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Berlin: Missbrauch in Spandauer Kita? Eltern erheben schwere Vorwürfe


Missbrauchsverdacht in Spandau
Kita-Eltern erheben Vorwürfe: "Es wurde gelogen und verheimlicht"


Aktualisiert am 09.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Vater Mehmet Yilmaz steht vor dem Schild der Kindertagesstätte seiner Tochter: Er will Auffälligkeiten an seinem Kind bemerkt haben.Vergrößern des Bildes
Vater Mehmet Yilmaz steht vor dem Schild der Kindertagesstätte seiner Tochter: Er will Auffälligkeiten an seinem Kind bemerkt haben. (Quelle: Kriss Rudolph)

Eine männliche Aushilfe soll in der Kita "Feldhäuschen" in Berlin-Spandau mehrfach Kinder sexuell missbraucht haben. Mehrere Eltern befürchten nun das Schlimmste – und machen der Kita-Leitung schwere Vorwürfe.

Seit Tagen ist die Kita "Feldschlösschen" in Berlin-Spandau geschlossen. Dort soll ein Mann mehrfach Kinder sexuell missbraucht haben. Sieben Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs liegen mittlerweile im Fall der Spandauer Kindertagesstätte vor – ein 32-jähriger Beschäftigter soll hinter den Taten stecken.

Die Stimmung unter den Eltern, die ihre Kinder ins "Feldschlösschen" brachten, ist aufgewühlt: Am Montag hatte die Arbeiterwohlfahrt AWO, die die Kita betreibt, zu einem ersten Elternabend geladen. Das Treffen lief aus dem Ruder. Es wurde laut und emotional, wie Eltern berichten, eine Mutter brach sogar zusammen.

Am Mittwoch dann ein weiterer Versuch, die Informationsversammlung. Diesmal mit Vertretern vom Verein "Strohhalm", einer Fachstelle für Prävention von sexualisierter Gewalt, sowie dem LKA-Fachdezernat.

Das Ziel: Den Eltern Tipps geben, wie man sexuellen Missbrauch erkennt und wie man sein Kind dazu bewegen kann, sich zu öffnen und über Vorfälle zu reden.

Vater befürchtet, seine Tochter könnte betroffen sein

Etwa 50 Elternteile waren gekommen. Nach einer guten Stunde verließen vereinzelt erste Mütter und Väter die Veranstaltung, viele wirkten aufgewühlt, die wenigsten mochten reden.

Ein Vater, der versucht seine Wut unter Kontrolle zu behalten, sagt: "Wie kann es sein, dass man einen neuen Mitarbeiter mit den Kindern allein lässt?" Seine dreieinhalbjährige Tochter habe sich im Gespräch ein bisschen geöffnet. Nun fürchtet er, auch sie könnte von dem Missbrauch betroffen sein. Mehr will er nicht sagen.

Ein anderer Vater, Oliver Priebe aus Staaken, berichtet, es habe schon im Juli erste Hinweise gegeben, die auch an die Leitung kommuniziert wurden. Aber diese Beschwerden waren nicht offiziell, sagt Priebe, darum habe man sie bei AWO abgetan.

"Wir haben es mit dem schlimmsten Vergehen zu tun, das es gibt. Es geht um Kinder", so der 53-Jährige. "Da frage ich mich, wozu es eine offizielle Beschwerde braucht. Da müssen doch Hinweise reichen!"

"Ich bringe mein Kind hier nicht mehr hin"

Sein Sohn ist drei Jahre alt. Er kann noch nicht reden über das, was möglicherweise in der Kita vorgefallen ist. Aber Priebe will besonnen bleiben: "Man muss jetzt vorsichtig sein, dass man nichts sieht, was da nicht ist." Mittlerweile gehe sein Kind wieder gerne in die Kita – nun, wo der Mitarbeiter weg ist. "Das Timing gibt einem zu denken", sagt Priebe und fragt: "Was passiert hier hinter verschlossenen Türen, von dem man nichts erfährt?"

