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Panzerschrott vor russischer Botschaft? Kriegsreporter: "Dahin, wo die Täter sitzen"


Ausstellung vor Russischer Botschaft geplant
Kriegsreporter: "Die kaputten Panzer müssen dahin, wo die Täter sitzen"

InterviewVon Antje Hildebrandt

Aktualisiert am 27.07.2022Lesedauer: 5 Min.
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Kriegsreporter mit eigener Mission: Enno Lenze will zerschossene Panzer als Mahnmal vor die Russische Botschaft in Berlin stellen.Vergrößern des Bildes
Kriegsreporter mit eigener Mission: Enno Lenze will zerschossene Panzer als Mahnmal vor die Russische Botschaft in Berlin stellen. (Quelle: privat )

Ein Kriegsreporter will kaputte Panzer vor der Russischen Botschaft in Berlin ausstellen. Eine Genehmigung hat er noch nicht.

Enno Lenze ist Unternehmer, Berater, Museumsdirektor und nebenbei auch noch Kriegsreporter – und er hat eine Mission: Er will die Menschen für die Schrecken des Ukraine-Kriegs sensibilisieren. Gerade plant er, eine Ausstellung von zerschossenen russischen Panzern und Militärfahrzeugen nach Berlin zu holen. Auf eigene Kosten.

Als Ort hat er dem Bezirksamt Mitte ausgerechnet den Platz vor der Russischen Botschaft auf dem Boulevard Unter den Linden vorgeschlagen. Damit wurde das Projekt zum Politikum. Eine Genehmigung hat er auch nach einem Monat noch nicht bekommen. Das Bezirksamt will die Entscheidung dem Senat überlassen. Im Interview mit t-online erklärt Lenze, was er sich von dieser Provokation verspricht und was er für den wahrscheinlichen Fall machen will, dass die Ausstellung nicht bewilligt wird.

t-online: Herr Lenze, Sie wollen russische Schrottpanzer als Mahnmal vor der Russischen Botschaft in Berlin ausstellen. Ist das naiv oder größenwahnsinnig?

Enno Lenze: Weder noch. Es gibt ähnliche Ausstellungen in Prag, in Kiew oder in Warschau. Sie helfen, den Schrecken des Krieges zu den Leuten zu bringen, die damit bisher nichts zu tun hatten. Die Besucher können sich besser vorstellen, was da gerade passiert, wenn sie diese Gewalt der Zerstörung sehen.

Aber der Schrecken des Krieges vermittelt sich ja auch, wenn man die kaputten Panzer vor dem Brandenburger Tor zeigen würde. Warum muss es gerade vor der Russischen Botschaft sein?

Weil da die Täter sitzen. Die Vertreter derer, die Menschen ermordet haben. Die sollen gerne sehen, wie ihr Krieg aussieht. Ich habe kein Problem damit, denen das vor die Tür zu stellen.

Jedes Land würde so eine Ausstellung vor seiner Botschaft als Provokation verstehen. Präsident Putin ist für seine irrationalen Reaktionen bekannt. Muss man ihm in dieser aufgeheizten Stimmung noch eine Steilvorlage für einen Angriff auf Berlin liefern?

Mir persönlich ist es egal, was Terroristen für Gefühle haben. Die schaffen es nicht mal, den Donbass oder die Ukraine einzunehmen. Ich weiß nicht, wie die durch Polen nach Berlin kommen wollen. Die russische Armee kann zwar für Terror sorgen. Aber sie ist so kaputt, dass sie keine kriegerische Auseinandersetzung mehr gewinnen kann.

In Prag und in Warschau wurden die zerschossenen Panzer auch nicht vor die Russische Botschaft gestellt. Was würde dagegen sprechen, sie in Berlin irgendwo anders zu zeigen?

Es spricht nichts dagegen. Aber ich musste für die Ausstellung einen Antrag stellen und dafür musste ich einen Ort angeben. Und da habe ich mir gesagt: Der beste Ort ist immer noch der bei den Tätern.

Die Ausstellung wurde vom ukrainischen Verteidigungsministerium initiiert. Ist es nicht eher eine Propaganda-Show für das ukrainische Militär als eine Veranstaltung, die für Frieden wirbt?

Nee, gar nicht. Um die Panzer zeigen zu dürfen, brauche ich zwar die Genehmigung des Verteidigungsministeriums. Die haben uns auch ihre Ausstellungstafeln, Texte und Bilder angeboten, aber die müssen wir nicht nutzen. Ich bin seit März selbst in der Ukraine und hab genug eigenes Material.

Ein Kollege aus Warschau berichtet, dass viele Besucher die Ausstellung nur als Kulisse für Selfies nutzen. Das spricht nicht dafür, dass es ihr gelingt, Menschen für die Schrecken des Krieges zu sensibilisieren.

Natürlich gibt es Menschen, die überall Selfies machen wollen. Damit muss man leben.

