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Region Hannover: Haben wir ein Sicherheitsproblem in der Region, Herr Krach? | Interview


Krach über Kriminalitätsgeschehen
"Wir haben eine angespannte Situation"

  • Claudia Zehrfeld
InterviewVon Claudia Zehrfeld

Aktualisiert am 03.04.2024Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Steffen Krach: Der Regionspräsident spricht im Interview von einer angespannten Situation in der Region.Vergrößern des Bildes
Steffen Krach: Der Regionspräsident spricht im Interview von einer angespannten Situation in der Region Hannover. (Quelle: Carolin Weinkopf)

Messerangriffe, häusliche Gewalt, Wohnungseinbrüche – die Zahl der Straftaten in der Region Hannover ist hoch. Im Interview spricht Regionspräsident Steffen Krach über die angespannte Situation.

In Wunstorf tötete ein 14-Jähriger im vergangenen Jahr einen Gleichaltrigen. In der Landeshauptstadt haben Lehrer zuletzt mit Brandbriefen auf die vielen Gewalttaten an Schulen aufmerksam gemacht. Der Hauptbahnhof Hannover gehört zu einem der gefährlichsten in Deutschland. Und die Kriminalstatistik zeigt: Die Zahl der Straftaten in der Region Hannover ist 2023 weiter gestiegen.

Warum ist Kriminalität in der Region an der Tagesordnung und was kann dagegen getan werden? t-online hat mit Regionspräsident Steffen Krach (SPD) über die Thematik gesprochen.

t-online: Herr Krach, gibt es irgendwelche Orte in der Region Hannover, an denen Sie sich nicht sicher fühlen?

Steffen Krach: Ich gehe zum Beispiel nicht gerne durch diesen Tunnel am Raschplatz in Hannover. Den verstehe ich städteplanerisch nicht. Ein schmaler Tunnel mit minimaler Beleuchtung, in dem oft ein paar Menschen sitzen und Drogen konsumieren. Da fühlt man sich unwohl und das müssen wir anpacken.

Kürzlich ist die Kriminalstatistik veröffentlicht worden, die zeigt: Es gibt immer mehr Straftaten in der Region. Haben wir hier gerade ein Sicherheitsproblem?

Wir müssen die Situation auf jeden Fall beobachten. Die Zahlen lassen nicht zu, dass wir uns zurücklehnen. Die Region Hannover mit ihrer Landeshauptstadt und den 20 Umlandkommunen ist keine Insel der Glückseligkeit und auch nicht völlig sicher. Es gibt Orte in der Region, die wir besonders im Blick haben und wo wir gegensteuern müssen.

Welche sind das zum Beispiel?

Dazu gehören in Hannover etwa der Hauptbahnhof, das Steintor und der Raschplatz. Für diese Orte brauchen wir Konzepte. Ebenso gibt es Bereiche im Umland wie etwa in Laatzen, wo an Silvester ehrenamtliche Feuerwehrleute angegriffen worden sind. Oder in Garbsen, wo es vergangenes Jahr zu Überfällen kam. Es ist klar: Wir müssen an einigen Orten die Sicherheit deutlich erhöhen.

Steffen Krach
Steffen Krach (Quelle: Anne Hufnagl)

Zur Person

Steffen Krach, Jahrgang 1979, ist seit dem 1. November 2021 Regionspräsident der Region Hannover. Seine Aufgaben sind vergleichbar mit denen eines Landrats. Zuvor war der gebürtige Hannoveraner Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in der Berliner Senatskanzlei. Krach gehört der SPD an. Er ist verheiratet und hat drei Söhne.

Wie wollen Sie das schaffen?

Meistens sind Orte besonders gefährdet, die in den Abendstunden oder frühmorgens wenig belebt und schlecht beleuchtet sind. In Garbsen gibt es gerade den Versuch mit einer intelligenten Beleuchtung, die anspringt, wenn Bewegung da ist. Solche Maßnahmen können helfen. Alternativ kann man durch zusätzliches Personal vor Ort die Sicherheit erhöhen. Aber vor allem ist es wichtig, an gefährdeten Orten einen Mix aus Gastronomie, Kultur und Clubs zu haben, damit es dort belebter ist. Das ist natürlich eine Frage der Innenstadtentwicklung, aber diese Frage sollten wir angehen.

