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"Air Defender 2023" | Menschen in Wunstorf zwischen Begeisterung und Sorge


"Air Defender 2023" in Wunstorf
Zwischen Begeisterung und Sorge

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
Von Patrick Schiller

19.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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«Air Defender 2023»Vergrößern des Bildes
Flugzeuge beim "Air Defender 2023": Das internationale Luftwaffen-Manöver sorgt für Diskussionen – auch in Wunstorf bei Hannover. (Quelle: -/Bundeswehr/dpa/dpa-bilder)

Der Fliegerhorst Wunstorf ist Dreh- und Angelpunkt des internationalen Luftwaffen-Manövers "Air Defender 2023". Einige Bewohner sind begeistert – andere äußern sich besorgt.

"Manchmal, wenn ich mit meinem PKW durch Wunstorf, ich sage mal, fahre, habe ich viel Zeit. Vor mir glitzert schon die zweite Baustellenampel", sagte einmal Satiriker Dietmar Wischmeyer über eine Fahrt durch die Kleinstadt in der Region Hannover. "Hinter mir flucht die Hälfte aller Schichtarbeiter von VW und Conti vor sich hin. Will sagen, in solchen Momenten denkt man, wenn nicht gleich über den Sinn des Lebens, so doch über den Sinn von Wunstorf nach."

Dieser Tage ist das anders: Bis zum 23. Juni trainieren deutschlandweit bis zu 10.000 Übungsteilnehmer aus 25 Nationen mit 250 Luftfahrzeugen an verschiedenen Standorten unter der Führung der Luftwaffe Luftoperationen im europäischen Luftraum unter dem Operationsnamen "Air Defender 23". Mittendrin: Wunstorf. Genauer gesagt der überschaubare Ortsteil Klein Heidorn, der den Fliegerhorst Wunstorf und die deutsche A400M-Flotte des Lufttransportgeschwaders 62 beherbergt. Wunstorf ist als "Tankstelle" zugleich Hauptdrehkreuz und Logistikstützpunkt der gewaltigen Übung.

Dabei ist die Beziehung zwischen der Stadt Wunstorf und dem ansässigen Fliegerhorst äußerst lebendig und reicht weit zurück: Der Militärflugplatz war wesentlicher Bestandteil der Berliner Luftbrücke im Jahr 1949. Und auch die enge Beziehung zur Bundeswehr habe sich durch eine gute Zusammenarbeit und einen offenen Austausch stets weiter entwickelt. Das sagt Carsten Piellusch (SPD) t-online.

Die Transall als Kindheitsbegleiter

Die Bürger von Klein Heidorn würden sich während Übungen im Fliegerhorst unterschiedlich fühlen. Das sei früher anders gewesen: "Ich bin mit der Transall groß geworden", sagt Piellusch. "Sie war ein ständiger Begleiter durch meine Kindheit und Jugend." Erst nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sei dies vielen noch einmal bewusst geworden. "Freiheit und Souveränität müssen auch verteidigt werden", so das Stadtoberhaupt. Und weiter: "Das ist nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zum Teil in Vergessenheit geraten."

Vor dem Beginn des internationalen Luftwaffen-Manövers "Air Defender 23" haben Hunderte Menschen vor dem Fliegerhorst gegen die Militärübung unter dem Motto "Frieden üben – statt Krieg" protestiert. Auch eine Wunstorfer Gruppe hatte zu dem Protest aufgerufen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Besorgnis und Erleichterung angesichts des Manövers

Auch Helmut K. gibt an, den Lärm bereits zu spüren. Derzeit verbringt er mit seiner Frau einen Campingurlaub in Deutschland. Zu Beginn der Übung haben die beiden in Wunstorf übernachtet. "Wir sind um 3 Uhr nachts wegen des Fluglärms aus dem Bett gefallen", sagt K. einem t-online-Reporter. Während ihres Fahrradausflugs zum Steinhuder Meer nehmen sie einen Umweg in Kauf, um die zahlreichen Maschinen am Fliegerhorst mit eigenen Augen zu sehen. Hier lesen Sie, von wo aus Sie den "Air Defender 2023" in Wunstorf am besten beobachten können.

