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Borkum: Mit "BeachExplorer" werden Urlauber zu Schatzsuchern und Forschern


Vom "Strandfundmelder Nr. 1" lernen
So werden Inselbesucher zu echten Schatzsuchern

Von dpa, stk

12.12.2023Lesedauer: 4 Min.
imago images 0304780296Vergrößern des BildesSonnenuntergang auf Borkum (Archivfoto): Aufgrund der Lage der Insel werden von den Wellen besonders seltene Tiere an den Strand gespült. (Quelle: IMAGO/Zoonar.com/Christine Nöh/imago-images-bilder)
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Die Seele baumeln lassen, das Inselflair genießen – und gleichzeitig die kleinen Schätze der Natur finden. Das geht auf Borkum besonders gut. So funktioniert es.

Steffen Wagener schlendert über den Südstrand von Borkum, mal mehr, mal weniger in gebückter Haltung. Unentwegt wandern seine Blicke über den Spülsaum. Der 55-Jährige entdeckt einen "ganzen Taschenkrebs", von Möwen noch unbehelligt, und fotografiert ihn mit seinem Handy.

Das Foto lädt er bei "BeachExplorer" hoch, einem Internetportal, auf dem Funde bestimmt und gemeldet werden können. Mit über 3.500 Funden führt Wagener die Rangliste der User auf dem Portal an. Er ist der "Strandfundmelder Nr. 1" – so haben ihn die lokalen Touristiker getauft. Keiner nutzt das Portal intensiver als er.

Strandbummel im Dienste der Wissenschaft

"BeachExplorer" macht "Strandurlauber zu Strandforschern", sagt Rainer Borcherding. Der Biologe von der Schutzstation Wattenmeer in Husum hat die App an den Start gebracht, gefördert vom Bundesamt für Naturschutz.

Seit 2015 melden Laien aus dem gesamten Bereich des Weltnaturerbes Wattenmeer ihre Funde, stellen sie ins Internet und damit auch der Wissenschaft zur Verfügung. Projekte wie solche zählen zur "Citizen Science" oder "Bürgerforschung". Aktuell gibt es bei "BeachExplorer" rund 5.700 aktive Fundmelder.

Auch passiv lässt sich die App nutzen: um herauszufinden, was da genau vor einem am Strand liegt. Für Borcherding ist "BeachExplorer" ein "Bestimmungsschlüssel, der einen ganzen Rucksack voller Bücher erspart". Das eröffnet für Interessierte ungeahnte Möglichkeiten, selbst wenn man nur zum Baden oder Spazierengehen am Strand ist.

"Das ist für mich Meditation"

Wagener lebt seit 2015 auf Borkum und arbeitet als Rezeptionist in einem Hotel. Ehrenamtlich ist er als Nationalparkwart aktiv. Wann immer die Arbeit und das Wetter es zulassen, ist er unterwegs. "Am Strand laufen, die Augen am Boden, das ist für mich Meditation."

Besonders gern steuert er den Osten der Insel an, am liebsten frühmorgens, wenn noch keine Menschenseele unterwegs ist. "Wenn man Dinge sucht, die das Meer gebracht hat, ist es gut, wenn man sich kurz nach der Flut oder bei ablaufendem Wasser am Spülsaum entlang bewegt." Und das Meer bringt viel, vor allem, "wenn es windig war oder ist".

Bernstein, den man eher an der Ostsee erwartet, hat Wagener schon gefunden, nach Stürmen in der kalten Jahreszeit. Im vorletzten Winter seien auch Seepferdchen angespült worden, "größtenteils tot". Er hat aber auch ein lebendes Exemplar gefunden.

Warum die Seepferdchen nach Jahrzehnten der Abwesenheit neuerdings wieder an der Nordseeküste auftauchen, weiß auch Wagener nicht so genau. Das festzustellen ist "Aufgabe der Wissenschaftler", die sich dabei auch auf die Meldungen bei "BeachExplorer" stützen.

