Durchtrennte Ostseekabel Dann schaltete der China-Frachter die Überwachung aus
Der Vorfall erregte Aufsehen: Zwei europäische Datenkabel wurden in der Ostsee durchtrennt. In Verdacht steht ein chinesischer Frachter. Nun gibt es neue Indizien.
Über eine Strecke von mehr als hundert Meilen hat ein chinesisches Handelsschiff seinen Anker Mitte November am Grund der Ostsee entlang gezogen. Dabei hat es zwei wichtige Datenkabel gekappt, die für die digitale Infrastruktur in Europa von großer Bedeutung sind. Zu diesem Schluss kommen internationale Ermittler laut eines Berichts des "Wall Street Journal" (WSJ).
Der Verdacht der Ermittler: Die Datenkabel wurden von der Besatzung an Bord absichtlich durchtrennt. Es soll sich um Sabotage handeln, denn es heißt, auf dem Frachter sei auch ein russischer Matrose gewesen.
Hinter der Aktion vermuten westliche Geheimdienstexperten und Strafverfolgungsbehörden einen russischen Geheimdienst, der im Auftrag des Kreml handelte. Der Urheber der Aktion könnte also Wladimir Putin heißen.
Daten zeigen Verlangsamung der Fahrt
Laut der Ermittlungen ist die "Yi Peng 3", ein mit russischen Düngemitteln beladener Großraumfrachter, am 15. November aus dem russischen Ostseehafen Ust-Luga in der Oblast Leningrad nahe der estnischen Grenze ausgelaufen. Am Abend des 17. November soll das Schiff gegen 21 Uhr den Anker gesetzt haben – nicht ohne zuvor den Transponder auszuschalten, der die Position des Schiffes überträgt.
Danach setzte der Frachter seine Fahrt ohne Ortungssignale fort, wie aus Satellitenaufnahmen hervorgeht. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von einem "dunklen Vorfall" ("dark incident").
Kurz darauf habe die "Yi Peng" dann in schwedischen Gewässern, zwischen Lettland und der Insel Gotland, das erste Datenkabel ("BCS") zerstört. Die Daten zeigten deutlich, wie sich die Fahrt des Schiffes verlangsamte, wie das "WSJ" unter Berufung auf die Ermittler schreibt. Dennoch hielt der Kapitän nicht an, sondern fuhr weiter und durchtrennte sechs Stunden später auch das zweite Kabel ("C-Lion"), das auf dem Grund der Ostsee verlegt ist.
Chinesisches Unternehmen kooperiert mit Ermittlern
Nach mehr als 111 Kilometern mit heruntergelassenem Anker fuhr das Schiff dann einen Zickzack-Kurs und die Crew holte den Anker wieder ein. Dass das Ankern der "Yi Peng 3" aus Versehen geschehen sein könnte, halten Schifffahrtsexperten für äußerst unwahrscheinlich. "Angesichts der milden Wetterbedingungen und der überschaubaren Wellenhöhen scheint die Wahrscheinlichkeit eines versehentlichen Ankerziehens minimal", heißt es in einer Analyse von Kpler, einem Analyseunternehmen, das Echtzeitdaten über die internationale Schifffahrt bereitstellt, laut des "WSJ".
Inzwischen hat der chinesische Frachter erneut Anker gesetzt, dieses Mal steht das Schiff allerdings still. Der Grund: Es wird durch eine europäische Flotte in internationalen Gewässern vor der dänischen Insel Jütland beobachtet. Unter anderem soll das deutsche Patrouillenschiff "Bamberg" an dem Einsatz beteiligt sein und dabei helfen, den Vorfall mittels Unterwasserdrohnen aufzuklären. Zuvor war bereits die "Bad Düben" der deutschen Küstenwache an der Stelle aufgetaucht.
Offenbar haben Aufnahmen vom Anker des Schiffes den Verdacht der Ermittler erhärtet. Demnach soll der Anker verdächtige Spuren zeigen, die auf ein Schleppen am Meeresboden hindeuten.
Der chinesische Eigner des Schiffes, die Ningbo Yipeng Shipping mit Sitz in der chinesischen Provinz Zhejiang, kooperiert zwar mit den Ermittlern und hat gestattet, dass das Schiff in internationalen Gewässern gestoppt wurde. Eine Stellungnahme lehnte das Unternehmen jedoch ab. Der Kreml hat bislang jegliche Beteiligung an dem mutmaßlichen Sabotageakt dementiert.
Vor dem Hintergrund der beschädigten Kabel schlägt der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz Alarm. Es handele sich "um offensichtlich hybride und nicht klar kriegerische Maßnahmen", sagte von Notz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Wenn wir uns dagegen nicht besser wehren, dann wird so etwas bald jeden zweiten Tag passieren." Die Sabotage- und Spionageaktionen gegen Deutschland hätten deutlich zugenommen.
- wsj.com: Chinese Ship’s Crew Suspected of Deliberately Dragging Anchor for 100 Miles to Cut Baltic Cables (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa