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Berlin: Liegt ein Millionenschatz im Grunewald? Das steckt dahinter


Er soll noch immer im Grunewald liegen
Der Millionenschatz der Gentleman-Ganoven


Aktualisiert am 21.09.2024Lesedauer: 8 Min.
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Die Sass-Brüder bei einem Helgolandurlaub: Schon vor ihrem großen Coup 1929 müssen verschiedene kleinere Einbrüche erfolgreich gewesen sein, darauf deutete ihr Lebensstil hin.Vergrößern des Bildes
Die Sass-Brüder bei einem Helgolandurlaub: Schon vor ihrem großen Coup 1929 müssen verschiedene kleinere Einbrüche erfolgreich gewesen sein. Darauf deutete zumindest ihr Lebensstil hin. (Quelle: Polizeihistorische Sammlung Berlin)

In Berlin könnte ein Goldschatz schlummern: Ein Gangster mit Schaufel nährte den Verdacht, doch bis zu seinem brutalen Ende verriet der Mann nichts.

Es war ein spektakulärer Kriminalfall, der in den späten 1920er-Jahren die Einwohner von Berlin in höchst unterschiedliche Erregungszustände versetzte. Die Presse war ganz vernarrt in das gewiefte Vorgehen der beiden verdächtigen Brüder und nannte sie "Meisterdiebe" und "Gentleman-Ganoven". Einfache Leute aus dem Volk hofften, Nutznießer der nachgesagten Robin-Hood-Allüren der beiden Männer zu werden. Und "die Kripo fraß ihren Grimm in sich hinein", wie der "Spiegel" 1949 in einer 30-teiligen Serie zur Geschichte der deutschen Kriminalpolizei schrieb.

Die Brüder Franz und Erich Sass waren berühmt wie Filmstars. Sie hatten gerade einen Millionencoup begangen und trugen ihren Reichtum offen zur Schau. Sie reisten in einem gelb-schwarzen Luxuswagen durch Deutschland, trugen feine Anzüge und stiegen in den edelsten Hotels ab. Sie bewirteten die Presse mit Sekt und sollen Arme beschenkt haben – während die Polizei sich zwar sicher war, dass die beiden die Täter waren, sie aber vorerst laufen lassen musste.

"Leider war Erichs Begabung sehr einseitig"

Die Geschichte der Sass-Brüder beginnt in einer engen 40-Quadratmeter-Hinterhauswohnung in Berlin-Moabit. Dort wuchsen sie mit drei weiteren Brüdern auf, der Vater war Schneider, die Mutter Wäscherin im Krankenhaus. Das Geld war oft zu knapp, um den Ofen zu heizen oder ausreichend Essen auf den Tisch zu stellen. Die Brüder gingen schon als Kinder in Warenhäusern auf Diebestour und begingen Einbrüche. "Die Mutter, trotz des besten Willens, war der Erziehung der schwierigen Burschen nicht gewachsen", hielt das Jugendamt in einem Bericht fest.

Das Amt besorgte Erich Sass eine Lehrstelle bei einem Schlossermeister. "Leider war Erichs Begabung sehr einseitig", notierte der "Spiegel". "Sechs Monate genügten ihm, alle Werkzeuge und Maschinen kennenzulernen, mit denen man stärkste Panzerplatten und dicken Eisenbeton durchschneiden kann."

Die Sass-Brüder – revolutionäre Panzerknacker mit Schneidbrenner

Der damals 20-jährige Erich und der zwei Jahre ältere Franz beschlossen, diese Fertigkeiten zu nutzen, um reich zu werden. Sie wollten das ganz große Ding drehen.

Eine Serie von Einbrüchen in Tresorräume von Großbanken begann, die Berlin staunen ließ. Die ersten Versuche missglückten zwar noch jeweils, kurz bevor die Ganoven die große Beute machen konnten, aber die Täter waren immer so weit gekommen, dass das Publikum eine gewisse Bewunderung kaum verhehlen konnte.

Offenbar verfügten die Einbrecher über detailliertes Insiderwissen, teilweise über Nachschlüssel, exakte Kenntnisse der Räumlichkeiten und das Geschick, ihre nächtliche Vorarbeit vor den Augen von Bankkunden und -angestellten zu verbergen. So zum Beispiel, indem sie Mauerdurchbrüche in Kellern oder Bohrlöcher in Bankräumen mit Gipsattrappen und Knetmasse wieder verschlossen, bis sie in der nächsten Nacht weiterarbeiteten.

Das kunstvolle und technisch versierte Vorgehen faszinierte die Berliner. Wandstücke wurden sauber herausgeschnitten, einzelne Steine behutsam entnommen, Fingerabdrücke fanden sich nirgends. Und: Die Sass-Brüder revolutionierten die Technik der Geldschrankknacker. Statt, wie damals üblich, Tresore mit grober Kraft und Brechstange aufzuhebeln oder mit Dynamit aufzusprengen, benutzten sie einen Schneidbrenner, der Präzisionsarbeit ermöglichte. Darauf war vor ihnen noch niemand gekommen.

Angriff auf Tresorraum der Reichsbahndirektion: Plötzlich brennt es

Anfang 1927 drangen sie in den Tresorraum einer Bank in Alt-Moabit ein und blieben beim Knacken des Panzerschranks nur erfolglos, weil der Sauerstoffverbrauch des Schneidbrenners dazu führte, dass ihnen in der Enge die Luft ausging. Im Dezember 1927 verrieten sie Fußspuren, die sie in der Nacht auf dem frisch geölten Linoleumboden der Dresdner Bank am Savignyplatz hinterlassen hatten. Ein Bote, der an einem Sonntagvormittag in der Bank Post holen wollte, alarmierte die Polizei. Die Brüder konnten ihr Werk in der folgenden Nacht daher nicht vollenden.

Im März 1928 bohrten sie sich von unten in den Tresorraum der Reichsbahndirektion hinein, wurden aber im letzten Moment von Nachtwächtern gehört. Nur vier Wochen später hatten sie in einer Bankfiliale in der Budapester Straße Pech: Der Schneidbrenner entzündete, kaum war er durch die Tresorwand hindurch, eine Kiste mit Scheckformularen. Das Feuer konnten die Sass-Brüder zwar löschen, allerdings rief der Rauch die Polizei auf den Plan.

Die Sass-Brüder schnappen sich die Schätze der Reichen

Anschließend war die Oberfinanzkasse des Landesfinanzamtes Alt-Moabit an der Reihe. Dort lagerte die nächste Rate der Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg, die wenige Tage später an Frankreich ausgezahlt werden sollte. Wieder scheiterte der Raubzug erst in letzter Sekunde: Die Ganoven wollten in den Tresoranlagen gerade die letzten Arbeitsschritte am Panzerschrank vollenden, als sie die Drähte einer Alarmanlage einen Wimpernschlag zu spät durchtrennten.

Im Januar 1929 schafften sie dann den erhofften Riesencoup: Der Einbruch in den Keller-Tresorraum der Disconto-Bankgesellschaft am noblen Wittenbergplatz, der als der am besten gesicherte Tresor Berlins galt, gelang. Hier versteckte die Elite der Stadt ihre Schätze vor dem Fiskus oder der Verwandtschaft: Goldbarren, Schmuck, Bargeld, Wertpapiere, Juwelen. Alles in allem Kostbarkeiten von nur grob schätzbarem Wert. Die Besitzer wollten in vielen Fällen gar nicht, dass bekannt wird, was sie in der Bank weggeschlossen hatten – und schwiegen daher.

Von mindestens rund zwei Millionen Reichsmark ist vorsichtig die Rede, was heute mehr als acht Millionen Euro entspräche. "Selbst Amerika war von der Kühnheit der Verbrecher überrascht", schrieb die "Vossische Zeitung". Unter der Beute befand sich auch ein wertvolles Kunstgeschenk des Sultans von Sansibar an einen deutschen Admiral.

Im Tresorraum begießen die Ganoven ihren Erfolg mit Wein

Fast drei Arbeitstage lang blieb der Einbruch unbemerkt. Am Montagmorgen des 28. Januar 1929 war es Bankangestellten nicht gelungen, die zentnerschwere Tür der Stahlkammer zu öffnen. Bis Mittwoch arbeiteten Maurer daran, ein Loch in die Wand zu stemmen – erst dann wurde das Werk der Sass-Brüder offenbar. Der Bankdirektor soll sich übergeben haben, als er das Ausmaß erkannte.

