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Russland | Putins Heimat kehrt ihm den Rücken: "Er wird definitiv verschwinden"


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Heimatbezirk stellt sich gegen Kremlchef
"Putin wird definitiv verschwinden"


Aktualisiert am 14.09.2022Lesedauer: 4 Min.
Wladimir Putin: Die Kritik am Kremlchef und seiner Kriegsführung in der Ukraine nimmt zu.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Die Kritik am Kremlchef und seiner Kriegsführung in der Ukraine nimmt zu. (Quelle: Gavriil Grigorov)
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Dutzende Politiker fordern Putins Rücktritt, einige wollen den Kremlchef wegen Hochverrats verklagen. Ein Detail ist dabei besonders interessant.

Immer mehr Lokalpolitiker in Russland fordern den Rücktritt des russischen Präsidenten. Sie kritisieren seine Kriegsführung in der Ukraine, sind unzufrieden mit dem Verlauf der "Spezialoperation", wie die Invasion von der russischen Führung genannt wird. Zu groß sind die Verluste der Armee, zu klein die Erfolge in der Offensive.

Aber wer gehört eigentlich zu den Menschen, die sich trauen, sich öffentlich gegen Wladimir Putin zu stellen – und warum gehen sie das Risiko ein, bestraft zu werden?

Der Blick auf die Namensliste der Politiker, die den Kremlchef auffordern, sein Amt niederzulegen, und die ihn wegen Hochverrats verklagen wollen, legt ein interessantes Detail offen: Mehrere kommen aus seinem Heimatbezirk Smolninskoje in St. Petersburg. Putin habe einst in einem Haus in der Straße mit dem Namen Baskow Pereulok gelebt, sagte der Abgeordnete Nikita Juferew dem "Stern". "Er ist also ein Kind unseres Bezirks Smolninskoje."

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Sieben Leute stimmten für Appell an Duma

In dem Interview begründet der parteilose Abgeordnete den Appell an die Staatsduma. Er habe zuvor bereits mehrmals eine Anfrage an die Präsidialverwaltung gestellt, die "Sonderoperation" zu stoppen – vor allem aus humanitären Gründen. Er veröffentlichte im August die Opferstatistiken der Vereinten Nationen. Die Antwort auf die Anfrage habe ihn jedoch nicht zufriedengestellt.

Deshalb habe sein Kollege Dmitri Paljuga vorgeschlagen, "auf der für den 7. September angesetzten kommunalen Ratssitzung einen Appell an die Staatsduma mit dem Vorschlag zu richten, den russischen Präsidenten seines Amts zu entheben – und zwar auf der Grundlage des Vorwurfs des Hochverrats", sagte Juferew. Paljuga hatte das Schreiben vergangene Woche auf Twitter veröffentlicht, sieben Abgeordnete hatten zugestimmt. Zwei von ihnen gehören der sozialliberalen Partei "Jabloko" an, fünf sind parteilos.

Dass der Appell im kommunalen Rat ausreichend Zustimmung erlangte, lag auch daran, dass die Vertreter der russischen Regierungsartei "Einiges Russland" der Abstimmung im Stadtrat fernblieben. Hätten die Abgeordneten gegen die Forderungen votiert, hätte die Opposition keine Mehrheit gehabt. "Ich kann aber nicht sagen, ob sie das mit Absicht oder aus Dummheit gemacht haben", sagte Juferew dem "Stern".

"Wir verstehen, dass sie nicht auf einmal in Tränen ausbrechen"

Der Politiker dämpft in dem Interview jedoch die Hoffnungen, dass die Forderungen und Appelle an Putin und die Staatsduma Erfolg haben werden. "Wir verstehen, dass sie nicht auf einmal in Tränen ausbrechen und die Sonderoperation sofort beenden werden", so der Abgeordnete. Der Appell werde nicht so bald zum Rücktritt des Präsidenten führen. Es sei vielmehr ein Akt des Protests – und die Forderungen hätten einen Effekt auf die Menschen, die Putinisten, die sich noch nicht eindeutig festgelegt hätten.