Beide äußerten sich besorgt, als wieder ein Airbus zum Landeanflug auf den Fliegerhorst ansetzt, knapp über ihre Köpfe hinweg. "Das macht uns schon Angst, wenn man das hier alles sieht", sagt K. Allerdings fügt er hinzu: "Leider ist das Manöver überfällig." Wieso er das so sieht? "Jahrelang wurde die Bundeswehr kaputtgespart. Das verlockt. Wenn der Nachbar schöne Äpfel hat, aber blind und taub ist, dann klaut man sich vielleicht mal ein paar Früchte" – gemeint ist Kreml-Chef Wladmir Putin, sein Angriffskrieg auf die Ukraine und die wiederholten Drohungen gegen den Westen. "Das Manöver zeigt jedoch, dass wir unsere Äpfel gemeinsam verteidigen können."

Beschwerden über Militärfluglärm nehmen ab

In der Vergangenheit habe es laut Piellusch immer mal wieder Beschwerden über Fluglärm gegeben, besonders wenn Düsenjets auf dem Fliegerhorst starten und landen. Doch der Bürgermeister stellt fest: "Heute beschwert sich fast niemand mehr über Militärfluglärm." Das zeige, dass die Bevölkerung ein wachsendes Verständnis für die Notwendigkeit des Fliegerhorsts habe. Über 90 Prozent der Flugausbildung finden jetzt im Simulator statt. Das verringert die Belastung für die Anwohner. Zudem hat die Bundeswehr eine Beschwerdestelle eingerichtet, um auf konkrete Anliegen einzugehen.

Während "Air Defender" mit echtem Gerät steigt nun jedoch wieder die physische Präsenz der Übungen über Wunstorf. Vor allem in sozialen Netzwerken äußern Einzelne Anwohner ihren Unmut. Andere äußern zudem ihre Sorge, durch die zentrale Rolle während der Übung der Gefahr von nuklearen Angriffen ausgesetzt zu sein. Doch in der Mehrheit stehen offensichtlich die Befürworter der Übung. Einige freuen sich gar über "dieses Himmelsspektakel". Viele suchen nach den besten Beobachtungsplätzen.

Bundeswehr als wichtiger Arbeitgeber

Das erklärt sich auch mit Blick auf die Einwohner des Städtchens: "Die Soldatinnen und Soldaten auf dem Fliegerhorst sind oft auch Einwohnerinnen und Einwohner von Wunstorf", so Piellusch. "Das heißt, sie leben hier, arbeiten hier, zahlen hier ihre Steuern und kaufen hier ein." Die Bundeswehr schafft hier Jobs – auch im zivilen Bereich. Bald wird die Wartung von Airbus am Fliegerhorst Wunstorf angesiedelt. Auch das verspricht Hunderte neue Jobs.

Mit Blick auf die Zeit nach dem "Air Defender 2023" sagt der Bürgermeister: "Wir feiern in diesem Jahr 75 Jahre Berliner Luftbrücke und wollen als Stadt gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Lokalhistoriker Heiner Wittrock einen Vortrag auf die Beine stellen."

Man darf gespannt sein, wie sich Wunstorf in der Auswertung als Logistikzentrale während der Übung bewährt hat. Augenscheinlich könnte der Standort auch in der Zukunft ein wichtiger Teil der europäischen Luftverteidigung bleiben – und damit auch bei zukünftigen Übungen eine zentrale Rolle in der Verteidigung Europas einnehmen. Womit auch Wischmeyers Frage nach dem Sinn von Wunstorf geklärt wäre.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • E-Mail-Austausch mit Carsten Piellusch
  • Eigene Recherche
  • Facebook.com: "Du kommst aus Wunstorf, wenn...."
  • YouTube.com: "Dietmar Wischmeyer-Bomben über Wunstorf (live)"
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