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Wahlkampf etwas anders: "Politboxen" mit Spitzenkandidaten


Rendsburg
Wahlkampf etwas anders: "Politboxen" mit Spitzenkandidaten

Von dpa
22.04.2022Lesedauer: 3 Min.

Gut zwei Wochen vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben sich die Spitzenkandidaten der vier stärksten Parteien einen Schlagabtausch der besonderen Art geliefert. Ministerpräsident Daniel Günther von der CDU, seine Herausforderer Thomas Losse-Müller von der SPD und Monika Heinold von den Grünen sowie Wirtschaftsminister Bernd Buchholz von der FDP traten am Freitagabend in Rendsburg lautstark beim sogenannten Politboxen gegeneinander an.

Sie warben im Boxring vor mehreren hundert Zuschauern für ihre Positionen zu diversen Themen, argumentierten temperamentvoll und angriffslustig gegen ihre Rivalen. Es ging munter her unter den Politikern - die alle einander duzen.

Ganz besonders kampfeslustig ging Finanzministerin Heinold (vom Moderator als "Money-Moni" tituliert) zur Sache: "Öl, Gas, Kohle - das wart ihr!", sagte sie an die Adresse der drei Konkurrenten. "Nord Stream 2 bis zum Schluss", fügte sie hinzu. Bei Natur- und Artenschutz sei ebenfalls Fehlanzeige. Deutschland wäre schon lange von russischem Gas unabhängig, wenn die Energiewende stärker vorangetrieben worden wäre. Gleich im ersten Wortduell nahm sie sich Günther vor, legte sich aber mit allen drei Männern an. Trotz verbaler Härte hatten die Rivalen jedoch immer wieder ein freundliches Lächeln füreinander übrig.

Günther, "Black Daniel des Hohen Nordens", warb für Schleswig-Holstein als "geiles Land" mit den glücklichsten Menschen. Losse-Müller ("Roter Tommy von der Waterkant"), setzte sich leidenschaftlich für Tariflöhne überall ein und warf Jamaika vor, viel zu wenig neue Windanlagen und für bezahlbares Wohnen getan zu haben. Gegen hohe Wohnkosten helfe keine Mietpreisbremse, sondern nur: "bauen, bauen", konterte Günther. Buchholz ("Business Bernie"), propagierte vehement den Ausbau der Infrastruktur. "Alle anderen machen's nachher nicht."

Günther verneinte in einer Ja- Nein-Runde die Fragen, ob er für die Union in drei Jahren Kanzlerkandidat werden wolle und ob er lieber in einer Zweierkoalition weiterregieren wolle.

Nach der Wahl am 8. Mai wollen CDU und FDP gern weiter mit den Grünen regieren, die sich eine Koalitionsentscheidung offenhalten. Losse-Müller strebt eine Regierung mit Grünen und SSW an, aber dafür ist der jüngsten Umfrage von Infratest dimap zufolge keine Mehrheit in Sicht. Die Erhebung ließ Regierungschef Günther weiter gestärkt in das "Politboxen" gehen: Sie sieht nicht nur die CDU mit 38 Prozent weit vor SPD (20), Grünen (16) und FDP (9), sondern erbrachte auch herausragende Zustimmungswerte für Günther persönlich - und dies über die Parteigrenzen hinweg.

Im Duell mit Losse-Müller um Mobilität sagte Günther zu, dass künftig an jedem Ort im Land ÖPNV von frühmorgens bis abends genutzt werden kann. Losse-Müller setzt für den ländlichen Raum stark auf E-Autos: 2000 Ladesäulen gebe es, 20 000 würden benötigt. Dafür müsse das Land sorgen. Günther warf Losse-Müller darauf nicht finanzierbare Versprechungen vor. So sieht das auch Buchholz: "Meistens wird es teuer, wenn ich dir zuhöre", sagte er dem SPD-Mann im Duell.

Buchholz bescheinigte den Grünen, sie wollten alles reglementieren. CDU und FDP hätten die Landwirtschaft kaputt gemacht, meinte Heinold. Auf die Bemerkung von Buchholz, er würde gern weiter mit CDU und Grünen regieren, entgegnete Heinold dem "lieben Bernd": "Du hast fünf Jahre laut rumgequakt." Sie konnte es noch drastischer: "Die HSH Nordbank ist echt ein Scheißkapitel", sagte sie angesichts der Milliardenbelastungen für den Steuerzahler.

Das "Politboxen" wird seit zehn Jahren veranstaltet vom Institut für Bildungsdienstleistung, einem privaten Bildungsträger mit Sitz in Rendsburg. Die nächste Runde steigt in einer Woche in Düsseldorf: In Nordrhein-Westfalen wird am 15. Mai der Landtag gewählt, sieben Tage nach Schleswig-Holstein.

So funktioniert das Konzept: Die vier Kontrahenten haben dreimal zwei Minuten Zeit, zu Schlagworten und Themen jeweils allein Stellung zu beziehen. Die Zuschauer können einem Politiker Fragen stellen und dessen Konkurrenten benennen. Zum Schluss gibt es einen Schlagabtausch zu Ja- und Nein-Fragen. Der Moderator und Inhaber des Bildungsinstituts, Stefan Joachim Dohm, nennt das "Politboxen" eine Plattform für aktiv gelebte Demokratie.

Dohm und die mit Riesenbeifall begrüßte vielfache Boxweltmeisterin Regina Halmich würdigten den Einsatz der früheren Boxweltmeister Vitali und Wladimir Klitschko für ihre Heimat Ukraine im Abwehrkrieg gegen Russland. Vitali ist Bürgermeister der Hauptstadt Kiew. Sie kenne die Klitschkos seit 1996 und habe weiter Kontakt, sagte Halmich. Wladimir habe damals sogar mal bei ihr im Vorprogramm geboxt.

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