Von der Muschel bis zum Müll

Im Grunde kann man auf der Projekt-Website so ziemlich alles melden, was einem am Strand unter die Augen kommt: Tiere, Pflanzen, ja selbst Müll. Plastikmüll meldet Wagener allerdings nur noch in Zusammenhang mit einem Schiffsunglück - es hilft, Strömungen nachzuvollziehen.

Insgesamt sind in der Datenbank mehr als 2.100 verschiedenen Arten und Gegenstände aufgeführt, unterteilt in diverse Kategorien, aber immer mit einer Kurzbeschreibung und einem "Steckbriefbild".

Wer einen Fund melden möchte, loggt sich ein und lädt am besten ein Foto hoch. Nur dann kann der Fund genauer bestimmt werden. So wurde etwa ein Heuschreckenexperte nur dank der Fotos von Wagener darauf aufmerksam, dass eine hierzulande seltene Art nun auch auf Borkum beobachtbar ist – möglicherweise ein Hinweis auf den Klimawandel.

Seltener Fund, höhere Punktzahl

Wagener ist nicht nur am Strand, sondern auf der ganzen Insel unterwegs. In den Salzwiesen entdeckt er drei Seidenreiher, er erkennt sie am schwarzen Schnabel. "Die sind bei 'BeachExplorer' unter den seltenen Funden gelistet."

Für jeden gemeldeten Fund gibt es Punkte – je seltener, desto mehr. Es ist ein Anreizsystem in der Art, wie es viele Apps nutzen. Nur, dass der "BeachExplorer" nicht kommerziell ist. Zehn Punkte sind maximal möglich; die gebe es allerdings nur für einen Fund, der "bislang noch nie im Gebiet nachgewiesen" wurde.

Für die Seidenreiher bekommt Wagener sieben Punkte. Mit insgesamt knapp 16.000 Punkten ist er bei "BeachExplorer" der eifrigste Punktesammler. Dabei sei ihm der Wettbewerbsgedanke eigentlich fremd.

Vielleicht ist Steffen Wagener auch deshalb der "Strandfundmelder Nr. 1", weil er eben auf Borkum aktiv ist: Die Insel hat mit 26 Kilometern einen der längsten Strände an der deutschen Nordsee. Und Borkum ist die größte der Ostfriesischen Inseln. Außerdem ist sie landschaftlich sehr abwechslungs- und damit artenreich.

Borkusm besondere Lage

Und auch die Lage der Insel spielt eine Rolle, schließlich bildet sie eine Art nordwestlichen deutschen Außenposten in der Nordsee. Die Große Rossmuschel, die ihm wiederholt neun Punkte eingebracht hat, wurde bislang fast nur von Borkum gemeldet. Nur die Gründe sind unklar. Womöglich gibt es irgendwo vor Borkum noch eine Muschelbank.

Als Nationalparkwart weiß Wagener natürlich, dass die Strände zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gehören und man nicht so mir nichts, dir nichts Dinge mitnehmen darf. Als Souvenir sollte man seine Funde also nicht betrachten. Aber eine Muschel "für den Eigenbedarf", da hebe niemand den Finger, sagt Wagener. Einige seiner Funde hat er auch dem Nordsee Aquarium Borkum überlassen – zum Beispiel knöcherne Innenohren von Seehunden oder eine norwegische Herzmuschel.

Und was würde er gern noch finden? Der Strandnomade nennt Mondfisch und Manila-Teppichmuschel als Beispiele. An diesem Tag muss er sich mit einer Pricke begnügen, immerhin. Der dünne Baum, der irgendwo im Wattenmeer eine Fahrrinne markiert hat, wurde von der Flut am Strand abgelegt. Wagener meldet sie in der Kategorie "Müll, Holz, Knochen, Steine" und bekommt weitere vier Punkte.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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