Das Vertrauen sei weg, sagt der Familienvater. "Ich bringe mein Kind hier nicht mehr hin, bevor ich nicht weiß, was eigentlich los ist und wie die Strukturen sind, die es möglich gemacht habe, dass sowas passieren konnte."

Eine aufgebrachte Mutter sagt: "Die AWO hat gelogen und verheimlicht. Wir wissen nicht, wie es weitergeht." Eine andere sagt, sie werde ihr Kind bestimmt nicht wieder hierher bringen, solange man keine Antworten bekomme. Man habe in der Informationsveranstaltung wissen wollen, ob die nächste Aushilfe wieder von derselben Zeitarbeitsfirma kommen werde. Das habe die AWO-Leitung bejaht.

"Jeder hat gesehen, da stimmt etwas nicht"

"Wir hatten uns mehr erhofft von dem Verein 'Strohhalm'", sagt eine andere Mutter. Die Eltern hätten viele Fragen gestellt. "Aber als Antwort hieß es immer: 'Das müssen Sie selber entscheiden.'" Insgesamt habe die Veranstaltung noch weniger Klarheit gebracht als der Elternabend am Montag, meinen einige Eltern. Über den tatverdächtigen Erzieher sagt ein Vater: "Jeder, der ihn gesehen hat, wusste: Da stimmt etwas nicht!"

Das Verhältnis zwischen Kita-Leitung und den Eltern ist offenbar schon länger angespannt. Vater Oliver Priebe berichtet von einer latenten Drohkulisse gegenüber seiner Frau.

Als es im Lockdown darum ging, die Gruppen klein zu halten und als geregelt werden musste, welche Kinder kommen dürfen und welche nicht, gab es Kritik an der Kita-Leitung. Die habe daraufhin damals zu Priebes Frau gesagt: "Wir möchten Sie ja nicht rausschmeißen."

Von einer Atmosphäre der Einschüchterung gegenüber Eltern, in der Regel gegenüber Müttern, berichtet auch Mehmet Yilmaz, und zwar in Bezug auf seine Frau. Diese habe wiederholt gesagt, der neue Erzieher sei ihr "nicht koscher". Und weiter: "Meine Frau wurde von der Kita-Leitung immer wieder runtergeputzt!"

Die sechsjährige Tochter von Yilmaz ist bis vor wenigen Wochen auch noch ins "Feldhäuschen" gegangen, mittlerweile wurde sie eingeschult. Seit der neue Mitarbeiter da war, habe das Kind oft nicht in die Kita gehen wollen oder nur dann, wenn die Erzieherinnen dort waren, an die sie gewöhnt war.

Und zwei Wochen lang sei sie nicht mehr auf die Toilette gegangen. Zuletzt mussten die Eltern sie ins Krankenhaus bringen, um der Kleinen zu helfen. Jetzt gehe es ihr körperlich besser, aber Vater Yilmaz will mit seinem Kind zum Psychologen gehen. Auch Anzeige will er erstatten.

Kita-Leiterin derzeit nicht im Dienst

Ob die Kita am Montag wieder geöffnet wird, ist gegenwärtig noch unklar, wie Thomas Scheunemann, der Spandauer AWO-Vorstand, am Donnerstagmorgen gegenüber t-online sagt. Derzeit werden die Erzieherinnen gecoacht, sie seien durch die Vorwürfe der Eltern "schockiert und traumatisiert". Die Leiterin sei aktuell nicht im Dienst, aber nicht suspendiert, sagt Scheunemann. Die Kita wird nun kommissarisch geleitet.

Bei künftigen Kita-Aushilfen müsse nun immer das Vier-Augen-Prinzip gewahrt werden, sagt Scheunemann. Niemand solle mit einem Kind allein sein. Warum das bei der tatverdächtigen Aushilfe nicht geklappt habe? "Das lässt sich nicht immer ausschließen", so Scheunemann.

Verwendete Quellen
  • Gespräche und Beobachtungen vor Ort
  • Anfrage bei der Polizei Berlin
  • Anfrage bei Thomas Scheunemann, AWO Spandau
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