Ingenieure weisen Verantwortung im VW-Dieselprozess von sich
Im Diesel-Betrugsprozess hat auch der zweite angeklagte VW-Ingenieur eine Hauptverantwortung fΓΌr den Abgasskandal abgestritten. Der Eindruck, Techniker hΓ€tten ΓΌber Nacht beschlossen, Kunden zu betrΓΌgen, sei falsch, sagte ein ehemaliger Leiter der Antriebselektronik bei Volkswagen am Donnerstag. Damit liegen nach der dritten Sitzung am Landgericht Braunschweig nun zwei Versionen zur Entstehung der AffΓ€re um gefΓ€lschte Abgaswerte beim grΓΆΓten europΓ€ischen Autohersteller vor (Az.: 6 KLs 23/19).
Bereits zuvor hatte ein ehemaliger Abgastechnik-Ingenieur dem Topmanagement die zentrale Rolle bei der mutmaΓlich jahrelangen Vertuschung der TΓ€uschungssoftware zugeschrieben - namentlich Ex-Konzernchef Martin Winterkorn sowie dem Ex-Entwicklungschef der VW-Kernmarke. Angeklagt sind neben den beiden Ingenieuren zwei frΓΌhere Manager des Wolfsburger Autokonzerns. Zusammen wird ihnen unter anderem gewerbs- und bandenmΓ€Γiger Betrug mit manipulierter Software in Millionen Fahrzeugen vorgeworfen. Der Prozessteil zu Winterkorn ist vorerst von der laufenden Hauptverhandlung abgetrennt.
"Ich bin tief bestΓΌrzt und hΓ€tte es mir nie vorstellen kΓΆnnen, als Angeklagter vor Gericht zu landen", sagte der am Donnerstag angehΓΆrte Antriebsexperte. Er habe Bedenken zur sogenannten Akustikfunktion frΓΌh geΓ€uΓert. Wenn er die Entwicklung und das spΓ€tere AusmaΓ erkannt hΓ€tte, wΓ€re seine Gegenwehr sicher stΓ€rker gewesen, erklΓ€rte er. "Ich habe in der ganzen Zeit nie ein Geheimnis um die Akustikfunktion gemacht. An einen Betrug am Kunden hΓ€tte ich nie gedacht."
In seiner Einlassung rΓ€umte der Ingenieur der frΓΌheren FΓΌhrungskultur bei VW, die bei Kritikern lange als intransparent und hierarchisch galt, viel Raum ein. "Ein Problem zu nennen, ohne eine LΓΆsung zu kennen, war nicht gewollt", meinte er beispielhaft. Bedenken konnte man ihm zufolge zwar durchaus vortragen - wenn der Vorgesetzte aber anders entschied, sei das damit erledigt gewesen. "Es war nicht meine Entscheidung, die Funktion war gewΓΌnscht", sagte er.
Vor gut sechs Jahren war das manipulative Programm ("defeat device") in den USA aufgeflogen. Anders als bei Tests stieΓen betroffene Wagen auf der StraΓe deutlich ΓΌberhΓΆhte Mengen an schΓ€dlichen Stickoxiden (NOx) aus. Der Skandal trat die branchenweite Dieselkrise los und kostete allein Volkswagen bereits mehr als 32 Milliarden Euro.
RΓΌckblickend hΓ€tte er einiges anders gemacht, sagte der Ingenieur: "Aus heutiger Sicht hΓ€tte ich bei jedem Kontakt mit der Funktion Schreibtische umschmeiΓen mΓΌssen." Er habe diese fΓΌr ein Meeting im November 2006, das heute als wesentlich fΓΌr die Entstehung von "Dieselgate" gilt, unmissverstΓ€ndlich beschrieben. Das Ergebnis des Treffens sei eine Niederlage fΓΌr ihn, aber immerhin eine Entscheidung gewesen. "FΓΌr mich war die Sache geklΓ€rt", sagte er.
In den Folgejahren habe er lange Zeit keine BerΓΌhrung mit dem Thema gehabt, berichtete der Angeklagte. Nach seiner Schilderung lagen die Entscheidungen im Wesentlichen bei projektverantwortlichen Abteilungsleitern in der Dieselentwicklung. Aus seiner Sicht war die Funktion zwar "anrΓΌchig" - dass sie aber irgendwann strafrechtliche Konsequenzen habe wΓΌrde, sei fΓΌr ihn vΓΆllig unklar gewesen.
AnschlieΓend begann einer der beiden angeklagten Ex-Manager mit seiner Darstellung. Er hatte angekΓΌndigt, etwa zwei Verhandlungstage dafΓΌr zu brauchen. Fortgesetzt wird der Prozess am kommenden Mittwoch (29.09.). Ab dann wird auch mehr Klarheit zum Verfahrensteil des zunΓ€chst mitangeklagten Winterkorn erwartet. Γber eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Abtrennung wegen gesundheitlicher Probleme hat das zustΓ€ndige Oberlandesgericht noch nicht entschieden.