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Illegaler Tierhandel: Tierschutz klärt über Quälerei von Schuppentieren auf


Illegaler Handel
Wilderer füttern dieses Tier mit Zement zu Tode

InterviewVon Simone Rafael

Aktualisiert am 18.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Schuppentiere gibt es in Asien und Afrika: Alle acht Arten sind gefährdet.Vergrößern des Bildes
Schuppentiere gibt es in Asien und Afrika: Alle acht Arten sind gefährdet. (Quelle: Daniel Haesslich/getty-images-bilder)

Schuppentiere leben seit Urzeiten in Asien und Afrika – und sind jetzt stark bedroht. Einziger Feind: der Mensch. Wiebke Plasse von der Welttierschutzgesellschaft will das ändern.

Heute ist Welttag des Schuppentieres. Die kleinen Waldbewohner gehören zu den ältesten noch auf der Erde lebenden Säugetierarten: Schuppentiere, die auch Pangoline heißen, gibt es bereits seit 80 Millionen Jahren. Ihr gepanzerter Körper schützt sie vor tierischen Feinden – doch der Mensch hat die acht noch existierenden Arten in Asien und Afrika beinahe ausgerottet.

Warum? Und wie gehen Helfer vor, um die mysteriösen Tiere, über die bis heute kaum etwas bekannt ist, zu retten? Das haben wir Wiebke Plasse von der Welttierschutzgesellschaft gefragt, die sich in Vietnam mit der lokalen Partnerorganisation Save Vietnam's Wildlife für den Schuppentier-Schutz engagiert.

t-online: Frau Plasse, was fasziniert Sie an Schuppentieren?

Wiebke Plasse: Sie sehen praktisch wie kleine Dinosaurier aus, die weiter auf der Erde wohnen. Sie sind durch ihre Schuppen gepanzert, aber auch fragil. Sie haben keine Mimik, aber sie sind trotzdem ausdrucksstark.

Das spricht für ihren Schutz. Aber warum sind Schuppentiere für Wilderer so attraktiv?

Sie sind sehr leicht zu fangen. Der Körper eines Schuppentieres ist praktisch durch die Schuppen gepanzert, nur der Hals und Bauch sind verletzlich. 80 Millionen Jahre haben diese Tiere gut damit überlebt, sich zu einer Kugel zusammenzurollen, bis die Feinde wieder gehen. Beim Menschen funktioniert das leider nicht. Der sammelt sie einfach ein und nimmt sie mit.

Wiebke Plasse von der Welttierschutzgesellschaft in Vietnam.
Wiebke Plasse von der Welttierschutzgesellschaft in Vietnam. (Quelle: Welttierschutzgesellschaft)

Zur Person

Wiebke Plasse arbeitet bei der Welttierschutzgesellschaft, die mit Partnern vor Ort weltweit Tiere schützt und rettet. In Vietnam kümmert sich die Partnerorganisation Save Vietnam’s Wildlife um den Schutz und die Rettung von Schuppentieren.

Aber warum wollen illegale Tierhändler sie fangen?

Die Schuppen des Schuppentieres werden bereits seit langer Zeit in der traditionellen asiatischen Medizin verwendet – sie sollen bei vielen Krankheiten helfen. Heutzutage heißt es, sie könnten sogar Krebs heilen. Dafür gibt es nicht den geringsten Beweis. Aber von solchen traditionellen Normen sind Menschen sehr schwer abzubringen. Außerdem gilt ihr Fleisch als Delikatesse in wohlhabenden Kreisen – gerade weil es teuer und illegal ist. Manche Menschen legen auch Schuppentier-Babys in Reiswein ein, der soll dann besonders schmecken.

Und dafür gibt es einen großen Markt?

Die Folgen sind für Schuppentiere weltweit fatal: Alle acht Arten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Auch in Afrika werden die Tiere immer stärker gewildert. Ihre Schuppen werden dann nach Asien verschifft. Wir wissen das, weil Tiere an Handelsschwerpunkten wie etwa Istanbul oder Bangkok konfisziert wurden.

Wenn die Tiere konfisziert werden – leben sie dann?

In Asien werden die Tiere lebendig gehandelt. Wenn sie von Afrika nach Asien verschickt werden, sind sie tot oder es werden nur die Schuppen geschmuggelt. Aber auch bei den lebendigen Tieren sehen wir: Ihr Überleben zählt nicht. Sie werden schwer misshandelt, nicht gefüttert, sie bekommen kein Wasser – und dann ist da noch die Sache mit dem Zement.

Was passiert mit dem Zement?

