auszuziehen.

Ich habe in den Kreisen der Zeugen Jehovas Missbrauch erlebt, und ich kann nachvollziehen, wie es dazu kommt, die Wut und die Erfahrungen mit manchen Aktivitäten zu kompensieren. Und wenn das Internet zum Rückzugsort wird. Das ist auch das, was diese Leute verbindet. Und ich wollte wissen, wie das passiert ist, dass jemand meine WebCam übernimmt.

Und so sind Sie in diese Kreise gekommen?

Ich habe früh eine Affinität für Informatik entwickelt. Wenn man da viel wissen und lernen will, kommt man nicht drumherum, Netzwerke kennenzulernen, in denen gewisse Dinge ausgetauscht werden. Ich bin selbst keine Heilige – aber ich habe meine Dinger gemacht mit dem moralischen Anspruch, Pädophile und Rechtsextremisten zu überführen und Opfern von Cybermobbing und Cybergrooming zu helfen. Wir haben alle Grenzüberschreitungen erleben müssen. Aber die haben nicht gelernt, manche Grenzen zu akzeptieren.

Wie groß ist der Kreis?

Den Kreis derer, die an den Bombendrohungen beteiligt waren, schätze ich auf acht bis zwölf. Das ist eine kriminelle Gruppe, die sich herausgebildet hat, die auch in der Haider-Szene gefürchtet ist, aus der sie ursprünglich kommt.

"Haider" meint die "Hater", die Anti-Fans des mit YouTube bekannt gewordenen "Drachenlords" Rainer Winkler. Einige provozieren ihn so, dass er entsprechend reagiert, und er lebt auch finanziell von der Aufmerksamkeit darum. Und aus dem Kreis kommen die Bombendrohungen?

Ja, dort entstand eine eigene Gruppe, bei der der Bekannteste ein Nutzer mit dem Pseudonym Mimon war. Dort gab es aber Streit und Unstimmigkeiten und eine Abspaltung, und Mimon hat gemerkt, dass ihm das alles zu weit geht. Er hat mich deshalb vor einem Jahr in diesen Kreis dazugeholt, auf Discord.

Discord ist ein ursprünglich für Computerspieler gedachter Service für Chats, Sprachkonferenzen und Videokonferenzen. Und die haben mit Ihnen in der Gruppe weitergemacht, obwohl bekannt ist, dass Sie mit der Polizei zusammenarbeiten?

Sie haben sich mit Pseudonymen wohl sehr sicher gefühlt. Und dann dachten sie ja wohl auch, dass das schon okay sein muss, wenn ich hinzugefügt worden bin.

In Nachrichten, die Sie t-online zur Verfügung gestellt haben, beklagte jemand, Sie fänden die Aktionen nicht gut. Wie deutlich waren Sie?

Ich war weitestgehend ruhig. Was hätte ich damit erreicht, wenn ich da energischer gewesen wäre? Ich hätte keinen Einfluss nehmen können, sie hätten es von mir nicht angenommen. Aber ich hätte es dann vielleicht nicht weiter verfolgen können. So konnte ich Belege sammeln. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg war dann in meinen Augen unfassbar bemüht. Geholfen hat auch, dass der Kreis auch innerlich zerrissen ist – die haben sich gegenseitig gezinkt.

Und vorher aber auch angespornt?

Sie haben sich gegenseitig hochgeschaukelt. Die haben sich ausgetauscht und auch gelernt: Drohungen von angeblichen jüdischen Extremisten haben weniger öffentlichen Wirbel gemacht und wurden weniger ernst genommen. Also haben sie dann angeblich im Namen der Hamas gedroht. Das zeigt auch, dass die Leute da gar nicht so sehr eine eigene politische Agenda hatten, sondern es um maximale Wirkung ging.

Und jetzt können wir aufatmen: Es ist Schluss?

Ich gehe davon aus, dass auch weitere Beteiligte noch ermittelt werden. Und ja, ich glaube, dass deren Treiben mit den Bombendrohungen jetzt gestoppt ist, und das ist wichtig. Auch für sie selbst: Damit hat man ihnen einen großen Gefallen getan, sie hatten sich darin verloren.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • stern.de: "Ich liebe es, als Frau unterschätzt zu werden" – Wie Hackerin "N3ll4" im Netz Kriminelle jagt
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