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Folgt Michail Mischustin auf Wladimir Putin? China lädt Ministerpräsidenten ein


Spekulationen um Nachfolger
Soll er Putin im Kreml ablösen?


Aktualisiert am 09.06.2023Lesedauer: 3 Min.
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Der russische Ministerpräsident Michail Mischustin: "Die Chinesen haben gezeigt, dass sie Putin misstrauen". (Quelle: Kremlin Pool via www.imago-images.de)

Michail Mischustin hat seine Macht konsequent ausgebaut, auch China hofiert den russischen Ministerpräsidenten. Ist der stille Technokrat eine Bedrohung für Putin?

Loyal, effizient, ohne Charisma, persönliche Ambitionen oder Hausmacht im Kreml: In der russischen Führung genießt Michail Mischustin das Image eines perfekten Beamten. Wohl auch deshalb machte Wladimir Putin den Leiter der Steuerbehörde Anfang 2020 zum Ministerpräsidenten und damit zum Hüter der formaljuristischen Macht im russischen Staat. Doch zuletzt scheint der 57-Jährige über die ihm zugedachte Rolle hinauszuwachsen – und zur Bedrohung für seinen Chef zu werden.

So dürfte Putin nicht entgangen sein, dass Chinas Staatschef Xi Jinping Mischustin gerade im wahrsten Sinne den Roten Teppich ausrollt. Bei seinem Moskau-Besuch im März traf Xi nicht nur Putin, sondern auch Mischustin – entgegen dem strengen chinesischen Protokoll.

Xi lädt Mischustin ein – nicht Putin

Auf Einladung von Chinas Ministerpräsident Li Keqiang reiste Mischustin dann Ende Mai nach Peking, als höchster russischer Vertreter seit dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Dabei brach Xi erneut mit dem Protokoll und empfing Mischustin offiziell in der Großen Halle des Volkes – normalerweise das Privileg von Staatsgästen desselben Ranges.

Allein die Tatsache, dass Mischustin und nicht Putin nach Peking eingeladen wurde, dürfte der Kremlchef als Bedrohung seiner Stellung aufgefasst haben. China ist Russlands wichtigster Verbündeter, Putins Kriegsmaschine ist dringend angewiesen auf die Devisen und Industriegüter aus dem Nachbarland. Dabei hat sich Xi alles andere als wohlwollend über den Ukraine-Krieg geäußert und weigert sich, Russland Waffen zu liefern – die Handelsbeziehungen zu Europa und Nordamerika sind ihm offenbar wichtiger. Inzwischen hat Putin Mischustin seinen Unmut wohl auch spüren lassen.

"Mischustin wird oft übersehen"

Mischustin ist eines von 13 ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats im Kreml, der normalerweise alle sieben bis zehn Tage unter Putins Vorsitz zusammenkommt. In dem Gremium sitzen unter anderem der Innen- und der Außenminister sowie der Verteidigungsminister und der Chef des Auslandsgeheimdienstes. Mischustin war zum letzten Mal am 15. Mai Teil der Runde, also vor seiner China-Reise am 24. Mai. Bei den Treffen am 26. Mai und 2. Juni war Mischustin nicht zugegen, ohne dass der Kreml Gründe für seine Abwesenheit nannte.

"Das übliche Vorgehen wäre gewesen, dass Putin Mischustin in die Runde holt und dieser berichtet, was er in China erfahren hat", schreibt der Russland-Experte Anders Åslund von der US-Denkfabrik Atlantic Council. "Die Chinesen haben gezeigt, dass sie Putin misstrauen und in Mischustin eine mögliche Alternative zu ihm sehen", so Åslund.

Mit dem Ausschluss Mischustins aus dem Sicherheitsrat habe Putin wohl seine Missbilligung für dessen Bestrebungen zum Ausdruck gebracht. "Mischustin wird oft übersehen bei der Analyse der russischen Machtverhältnisse, aber seine Beziehungen sowohl zu China als auch zu Putin sollten wir genau beobachten", schreibt Åslund.

"Mischustin ist der zweitmächtigste Mann im Land"

Mischustins Aufwertung durch die chinesische Führung geht offenbar einher mit seiner wachsenden Bedeutung innerhalb des russischen Staates. So sei es dem studierten Wirtschaftsexperten und seinem Kabinett gelungen, die russische Wirtschaft trotz beispielloser Sanktionen einigermaßen am Laufen zu halten, schreibt Anna Arutunjan von der US-Denkfabrik Wilson Center: "Während sich Putin ganz auf das Geschehen an der Front in der Ukraine konzentriert, liegt das tägliche Regieren inzwischen weitgehend in den Händen des Ministerpräsidenten", so die russisch-amerikanische Publizistin.

Grundsätzlich seien informelle Netzwerke und persönliche Beziehungen im russischen Herrschaftssystem zwar wichtiger, schreibt Arutunjan: "Aber das ist nur ein Teil des Bildes, auch die Institutionen spielen eine wichtige Rolle." So müssten die meisten Minister Mischustin Bericht erstatten und wenn Kremlchef Putin stürbe, würde er laut Verfassung zum Übergangspräsidenten ernannt. "Als Ministerpräsident ist Mischustin der zweitmächtigste Mann im Land, auch wenn er nicht so viel Wirbel macht wie Jewgeni Prigoschin", so Arutunjan. Der Chef der Söldnertruppe Wagner fällt immer wieder mit Attacken gegen die Armeeführung auf.

Auffallend an Mischustin sei, dass er sich öffentlich kaum zum Krieg gegen die Ukraine äußere und im Gegensatz zu vielen anderen Beamten und Politikern auch keine nationalistischen Töne anschlage, schreibt Arutunjan: "Westliche Politiker sollten sich vom Märchen eines Staatszerfalls ebenso verabschieden wie vom Glauben an eine plötzliche Demokratisierung und anfangen über realistische Szenarien für Russlands Zukunft nachzudenken", so Arutunjan. "Technokraten wie Mischustin werden nicht in nächster Zeit die Antworten haben, aber sie alle zu verprellen ist in niemandes Interesse."

Verwendete Quellen
  • atlanticcouncil.org: Is China preparing for a post-Putin Russia? (englisch; Stand: 8. Juni 2023)
  • spectator.co.uk: Who is running Russia while Putin plays war? (englisch; Stand: 8. Juni 2023)
  • russiamatters.org: Russia's Prime Minister Mishustin: A Quiet Technocrat Who Toes the Line and Gets Results (englisch; Stand: 8. Juni 2023)
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