So wie es im vergangenen Jahr am Raschplatz durch Sportstätten und Events versucht wurde?

Ja, aber das muss natürlich nachhaltig sein. Wir brauchen Konzepte, die auf Dauer funktionieren und nicht nur für ein paar Monate ausgelegt sind. Ich fand das Projekt gut und will es gar nicht kritisieren. Aber die Sicherheit erhöht man nur, wenn man stetig dranbleibt und langfristige Konzepte entwickelt, die niemanden ausschließen.

Oft wird von einer Verrohung der Gesellschaft gesprochen, Kriminalität und Gewalt sind vielleicht nur der Gipfel davon. Würden Sie sagen, dass die Region Hannover immer mehr verroht?

Ich will noch nicht von einer Verrohung sprechen. Aber es stimmt: Wir haben eine angespannte Situation. Das spüren etwa die Kolleginnen und Kollegen in der Regionsverwaltung, die in Bereichen mit Publikumsverkehr arbeiten: Schnell sind die Kunden deutlich verärgert, ihre Geduld ist nicht besonders ausgeprägt und das bringen sie unseren Mitarbeitenden gegenüber zum Ausdruck.

Was glauben Sie, woran das liegt?

Ich denke, es hängt mit der allgemeinen Situation zusammen. Viele Menschen spüren eine gewisse Unzufriedenheit und haben Angst vor der Zukunft. Das ist nach den vergangenen Jahren nachvollziehbar. Zunächst hatten wir dreieinhalb Jahre Corona-Pandemie. Dann ging es weiter mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine – ein nicht allzu weit von uns entfernter Krieg, dessen Folgen wir auch hier spüren. Hinzu kam die zunehmende Inflation, die Angst vor steigenden Energiekosten und Fragen wie: Kann ich mir morgen meine Miete noch leisten? Kann ich meinen Kindern eine vernünftige Ernährung organisieren? Ich kann diese Sorgen nachvollziehen und möchte gemeinsam mit den Mitarbeitenden der Regionsverwaltung dafür sorgen, dass es sich hier weiterhin gut leben lässt.


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Sicherheit und Ordnung haben in Deutschland möglicherweise in den vergangenen Jahrzehnten nicht die Bedeutung bekommen, die notwendig ist. Das wird in Zukunft anders sein müssen. Das erwarten die Menschen auch von der Politik.


Steffen Krach


Die Zahlen zeigen, dass Kriminelle immer jünger werden. In den vergangenen Monaten haben sich etwa die Gewaltfälle an Schulen in Hannover gehäuft. Wie kann man dem Problem begegnen, müssen wir da auch schon früh mit einer entsprechenden Bildung beginnen?

Aus meiner Sicht unbedingt. Kinder und Jugendliche sind in den sozialen Netzwerken früh mit Gewalt konfrontiert, darauf müssen wir reagieren. Und zwar nicht erst in den weiterführenden Schulen, sondern schon in der Grundschule. Bereits in der Kita werden Kinder mit einigen kritischen Themen konfrontiert. Ich habe selber zwei Kinder in dem Alter. Wenn dann auf einmal von heute auf morgen ukrainische Kinder bei ihnen in der Kita sind, fragen sie natürlich, warum das so ist. Das müssen wir ihnen erklären, dass Menschen vor Krieg und Gewalt flüchten müssen. Wir können nicht sagen: Wie die Weltordnung aussieht, das lernt ihr erst ab Klasse 8.

Was müssen wir stattdessen tun?

Wir müssen Kindern beibringen, wie wir Menschen zusammenleben. Kinder müssen nicht als Erstes das Wahlsystem in Deutschland kennen. Aber sie sollen früh lernen, dass es Mitbestimmungsmöglichkeiten gibt, dass sie zum Beispiel in Schülerräten entscheiden können, ob auf dem Schulhof ein Fußballfeld entsteht oder ein Baum gepflanzt wird. So machen wir Demokratie für Kinder erlebbar – und vermitteln hoffentlich auch Freude daran, sich einzubringen.

Haben Sie ein Beispiel, wie Sie das als Region Hannover umsetzen wollen?