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Von 181 Schließfächern im Tresorraum waren 179 geöffnet. Auf dem Boden verstreut lagen zertretene Wertpapiere und Schmuckreste, dazwischen die Originalpartitur von Richard Wagners Oper "Tristan und Isolde", von den Sass-Brüdern offenbar als wertlos erachtet, sowie zwei leere Flaschen Rotwein. Mit diesen hatten sie wohl auf ihren Erfolg angestoßen, bevor sie die Tür des Tresorraums blockierten und das Weite suchten.

Die Berliner Kripo nimmt die Brüder fest ...

In die Schatzkammer waren sie vom Nachbarhaus aus gelangt. Sie hatten im Keller eine Grundmauer durchbrochen, einen drei Meter langen Stollen gegraben, dann wieder einen Mauerdurchbruch vorgenommen und schließlich durch den Luftschacht des Tresors ihr Ziel erreicht. Den Erdaushub vom Tunnelbau hatten sie unter Kohlen versteckt, ihren Mauerdurchbruch mit einer Wandattrappe aus Gips und Holz getarnt.

Die Polizei hatte die Brüder schnell unter Verdacht und nahm sie fest. Erich und Franz Sass befanden sich schon länger im Visier der Ermittler um Kriminalsekretär Max Fabich. Ein bei einem der missglückten Einbrüche zurückgelassener Schneidbrenner hatte die Spur zu ihnen gelegt.

... und muss sie wieder laufen lassen

Doch nach zwei Wochen Untersuchungshaft waren sie wieder frei, die Beweise erwiesen sich als zu dünn. Bei einer Wohnungsdurchsuchung hatte man bei ihnen zwar Werkzeug, Handschuhe, einen Golddollar und ein goldenes 20-Mark-Stück gefunden, aber das genügte nicht, um die Brüder festzunageln.

Kaum entlassen, hielten sie eine legendär gewordene Pressekonferenz bei Lutter & Wegener am Gendarmenmarkt ab, bei der sie Sekt servieren ließen. Die Brüder erzählten von Filmangeboten, die sie erhalten hätten. Franz berichtete, er sei bei den Verhören von der Polizei geschlagen worden. Ansonsten gaben sie sich arglos: "Erich, der etwas stottert, macht einen fast degenerierten Eindruck", schrieb die Zeitung "Tempo" am 8. April 1929. "Sie scheinen sich selbst sehr zu wundern, dass man sie so hoch eingeschätzt hat. 'Wir haben doch gar nicht solche Vorbildung', sagt Franz immer wieder, 'wir können so was doch gar nicht. Ich bin nur wegen Diebstahls vorbestraft!'"

Plötzlich häufen sich in Dänemark die Einbrüche

Zu dieser Zeit mehrten sich Berichte über kleinere Geldgeschenke, die bedürftige Familien in Moabit angeblich in ihren Briefkästen fanden: Viele glaubten, dass sie von den Sass-Brüdern stammten. Die beiden wurden zu Volkshelden der von Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit gebeutelten Republik. Dem Mythos zufolge nahmen sie von den Reichen und gaben den Armen.

Gleichzeitig wuchs jedoch auch der Ermittlungsdruck, es wurde allmählich ungemütlich in Berlin. Mehrfach nahmen Beamte die Brüder in den folgenden Jahren vorübergehend fest. Einmal wurden die beiden, so die "Vossische Zeitung", wegen Vorbereitung zur Falschmünzerei zu je drei Wochen Haft verurteilt. Ein andermal erhielten sie wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch eine Geldstrafe, nachdem sie beim Aufstemmen von Mauerwerk, mutmaßlich um ein Versteck zu errichten, erwischt worden waren.

1933 verschwanden die Ganoven von der Berliner Bildfläche – und tauchten in Dänemark wieder auf. In Kopenhagen häuften sich daraufhin plötzlich spektakuläre Einbrüche, deren Raffinesse die dänische Polizei den einheimischen Gaunern nicht zutraute.

Geld in Zahnpastatuben – und verräterische Münzen

Und dann war plötzlich alles vorbei: Bei einem Einbruch war ein Verdächtiger beobachtet worden, der Deutsch sprach. Die Polizei bat die Bevölkerung, alle Deutschen zu melden, die irgendwie auffällig wirkten. Die Pensionswirtin von Erich und Franz Sass zeigte die beiden an.