Am Sonntag bekräftigte der Politiker seine Forderungen. "Freunde, in wenigen Tagen habt ihr Tausende von Unterstützungsschreiben verfasst und Dutzende von Anrufen getätigt, in denen ihr eure Hilfe angeboten habt", twitterte Juferew und stellte klar: "Putin wird definitiv verschwinden!"

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Juferews Kollege Paljuga hatte zuvor ebenso deutliche Worte für die Rücktrittsforderungen gefunden: "Wir wollen den Menschen zeigen, dass es Abgeordnete gibt, die mit dem aktuellen Kurs nicht einverstanden sind", sagte er der russischen Investigativplattform "The Insider". Man wolle den Leuten zeigen, dass man keine Angst habe, darüber zu sprechen.

Welche Strafe droht den Abgeordneten?

An diesem Dienstag musste der Abgeordnete Juferew aufgrund des Appells an die Duma bei der Polizei vorstellig werden, wie er auf Twitter mitteilte. Auch die Lokalpolitiker Dmitri Paljuga, Dmitri Baltrukov, Anna Kiseleva und Ivan Chebotar müssen sich verantworten. Um zu verhindern, wegen des Protests jahrelang ins Straflager zu kommen, benutze man keine Terminologie, die die russische Gesetzgebung verhindert, erklärte Juferew dem "Stern". Man beziehe sich zudem auf offizielle Quellen. "Aus juristischer Sicht sind wir sauber."

Das bekräftigte auch sein Kollege Baltrukov: "Im Moment denke ich, dass die Risiken auf zwei Geldstrafen von jeweils maximal 50.000 Rubel (ca. 823 Euro, Anm. d. Red.) begrenzt sind", sagte er dem unabhängigen russischen Portal "Paperpaper.ru". Selbst wenn das Bezirksgericht ein Urteil fälle, werde es eine Berufung geben, denn er sehe keine Straftat.

"Jetzt etwas zu sagen, ist heikel"

Baltrukov führte aus, dass der Bezirksrat viele Aufforderungen von Bürgern erhalten hätte, "unseren und ihren Standpunkt zu erläutern". "Jetzt etwas zu sagen, ist heikel, also bittet man uns", so der Lokalpolitiker. Das föderale Gesetz besage, dass die Abgeordneten der Staatsduma nun verpflichtet seien, die Beschwerde zu prüfen und innerhalb von 30 Tagen eine Antwort zu geben.

Der Politiker erklärt in dem Interview auch, warum der Appell des Stadtbezirkes seiner Ansicht nach so viel Aufmerksamkeit erlangt. "Offenbar ist die Mediensituation jetzt so, dass ein falscher Eindruck von einheitlicher Unterstützung für den Krieg entsteht", sagt Baltrukov. Daher löse eine Aussage, die nicht in dieses Medienschema passt, eine Art Schock aus.

"Kein Monarch, sondern ein Angestellter"

Xenia Torstrem, Abgeordnete des Bezirksrats in Semenovsky in St. Petersburg, beteiligt sich ebenfalls an einer Petition für den Rücktritt des Präsidenten – und feiert seit deren Veröffentlichung Etappensiege. Zuvor war sie kaum aktiv auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Nun postet sie alle paar Stunden, wie viele weitere Unterschriften gesammelt wurden, und veröffentlicht die Namen der Dutzenden Unterstützer.

Der russischen Investigativplattform "The Insider" sagte Torstrem: "[Putin] ist kein Monarch, sondern ein Angestellter, der von unseren Steuern bezahlt wird." Es sei nicht verboten, den Rücktritt des Präsidenten zu fordern. Lesen Sie hier mehr dazu, wie eine Expertin den derzeitigen Gegenwind in Russland beurteilt.

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