Wir denken aktuell darüber nach, wie wir das pädagogische Angebot der Gedenkstätte Ahlem – die in der Verantwortung der Region Hannover ist – erweitern können. Sodass wir nicht erst 13-, 14-Jährige dort hinholen, sondern auch schon Kinder im Grundschulalter ansprechen. Ganz klar: Sie sollen nicht die Horrorbilder sehen und mit allem, was dort passiert ist, konfrontiert werden. Aber sie sollen ein Gefühl dafür bekommen, warum ein demokratisches, gutes Zusammenleben wichtig ist. Und was passieren kann, wenn es keine Demokratie gibt. Das kann man aus meiner Sicht auch kindgerecht darstellen. Mein Vorbild sind die "Logo!"-Kindernachrichten.

Sie haben bereits erwähnt, dass die Situation im Kontakt mit den Bürgern angespannt ist. Haben Sie schon einmal Angriffe selbst erlebt?

Verbale Angriffe schon. Aber ich glaube, da haben andere Politiker und vor allem Politikerinnen schon deutlich mehr erlebt als ich. Aber natürlich kommt das vor und bereitet einem Sorgen.

Häufen sich aktuell solche verbalen Angriffe?

Das kommt immer auf die einzelnen Themen an und ist stark anlassbezogen. In Lehrte arbeiten wir an der Krankenhausstruktur und die Veränderungen stoßen auch auf Kritik.

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Was mussten Sie sich diesbezüglich anhören?

Es wurde zum Beispiel gesagt: "Sie sind jetzt für jeden Toten in Lehrte persönlich verantwortlich, weil Sie das Krankenhaus dort dichtmachen." Solche Aussagen machen etwas mit einem, das lässt mich nicht kalt.

Viele Menschen drücken ihre Unzufriedenheit zudem in Streiks aus. Diese häufen sich aktuell, sei es bei der Üstra oder den Landwirten. Finden Sie, Streiks sind der richtige Weg?

Wenn sie gewaltlos ablaufen, sind sie auf jeden Fall legitim. Es gehört zu einer Demokratie, dass sie Streiks aushält. Auch wenn sie einen unfassbar ärgern, aber das müssen sie ja, wenn sie wirken sollen. Denn grundsätzlich ist es Teil einer Demokratie, das Menschen auf die Straße gehen und wie die Landwirte deutlich sagen, dass sie etwas nicht wollen, wenn es etwa massive Einschnitte geben soll. Ich merke aber an der Art und Weise, wie das in den vergangenen Wochen abgelaufen ist, dass auch da die Anspannung viel höher ist als noch vor einigen Jahren. Deswegen glaube ich, dass wir derzeit in einer besonderen Situation sind. Und leider werden solche Proteste von der einen oder anderen Partei genutzt, die möglicherweise an einer Instabilität der Demokratie Interesse hat.

Sie spielen vermutlich auf die AfD an. Erst im Februar wählte eine Mehrheit der Aha-Beschäftigten den AfD-Ratsfraktionschef Jens Keller zum Personalrat. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Die AfD hat im Bundestag gegen den Mindestlohn, die Ausweitung des Streikrechts oder die Sonderprämie für Beschäftigte in der Corona-Pandemie gestimmt. Diese Beispiele zeigen, dass die AfD gegen die Stärkung von Arbeitnehmerinnenrechten ist. Und nun bekommt ein AfD-Mitglied die meisten Stimmen bei einer Personalratswahl. Rechtsextreme Parteien riskieren auch insgesamt die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Schließlich schreckt es internationale Unternehmen und vor allem auch ausländische Fachkräfte ab, wenn hier Rechtsextreme eine hohe Zustimmung haben.

Was wollen Sie tun, damit so etwas nicht noch einmal passiert?

Ich habe zu Beginn des Jahres alle Unternehmen angeschrieben, an denen die Region Hannover beteiligt ist – zum Beispiel Aha, das Klinikum Region Hannover oder die Üstra. Wir werden uns mit allen zusammensetzen, um genau zu besprechen, was wir eigentlich machen können, um für die Demokratie zu werben. Denn viele dieser Unternehmen wird es mit ihrem Dienst für das Gemeinwesen ohne die Demokratie nicht mehr geben – und das wäre für die Menschen keine positive Entwicklung.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Regionspräsident Steffen Krach
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