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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Der Albtraum eines jeden Ermittlers" Frau zigfach vergewaltigt – weil Polizei schlampte

Ein Mann betäubt und vergewaltigt seine Frau regelmäßig. Videos lädt er im Internet hoch. Die Polizei wird eingeschaltet – doch erst ein Jahr später leitet sie Ermittlungen ein.
Ein Mann aus Niedersachsen hat seine Ehefrau offenbar mindestens 15 Jahre lang immer wieder betäubt und vergewaltigt. Die Taten filmte er und lud die Aufnahmen auf Pornoseiten hoch, wo die Clips millionenfach aufgerufen wurden.
Eine Recherche des Reportageformats "STRG_F" hat den Fall aufgedeckt, wie der NDR am Dienstag meldete. Brisant: Die Journalisten hatten das Bundeskriminalamt (BKA) bereits im Juli 2023 über die Vergewaltigungen informiert. Das BKA leitete den Fall an die Hamburger Polizei weiter – doch dort geschah lange nichts.
Erst nachdem die "STRG_F"-Redaktion die Beamten ein weiteres Mal auf den Vergewaltiger aufmerksam gemacht hatte, nahm die Hamburger Fachdienststelle für Sexualdelikte die Ermittlungen auf. So erfuhr die Ehefrau des Täters erst im Zuge einer Hausdurchsuchung Ende 2024 von den jahrelangen Vergewaltigungen unter Betäubung.
Polizei räumt "verhängnisvollen Fehler" ein
Der Verzug führte zu einer Vielzahl von Vergewaltigungen, die der Täter nur aufgrund der Versäumnisse begehen konnte. Laut der zuständigen Staatsanwaltschaft in Niedersachsen soll der Mann seine Frau im Durchschnitt alle zwei Wochen betäubt und vergewaltigt haben.
Die Polizei Hamburg bestätigt den Fall. "Ein solcher Fehler ist der Albtraum eines jeden Ermittlers", teilte der Hamburger Polizeisprecher Florian Abbenseth t-online mit. "Seien Sie versichert: Der Schutz betroffener Opfer hat bei uns oberste Priorität. Diesem Anspruch sind wir hier nicht gerecht geworden." Die Hamburger Polizei bedaure zutiefst, dass die Ermittlungen erst mit so erheblichem Verzug aufgenommen wurden und das Leid der Frau nicht schon viel früher beendet wurde.
- Der Fall Pelicot und die Folgen: Die Täter sind überall
Sofort nach Bekanntwerden dieses "verhängnisvollen Fehlers" habe die Polizei Hamburg interne Verwaltungsermittlungen aufgenommen, um sicherzustellen, dass sich so etwas niemals wiederhole. "In diesem Zusammenhang werden auch mögliche strafrechtliche oder disziplinarische Folgen geprüft", erklärte Abbenseth.
Im konkreten Fall sollen laut "STRG_F" Hunderte Pillen bei dem Verdächtigen aus Niedersachsen entdeckt worden sein, die unter das Betäubungsmittelgesetz fielen. "Irgendwann hätte mein Mann mich getötet", zitiert das NDR-Format die Frau.
Eine Strafe wird der mutmaßliche Täter nie erhalten: Bevor ein Haftbefehl vollstreckt werden konnte, starb der 60-Jährige dem NDR zufolge bei einem Unfall ohne Fremdeinwirkung.
Vergewaltigungsnetzwerke im Internet entdeckt
Der Fall war durch eine "STRG_F"-Recherche zu Vergewaltigungen von betäubten Frauen ans Licht gekommen. Die Journalisten hatten Dutzende Chatgruppen auf dem Messengerdienst Telegram beobachtet und Chatverläufe, Fotos und Videos aus Gruppen mit Hunderten bis Zehntausenden Mitgliedern dokumentiert.
In den Chats tauschen die Mitglieder der Recherche zufolge Anleitungen aus, wie man Menschen für sexuelle Übergriffe unbemerkt betäuben kann. Frauen würden auch anderen Nutzern zur Vergewaltigung angeboten. Bei den Opfern handele es sich um Schwestern, Mütter, Freundinnen und Ehefrauen.
Das von "STRG_F" informierte BKA hatte die Informationen 2023 an die Polizei Hamburg weitergeleitet, weil dort der NDR seinen Sitz hat. Laut den Hamburger Beamten führten die Untersuchungen noch in einem weiteren Fall zu einem ermittelten Tatverdächtigen. Dieses Verfahren sei zuständigkeitshalber nach Hessen abgegeben worden. Dort sei es aber eingestellt worden, weil ein Einverständnis der betroffenen Frau vorgelegen haben soll.
- Anfrage an die Polizei Hamburg
- ndr.de: "STRG_F-Undercover-Recherche überführt Vergewaltiger aus Niedersachsen"
- tagesschau.de: "Vergewaltiger-Netzwerk auf Telegram aufgedeckt"