Die Händler flößen den Tieren Zement ein. Wir müssen uns das vorstellen wie bei der zwangsweisen Gänsemast. Schwerere Tiere erzielen höhere Preise, weil sie vermeintlich größer sind, mehr Fleisch und Schuppen haben. Wir wissen das, weil wir in den Mägen der Tiere den Zement gefunden haben.

Überleben die Tiere die Zementbehandlung?

Viele nicht. Manchmal werden Tiere lebend mit Zement im Magen gefunden, aber oft sterben sie dann kurz danach. Das ist bei Konfiszierungen auch ein Problem: Die Schuppentiere sehen zwar sehr robust aus, aber sie sind es nicht. Sie sind sogar ziemlich empfindlich. Viele sterben auch noch nach der Rettung, weil staatliche Behörden nicht ausreichend wissen, was die Tiere brauchen.

Wie lässt sich die Rettung organisieren, damit Schuppentiere sie auch überleben?

In Vietnam sichern wir mit der lokalen Organisation Save Vietnam's Wildlife mehrere Bereitschaftsteams mit Tierärzten und erfahrenen Pflegern, die rund um die Uhr ausrücken, wenn Tiere von der Polizei konfisziert werden. Sie werden erstversorgt und vor Ort behandelt oder in Schutzzentren gebracht. Dann gibt es drei Möglichkeiten: Gesunde Tiere werden schnellstmöglich wieder ausgewildert. Kranke Tiere, die aber behandelt werden können, bleiben im Schutzzentrum, bis sie gesund sind und werden dann ausgewildert. Manche Tiere sind aber auch so krank oder haben Gliedmaßen verloren, dass sie im Schutzzentrum bleiben und weiter versorgt werden.

Dieses Schuppentier lebt im Auswilderungsbereich des Schutzzentrums in Vietnam.
Dieses Schuppentier lebt im Auswilderungsbereich des Schutzzentrums in Vietnam. (Quelle: Save Vietnam's Wildlife)

Schuppentiere

Schuppentiere, auch Pangoline oder Tannenzapfentiere genannt, leben in Asien und Afrika. Bis heute sind sie weitgehend unerforscht, weil sie scheu, einzelgängerisch und vorwiegend nachtaktiv sind. Alle Arten stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion IUCN. Pangoline gehen auf ihren Hinterbeinen, wobei die Vorderbeine und der Schwanz vom Boden abgehoben sind. Der illegale Wildtierhandel will den Tieren an Schuppen und Fleisch. Alleine 2019 wurden 97 Tonnen Schuppen konfisziert. Diese Menge an Schuppen ist auf etwa 180.000 Schuppentier-Individuen zurückzuführen.

Wie viele Tiere sind in den Versorgungszentren?

Als ich im Januar in Vietnam war, waren es siebzig Tiere pro Zentrum. Sie werden rund um die Uhr versorgt. Da die Tiere nachtaktiv sind, findet viel Pflegearbeit nachts statt. Verwaiste Jungtiere müssen etwa von Hand gefüttert werden – alle zwei Stunden. Tagsüber widmen sich die Zentren der Informationsarbeit: Den älteren Menschen bringen wir Empathie für Schuppentiere nicht mehr bei – aber wir sehen sehr große Chancen für den Wildtierschutz bei Kindern. Nur so können sich die grausamen Traditionen ändern.

Sie haben bereits gesagt, dass der Handel mit Schuppentieren illegal ist. Warum ist er trotzdem so groß?

Es fehlt nicht an Gesetzen – die Durchsetzung ist das Problem. Sicherheitsbehörden schauen beim illegalen Tierhandel häufig zu wenig hin. In manchen Fällen und Ländern der Welt sind sie sogar selbst in den Handel involviert. Er ist ja auch lukrativ.

Was fehlt der Welt, wenn es keine Schuppentiere mehr gäbe?

Abseits der Tatsache, dass ein weiteres faszinierendes und liebenswürdiges Tier ausgestorben wäre? Die Rolle im Ökosystem ist aber gar nicht so leicht zu beantworten. Schuppentiere sind ja so erschreckend wenig erforscht. Wir kennen nicht einmal ihre Paarungszeiten. Aber eins kann ich sagen: Wenn ich gesehen habe, welche Menge an Ameisen und Termiten jedes einzelne Schuppentier isst, ist klar, dass sie bei der Regulierung der Insektenmengen in den Wäldern eine wichtige Rolle spielen. Es sind tatsächlich 70 Millionen Ameisen und Termiten pro Schuppentier und Jahr.

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