Um Ihren Plan zu verwirklichen, brauchen Sie eine Ausnahmegenehmigung vom Bezirksamt Mitte. Auf Ihren Antrag vom 27. Juni kam bis heute keine Reaktion. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie noch eine Genehmigung bekommen?

Inzwischen hat das Bezirksamt tatsächlich reagiert. Wir haben nach knapp vier Wochen eine Eingangsbestätigung bekommen.

Wow!

Ich teile Ihre Begeisterung. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, kann ich noch zu Lebzeiten mit einer Bewilligung rechnen. Ich bin gespannt. Wenn die Entscheidung beim Bezirksamt liegen würde, wäre ich zuversichtlich. Das sind Verwaltungsbeamte und die stempeln oder sie stempeln nicht. Aber das Bezirksamt will die Sache jetzt von der Politik bewerten lassen. Und da weiß ich nicht, was kommt.

Ihre Prognose?

Der Senat beugt sich dem russischen Druck und sagt, wir wollen keine Terroristen ärgern. Das fände ich sehr befremdlich, aber es würde mich mit Blick auf die Bundesregierung nicht wundern.

Sie spielen auf Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas an?

Nicht nur das. Die Regierung hat dem Unternehmen Siemens ja auch geholfen, das Embargo zu umgehen, indem die reparierte Gasturbine aus Kanada geliefert wurde. So einen Verbündeten würde Putin doch nicht wegbomben.

Was machen Sie im Fall einer Absage?

Die Genehmigung brauche ich nur für die Fläche, nicht für die Ausstellung. Die Exponate befinden sich ja schon in der EU. Der Import ist genehmigt. Die Tieflader stehen bereit. Im Zweifel zeigen wir die Ausstellung auf privatem Gelände. Dabei wäre es wichtig, den Terroristen das vor die Tür zu stellen. Ich sehe nichts, was dagegen spricht.

Das Bezirksamt hat Bedenken wegen der Sicherheit angemeldet.

Was sollte denn da passieren?

Stellen Sie sich vor, da marschieren russische Nationalisten auf und schwenken Flaggen mit dem Z-Symbol. Es kommt zu Krawallen, und die Polizei greift ein. Wer will solche Bilder produzieren?

Wir leben in einem Rechtsstaat. Ich gehe davon aus, dass die Polizei mit so einer Situation umgehen kann. Das ist doch kein Grund, einzuknicken. Ich finde es hanebüchen, Sicherheitsbedenken vorzuschieben. Wenn Putin jetzt auch noch mitentscheiden könnte, welche Kunst in Berlin gezeigt wird, wäre das echt traurig.

Wer bezahlt die Ausstellung denn?

Das finanziere ich aus eigener Tasche. Es gibt auch Unternehmer in meinem Umfeld, die schon gesagt haben, sie sind dabei. Es wird zwischen 150.000 und 250.000 Euro kosten. Aber das ist kein Problem.

Ihr Geld verdienen Sie unter anderem als Sicherheitsberater für Firmen in Kriegsgebieten. Müssen Sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, Sie profitierten vom Krieg?

Jein, das kommt darauf an, womit man sein Geld verdient. Ich hätte ein Problem, mit Waffen zu handeln. Aber ich habe mich auf den Sicherheitsaspekt konzentriert. Ich prüfe zum Beispiel Flotten von gepanzerten Fahrzeugen auf ihre Sicherheit – nicht fürs Militär, sondern für NGOs oder Journalisten.

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Aber so eine Ausstellung ist für Sie doch auch ein gutes Instrument, um Werbung in eigener Sache zu machen.

Solche Fragen kommen immer nur von Leuten, die mit dem fetten Arsch auf der Couch sitzen und kluge Sprüche klopfen. Wer mir das vorwirft, kann mir die Ausstellung gerne aus der Hand nehmen und selber die Panzer da hinstellen. Ich hab es nur gemacht, weil es bisher sonst keiner gemacht hat.

Sie reisen seit März regelmäßig in die Ukraine. Welches Bild hat sich Ihnen am stärksten eingeprägt?

Wir waren auf den Straßen von Butscha an dem Tag, bevor die Massaker an der Zivilbevölkerung bekannt wurden. Ich musste über die Autobahn E 40 fahren, die voller Leichen und zerschossener Autos war. Plötzlich war vor uns ein Pkw mit total vielen Einschüssen, ich bin ausgestiegen und drumherum gegangen, um zu schauen, ob wir auf der anderen Seite herumfahren können. Und da lag eine ganze Familie, die versucht hatte, hinter ihrem Fahrzeug Schutz zu finden.

Wie verarbeiten Sie solche Erlebnisse?

Ich schreibe über den Krieg, das ist meine Therapie. Die Ausstellung soll anderen helfen, zu verstehen, und das ist das Schwierige. Sie soll nicht schockieren und Horror als Entertainment zeigen, sondern die Einzelschicksale von Menschen vermitteln, die geliebte Menschen verloren haben.

Vielen Dank für das Interview, Herr Lenze. Und passen Sie gut auf sich auf!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Enno Lenze
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