In der Mauer ihres Pensionszimmers wurde die Kripo hinter Holzverschalungen fündig: Dort waren nicht nur mit Geldscheinen vollgestopfte Zahnpastatuben, Pläne von 17 Kopenhagener Firmen und eine Tresorraumskizze der Kopenhagener Stadtsparkasse versteckt, sondern auch Jubiläumsmünzen, die unzweifelhaft vom Einbruch bei einem Kopenhagener Zigarrenfabrikanten stammten.

"Auf Befehl des Führers erschossen"

Ein Gericht verurteilte die Sass-Brüder zu vier Jahren Haft. Nach deren Verbüßung wurden sie nach Nazi-Deutschland abgeschoben, zu langjährigen Zuchthaus-Strafen verurteilt und am 27. März 1940 kaltblütig ermordet: "Zwei Tage nach der Verurteilung ließ der Reichsführer SS die beiden aus dem Untersuchungsgefängnis abholen und zur Erschießung nach Sachsenhausen bringen", notierte der spätere Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß, der zu dem Zeitpunkt sogenannter Schutzhaftlagerführer im KZ Sachsenhausen war. Die Brüder sollten ihm zufolge "ohne Frist erschossen werden".

Zwei Tage später meldeten deutsche Zeitungen, Franz und Erich Sass seien "bei Widerstand" getötet worden. Im Sterbebuch des zuständigen Standesamts Oranienburg ist hingegen festgehalten: "Auf Befehl des Führers erschossen."

Woher hatten die Sass-Brüder ihre Informationen?

Aber war es wirklich Adolf Hitler, der den Mord anordnete? War dem humorlosen Diktator möglicherweise ein Witz zu Ohren gekommen, in dem auf die Frage "Wie buchstabiert man Deutschlands größte Verbrecher?" die Antwort "SA – SS" lautete?

Oder hatte Arthur Nebe etwas mit dem Befehl zu tun, ein flammender Deutschnationalist, der seit 1937 Chef des Reichskriminalpolizeiamtes war und zuvor zu den von den Sass-Brüdern düpierten Kommissaren in Berlin gezählt hatte? Er soll noch nach Jahren jede Einzelheit der Sass-Einbrüche gekannt haben – und durfte SS-General Reinhard Heydrich wohl Straffällige nennen, die er gerne exekutiert gesehen hätte.

Es ist nicht die einzige ungeklärte Frage in dem Fall. Eine weitere lautet: Woher hatten die Brüder ihr umfangreiches Wissen? Wer verriet ihnen, wo Wände verliefen und sich Tresore befanden? Sie müssen Informanten gehabt haben, davon sind die Experten überzeugt. Auch noch bei ihren Einbrüchen in Kopenhagen wussten sie über örtliche Gegebenheiten gut Bescheid, die eigentlich nur wenigen Eingeweihten bekannt gewesen sein können.

Glücksritter jagen den Millionenschatz bis heute

Und noch ein weiteres Rätsel beschäftigt die Menschen bis heute: Wo ist eigentlich der Schatz der Gangster geblieben? Irgendwo müssen sie ja sein, die Edelsteine und Goldbarren, die Münzen und Kunstwerke, die Berlins Reiche in den ausgeräumten Schließfächern der Disconto-Bankgesellschaft gehortet hatten.

Auch unter schwerer Folter der Nazis sollen die Sass-Brüder über den Verbleib ihrer Beute geschwiegen haben. Und so bleibt den Glücksrittern, die bis heute nach dem Schatz suchen, nur ein Hinweis: Eines Tages soll Erich Sass aus dem Grunewald gekommen sein, verdreckt und mit einer Schaufel über der Schulter.

Kriminalsekretär Fabich, der an jenem Tag gerade die Gaststätte "Schildhorn" besuchte, will Sass dabei gesehen haben. Bis zu seinem Tod 1963 soll der Kriminalist daher fest davon überzeugt gewesen sein, dass der Schatz der Sass-Brüder irgendwo im Grunewald verbuddelt liegt.

Da es sich bei Fabichs Aussage um den einzig bekannten Anhaltspunkt eines Augenzeugen handelt, kann man auch heute noch mit Metalldetektoren ausgestattete Schatzsucher in der Gegend antreffen. "Ja, wir suchen nach wie vor nach der Hinterlassenschaft der Brüder", bestätigt einer von ihnen t-online. Die Hoffnung, wie einst die Sass-Brüder den ganz großen Coup zu landen, lebt weiter.

Verwendete Quellen
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